Intelligenter Schlange stehen
Ob in der Mensa, vor der Kinokasse oder auf dem Arbeitsamt - Schlange stehen ist jedem von uns vertraut. So allgemein bekannt das Phänomen auch ist, so wenig wurde es bisher erforscht. Nun haben Bremer Wissenschaftler untersucht, wie sich Warteschlangen besser organisieren lassen.
" Also ich halts für wichtig, dass in Deutschland mal endlich jemand über Warteschlangen forscht.
In Deutschland sollte mehr über die Warteschlangen geforscht werden, weil das ist langsam wirklich zu viel. [...] "
17 Uhr in einem Berliner Supermarkt. Zwei geöffnete Kassen, vor jeder Kasse eine Schlange. Die eine Schlange ist kurz, die andere lang. Der Zufall will es so. Ein Besucher des Supermarktes stellt sich an die kurze Schlange, ein anderer an die lange. Wäre das System der Warteschlangen gerecht, würde gelten: Lange Schlangen gleich langes Warten. Das System aber ist ungerecht, und so passiert hier das, was tausendfach täglich in Deutschland passiert, eigentlich aber nicht passieren dürfte - die lange Schlange schrumpft schneller als die kurze. Und der ehrlich Wartende ist der Dumme.
" Ich bin schon sauer drüber. Aber ob man was sagt oder in China fällt nen Reissack um - die Regierung tut nichts."
Mathematiker von der Technischen Universität Claustahl forschen auf dem Gebiet der Warteschlangentheorie. Mittels so genannter stochastischer Modelle versuchen die Forscher, das komplexe Verhalten von Warteschlangen am Computer zu simulieren. Der rechnerische Aufwand ist beträchtlich, der Ertrag bislang eher bescheiden. Noch sind die Waffen der höheren Mathematik zu stumpf, um den Warteschlangen dieser Republik den Garaus zu machen.
Und so gilt es, sich mit der Erkenntnis der Forscher zu trösten: Die Dauer des Wartens lässt sich nur schwer aus der Länge der Schlange vorhersagen. Denn zu viele Faktoren spielen beim Warten eine Rolle. Welche Person hat wie viele Produkte im Warenkorb, wer findet wie schnell seine Kreditkarte, wer hat vergessen das Obst abzuwiegen, wer plaudert wie lange mit der Kassiererin über das Wochenendwetter. Das Problem ist seit Jahren bekannt, Besserung nicht in Sicht. Ob bei der Post, in der Mensa oder beim Einwohnermeldeamt, die Devise lautet stets: Schlange stehen.
Besonders geplagt sind Studenten der Universität Bremen. In der Bremer Mensa stehen täglich 8000 hungrige Mäuler Schlange - zu viel des Guten. Und so haben angehende Ingenieure und Psychologen einen 41-Punkte-Plan gegen das Warten vorgelegt. Einer der Initiatoren ist Christoph Pille:
"Der Start war unsere persönliche Betroffenheit von unserer Mensa hier an der Universität Bremen. Da die Mensa damals konzipiert wurde für eine bestimmte Kapazität und diese Kapazität mittlerweile aus allen Ufern gelaufen ist und die Mensa nicht mehr in der Lage ist, diese Kapazität vernünftig abzudecken, sind wir darauf gekommen, mittels einer Projektarbeit dieses Thema anzugehen und zu beheben."
Farbpunkte zur Orientierung, neue Schaukästen, längere Öffnungszeiten, Absperrbänder zwischen den Schlangen - so lauten einige der Vorschläge. Intelligent Queueing, Intelligent Warten - so heißt, hübsch neudeutsch, der Masterplan. Das Warten soll verbessert werden - organisatorisch, zeitlich und natürlich emotional. Magische Spiegel und dudelnde Mensaradios sollen das Schlangestehen angenehm machen. Denn, so die Logik der Studenten: Die Warteschlange ist ein physikalisches Phänomen mit psychologischen Konsequenzen für jene, die die Schlange bilden müssen. Christoph Pille:
" Ein klassisches Beispiel kennt man auch aus dem Internet. Also zu warten, ohne zu wissen, wie lange die Wartezeit ist, ist sehr negativ. Und da kennt man aus dem Internet ja diesen Ladebalken, dass man genau weiß, okay, es dauert noch eine Sekunde oder es dauert noch zehn Minuten."
Gezieltes Warteschlangen-Managment ist gefragt. Einen zaghaften Anfang hatte vor einigen Jahren die Deutsche Bahn gemacht. Sie hat das Prinzip "Ein Schalter - Eine Schlange" durch das Prinzip "Viele Schalter - Eine Schlange" ersetzt. Die Bremer Studenten mit ihrem Masterplan sind ambitionierter. Schade nur, dass bisher aus Kostengründen nur wenige Maßnahmen umgesetzt wurden. Aber immerhin: Der Tablettwagen steht jetzt näher bei der Essensaugabe. Der Plan der Studenten ist teuer -und möglicherweise auch gar nicht effektiv.
So haben zwei englische Ärzte aus Nottingham haben heraus bekommen, dass Wartesysteme in Krankenhäusern kaum von außen veränderbar sind, so wenig wie die Ausbreitung eines Flächenbrandes oder einer Seuche. Zwar lassen sich die Wartezeiten von Patienten kurzzeitig verringern, langfristig aber verpufft der Effekt: Das Wartesystem "pendelt" sich wieder auf seinem Ausgangsniveau ein. Stockt ein Krankenhaus etwa sein Personal auf, um die Zahl der Wartenden zu verkleinern, so werden in der Folge mehr Patienten von Hausärzten an eben dieses Krankenhaus überwiesen. Das Ende der Warteschlange ist nicht in Sicht.
In Deutschland sollte mehr über die Warteschlangen geforscht werden, weil das ist langsam wirklich zu viel. [...] "
17 Uhr in einem Berliner Supermarkt. Zwei geöffnete Kassen, vor jeder Kasse eine Schlange. Die eine Schlange ist kurz, die andere lang. Der Zufall will es so. Ein Besucher des Supermarktes stellt sich an die kurze Schlange, ein anderer an die lange. Wäre das System der Warteschlangen gerecht, würde gelten: Lange Schlangen gleich langes Warten. Das System aber ist ungerecht, und so passiert hier das, was tausendfach täglich in Deutschland passiert, eigentlich aber nicht passieren dürfte - die lange Schlange schrumpft schneller als die kurze. Und der ehrlich Wartende ist der Dumme.
" Ich bin schon sauer drüber. Aber ob man was sagt oder in China fällt nen Reissack um - die Regierung tut nichts."
Mathematiker von der Technischen Universität Claustahl forschen auf dem Gebiet der Warteschlangentheorie. Mittels so genannter stochastischer Modelle versuchen die Forscher, das komplexe Verhalten von Warteschlangen am Computer zu simulieren. Der rechnerische Aufwand ist beträchtlich, der Ertrag bislang eher bescheiden. Noch sind die Waffen der höheren Mathematik zu stumpf, um den Warteschlangen dieser Republik den Garaus zu machen.
Und so gilt es, sich mit der Erkenntnis der Forscher zu trösten: Die Dauer des Wartens lässt sich nur schwer aus der Länge der Schlange vorhersagen. Denn zu viele Faktoren spielen beim Warten eine Rolle. Welche Person hat wie viele Produkte im Warenkorb, wer findet wie schnell seine Kreditkarte, wer hat vergessen das Obst abzuwiegen, wer plaudert wie lange mit der Kassiererin über das Wochenendwetter. Das Problem ist seit Jahren bekannt, Besserung nicht in Sicht. Ob bei der Post, in der Mensa oder beim Einwohnermeldeamt, die Devise lautet stets: Schlange stehen.
Besonders geplagt sind Studenten der Universität Bremen. In der Bremer Mensa stehen täglich 8000 hungrige Mäuler Schlange - zu viel des Guten. Und so haben angehende Ingenieure und Psychologen einen 41-Punkte-Plan gegen das Warten vorgelegt. Einer der Initiatoren ist Christoph Pille:
"Der Start war unsere persönliche Betroffenheit von unserer Mensa hier an der Universität Bremen. Da die Mensa damals konzipiert wurde für eine bestimmte Kapazität und diese Kapazität mittlerweile aus allen Ufern gelaufen ist und die Mensa nicht mehr in der Lage ist, diese Kapazität vernünftig abzudecken, sind wir darauf gekommen, mittels einer Projektarbeit dieses Thema anzugehen und zu beheben."
Farbpunkte zur Orientierung, neue Schaukästen, längere Öffnungszeiten, Absperrbänder zwischen den Schlangen - so lauten einige der Vorschläge. Intelligent Queueing, Intelligent Warten - so heißt, hübsch neudeutsch, der Masterplan. Das Warten soll verbessert werden - organisatorisch, zeitlich und natürlich emotional. Magische Spiegel und dudelnde Mensaradios sollen das Schlangestehen angenehm machen. Denn, so die Logik der Studenten: Die Warteschlange ist ein physikalisches Phänomen mit psychologischen Konsequenzen für jene, die die Schlange bilden müssen. Christoph Pille:
" Ein klassisches Beispiel kennt man auch aus dem Internet. Also zu warten, ohne zu wissen, wie lange die Wartezeit ist, ist sehr negativ. Und da kennt man aus dem Internet ja diesen Ladebalken, dass man genau weiß, okay, es dauert noch eine Sekunde oder es dauert noch zehn Minuten."
Gezieltes Warteschlangen-Managment ist gefragt. Einen zaghaften Anfang hatte vor einigen Jahren die Deutsche Bahn gemacht. Sie hat das Prinzip "Ein Schalter - Eine Schlange" durch das Prinzip "Viele Schalter - Eine Schlange" ersetzt. Die Bremer Studenten mit ihrem Masterplan sind ambitionierter. Schade nur, dass bisher aus Kostengründen nur wenige Maßnahmen umgesetzt wurden. Aber immerhin: Der Tablettwagen steht jetzt näher bei der Essensaugabe. Der Plan der Studenten ist teuer -und möglicherweise auch gar nicht effektiv.
So haben zwei englische Ärzte aus Nottingham haben heraus bekommen, dass Wartesysteme in Krankenhäusern kaum von außen veränderbar sind, so wenig wie die Ausbreitung eines Flächenbrandes oder einer Seuche. Zwar lassen sich die Wartezeiten von Patienten kurzzeitig verringern, langfristig aber verpufft der Effekt: Das Wartesystem "pendelt" sich wieder auf seinem Ausgangsniveau ein. Stockt ein Krankenhaus etwa sein Personal auf, um die Zahl der Wartenden zu verkleinern, so werden in der Folge mehr Patienten von Hausärzten an eben dieses Krankenhaus überwiesen. Das Ende der Warteschlange ist nicht in Sicht.