Intendantin Carena Schlewitt

Theater in der Gartenstadt

30:53 Minuten
Ein Porträt zeigt die Intendantin von HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Carena Schlewitt an eine Brüstung gelehnt. Im Hintergrund alten Wandmalereien, die den Siegeszug der roten Armee darstellen.
Carena Schlewitt im heutigen Theatergebäude in Hellerau. © Stephan Floss
04.12.2019
Audio herunterladen
Düsseldorf, Berlin, Basel und nun zurück in der sächsischen Heimat: Seit letztem Jahr leitet die Theaterwissenschaftlerin Carena Schlewitt das Europäische Zentrum der Künste in Dresden. Dem politischen Seitenwind von rechts begegnet die Intendantin mit – Kunst.
Das Festspielhaus Hellerau liegt 20 Minuten von der Dresdner Innenstadt entfernt. Hellerau wurde 1909 als erste deutsche Gartenstadt gegründet und ist ein Ort, an dem sich Anfang des 20. Jahrhunderts die europäische Künstleravantgarde traf. International und interdisziplinär – das begeistert Carena Schlewitt, die mit dem Europäischen Zentrum der Künste an diese Tradition anknüpfen möchte.
"Wir arbeiten im Grünen, und das ist wunderbar, vor allem natürlich vom Frühjahr bis zum Herbst. Es gibt die Gartenstadt Hellerau nach wie vor, und es gibt das Festspielhaus Hellerau mit einem großen Gelände, auch einem Garten hinter dem Festspielhaus, den wir auch zur Bespielung nutzen. Und was übrig geblieben ist, ist der Geist von damals. Ich empfinde das, wenn ich in dem Haus unterwegs bin, wenn die Künstler und Künstlerinnen da sind und das Publikum."

Eine gesamtpolitische Frage

Das Haus mit seiner wechselvollen Geschichte wurde in den 1990er-Jahren wiederbelebt. Jetzt möchte die AfD es am liebsten schließen: Es sei zu teuer, das Programm spreche nur wenige an. Die Partei möchte aus einem Ort der Kunst lieber eine Immobilie zum Vermieten machen. Carena Schlewitt bleibt gelassen. Sie findet aber, dass die Stadt hinter dem Europäischen Zentrum der Künste stehen müsste.
"Die Argumentation läuft ja über Zahlen, über die Ökonomie, das ist in der Kultur immer so eine Sache. Entweder man subventioniert Kultur und Kunst oder nicht. Das ist eine Diskussion, die viele Parteien führen oder die in der Gesellschaft geführt wird. Und das ist eine Grundsatzentscheidung für eine Gesellschaft, finde ich."

Theaterwissenschaft in Berlin

Die Zeit, in der sie am meisten Input für ihr Leben bekommen hat, sind die 1980er-Jahre, in denen Carena Schlewitt an der Berliner Humboldt Universität Theaterwissenschaft studierte. Eine Zeit voller Diskussionen und Nachdenken über Theater und Gesellschaft, in der auch der Grundstein für ihr politisches Denken gelegt wurde.
"Was an dem Institut für Theaterwissenschaften eigentlich prägend war, war die Offenheit, die Ära, der Blick über den Tellerrand und vor allem das prozesshafte Denken. Es war für mich schon ein ziemlicher Wendepunkt. Ich war ja noch sehr jung, ich war 18, und ich würde sagen, da begann für mich auch so eine persönliche Politisierung. Das hatte natürlich was mit dem Theater zu tun. Wir haben uns hier mit Heiner Müller beschäftigt, mit Alex Lang. Ich hab die ersten Stücke von "Zinnober", der einzigen freien Theatergruppen in Berlin, kennengelernt. Wir haben über viele Texte geredet."

Blick nach Osten

Bevor Carena Schlewitt 2018 die Intendanz des Europäischen Zentrums der Künste in Dresden-Hellerau übernahm, arbeitete sie u.a. zehn Jahre in Basel. Dort leitete sie die "Kaserne", ein freies Kulturzentrum, das von der Schließung bedroht war. Carena Schlewitt und ihr Team konnten sie verhindern. Aber es zog sie zurück nach Deutschland, in die Region, mit der die 1961 nahe Leipzig geborene Theaterwissenschaftlerin sich verbunden fühlte. Das Hellerauer Haus versteht sie als ein künstlerisches Labor, als ein Zentrum zwischen West und Ost. Für den Januar ist ein großes Russlandfestival geplant.
"Wir machen eine Putin-kritische Show. Natürlich gibt es auch im Verhältnis zu Russland sehr verschiedene Stimmen und Meinungen. Und uns geht es darum, genau die Kräfte auch künstlerisch starkzumachen, die eben für eine unabhängige Kunst in Russland stehen. Und das finde ich wichtig, dass es nach wie vor auch diese Orte gibt, wo das möglich wird, auszusprechen und künstlerisch zu zeigen."
(svs)
Mehr zum Thema