International, hochprofessionell und zugleich gemütlich
Sie sind das älteste Kurzfilmfestival der Welt und das Festival des künstlerischen Kurzfilms: die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen. Noch bis zum kommenden Dienstag laufen Hunderte Kurzfilme in verschiedenen Sektionen.
"Am I home or am I dead?"
Ein Mann liegt auf dem Sofa und fragt sich immer wieder, ob er zu Hause oder tot ist.
Die Einrichtung sieht nach spießiger deutscher Nachkriegsprovinz aus, aber alle im Film reden englisch. "I'm Not the Enemy” heißt das neueste Werke des Videokünstlers Björn Melhus und es läuft im deutschen und im internationalen Wettbewerb.
"They say some of the boys coming back come back really confused."
Die Dialoge stammen aus rund einem Dutzend amerikanischer Kriegsheimkehrer-Filmen – "Heroes” etwa aus dem Jahr 1977 oder "Geboren am 4. Juli” von Oliver Stone. Björn Melhus hat daraus archetype Figuren kristallisiert – den Heimkehrer, die Mutter und einen Freund oder Verwandten – und stellt alle drei Figuren selber nach. Ein eindringliches Stück über posttraumatische Belastungsstörungen, eine Annäherung an die Psyche von Kriegsheimkehrern, an zermarternde Bilder im Kopf und Kommunikationsschwierigkeiten in der Heimat.
"Es bleibt irgendwo doch das Unausgesprochene, und die eigene Anspannung, auch das Nichtverstandenwerden, weil es ist das Nachhausekommen in eine sogenannte friedliche Gesellschaft, dieses Zuhause verdreht sich beinahe in einen Bedrohungszustand, in den nicht mehr hineinzupassen. Es geht eigentlich um sehr viel Unaussprechliches dabei."
Die Kurzfilmtage sind international, hochprofessionell und zugleich gemütlich. Alles konzentriert sich auf eine Straße, auf ein Kino mit mehreren Sälen. Man läuft sich immer wieder über den Weg. Die Nähe, der soziale Kontakt, das Diskutieren über Film, das hat Tradition in Oberhausen. Alleine ist das Festival jedoch lange nicht mehr. Heute gibt es alleine in der EU rund 160 Kurzfilmfestivals. Der Festivalmarkt boomt.
"Ich glaube, dass die enorme Zunahme der Filmfestivals insgesamt sich auch darüber begründet, dass gerade auch junge Leute sich danach sehnen, etwas anderes zu sehen als den Mainstream, als das Gängige, als das, was im TV zu sehen ist ..."
Lars-Henrik Gass ist Leiter der Kurzfilmtage.
"... und im Grunde werden Festivals zu einer Art alternativer Öffentlichkeit. Und das interessiert mich sehr stark, die soziale Energie, die aus den Festivals heraus entstehen kann dadurch, dass Leute aufeinandertreffen, die eine alternative Form suchen und Leuten, die in ihren Arbeiten danach streben, etwas Neues zu schaffen. Das ist eine Energie, die ich sehr bedeutsam finde."
Oberhausen schärft seine Position im internationalen Festivalmarkt, indem es sich um die Schnittstellen zwischen dem Kurzfilm und anderen Kunstformen kümmert: Schnittstellen zur Musik etwa (Oberhausen zeigt seit vielen Jahren Musikvideos) oder zur bildenden Kunst. Zum ersten Mal gibt es in diesem Jahr eine Kooperation mit einer Galerie: der Kai Middendorff Galerie aus Frankfurt am Main. Die Kurzfilmtage suchen noch offensiver nach engeren Verbindungen zur Kunstszene – denn hier steckt auch wirtschaftliches Potenzial – für Galeristen, Sammler und natürlich auch die Filmemacher, die in der Kurzfilmwelt sonst finanziell nicht überleben können. Kai Middendorff ist überzeugt: In zehn oder fünfzehn Jahren wird es ganz normal sein, dass eine Ausstellung zu 90 Prozent aus Videoprojektionen und zu zehn Prozent aus Malerei besteht.
"Das ist so, dass man sagen kann, dass es keine internationale Ausstellung gibt von Format, in der nicht Film eine besondere Rolle spielt. In der es keine Film- oder Videoprojektionen gibt, im Gegenteil, es sind häufig die interessantesten Positionen, die komplexesten Positionen, die man auf einer Documenta, einer Biennale sehen kann. Und von daher sehe ich es als meine Pflicht als zeitgenössischer Galerist, mich auch damit zu beschäftigen."
Kai Middendorff sucht in Oberhausen nach vier oder fünf interessanten Künstlern, die er später in einer Ausstellung zeigt und sie anschließend auch zunächst für ein Jahr als Galerist vertritt.
Der Kurzfilm blüht. Über 4.000 Filme aus 96 Ländern haben sich alleine für den internationalen Wettbewerb in Oberhausen beworben. Filme aus Malaysia, Vietnam, Südafrika. Eine Stop-Motion-Animation aus Uganda etwa hat es schließlich in das Programm geschafft. Die Geschichte eines Radfahrers, der in sein Dorf zurückkehrt auf der Suche nach einer Kassette mit den Stimmen von Menschen, die 1989 in Wagons gesperrt und darin verbrannt wurden.
Viele der Filme sind politisch. Auch dafür steht Oberhausen. Aber politisch heißt heutzutage nicht, globale Fragestellungen zu beantworten, anders als vielleicht noch in den 1960ern und 70ern. Politisch heißt eher, ganz genau auf gesellschaftliche Verhältnisse zu schauen, auf Details, die für etwas Größeres stehen. So etwa wie ein Beitrag im deutschen Wettbewerb, "Atom" von Andree Korpys und Markus Löffler.
Die beiden Regisseure fahren immer wieder nach Gorleben, um dort den Castortransport zu beobachten. In ihrem Film "Atom" interessieren sie aber nicht die klassischen Bilder aus den Medien – Polizisten, die Demonstranten von Schienen fräsen und wegtragen. Die direkte Auseinandersetzung taucht im Film eher als Hintergrundrauschen auf. Stattdessen beobachten sie das Geschehen am Rande. Man sieht viele Bäume, Plastikplanen, die im Wind flattern, Demonstranten, die schlafen, Polizisten, die an Bäumen lehnen und warten.
"Es ist ein interessantes Thema, weil es auf der einen Seite so den Widerstand der aus dem Volk kommt, symbolisiert und andererseits die Frage, wie soll Energie produziert werden bzw. aus was besteht die Welt."
"Atom" ist eine Art philosophische Studie über das Warten und das Sein, über Materie und Energie. Denn zwei Polizisten werden die Worte des Physikers und Systemtheoretikers Fritjof Capra in den Mund gelegt.
"Materie, weißt du was das ist? Materie ist leerer Raum weit voneinander entfernter Teilchen ..."
Hier ist der politische Kurzfilm am stärksten: in diesem meditativen, unaufdringlichen, diesem ganz anderen, ganz genauen Blick.
Ein Mann liegt auf dem Sofa und fragt sich immer wieder, ob er zu Hause oder tot ist.
Die Einrichtung sieht nach spießiger deutscher Nachkriegsprovinz aus, aber alle im Film reden englisch. "I'm Not the Enemy” heißt das neueste Werke des Videokünstlers Björn Melhus und es läuft im deutschen und im internationalen Wettbewerb.
"They say some of the boys coming back come back really confused."
Die Dialoge stammen aus rund einem Dutzend amerikanischer Kriegsheimkehrer-Filmen – "Heroes” etwa aus dem Jahr 1977 oder "Geboren am 4. Juli” von Oliver Stone. Björn Melhus hat daraus archetype Figuren kristallisiert – den Heimkehrer, die Mutter und einen Freund oder Verwandten – und stellt alle drei Figuren selber nach. Ein eindringliches Stück über posttraumatische Belastungsstörungen, eine Annäherung an die Psyche von Kriegsheimkehrern, an zermarternde Bilder im Kopf und Kommunikationsschwierigkeiten in der Heimat.
"Es bleibt irgendwo doch das Unausgesprochene, und die eigene Anspannung, auch das Nichtverstandenwerden, weil es ist das Nachhausekommen in eine sogenannte friedliche Gesellschaft, dieses Zuhause verdreht sich beinahe in einen Bedrohungszustand, in den nicht mehr hineinzupassen. Es geht eigentlich um sehr viel Unaussprechliches dabei."
Die Kurzfilmtage sind international, hochprofessionell und zugleich gemütlich. Alles konzentriert sich auf eine Straße, auf ein Kino mit mehreren Sälen. Man läuft sich immer wieder über den Weg. Die Nähe, der soziale Kontakt, das Diskutieren über Film, das hat Tradition in Oberhausen. Alleine ist das Festival jedoch lange nicht mehr. Heute gibt es alleine in der EU rund 160 Kurzfilmfestivals. Der Festivalmarkt boomt.
"Ich glaube, dass die enorme Zunahme der Filmfestivals insgesamt sich auch darüber begründet, dass gerade auch junge Leute sich danach sehnen, etwas anderes zu sehen als den Mainstream, als das Gängige, als das, was im TV zu sehen ist ..."
Lars-Henrik Gass ist Leiter der Kurzfilmtage.
"... und im Grunde werden Festivals zu einer Art alternativer Öffentlichkeit. Und das interessiert mich sehr stark, die soziale Energie, die aus den Festivals heraus entstehen kann dadurch, dass Leute aufeinandertreffen, die eine alternative Form suchen und Leuten, die in ihren Arbeiten danach streben, etwas Neues zu schaffen. Das ist eine Energie, die ich sehr bedeutsam finde."
Oberhausen schärft seine Position im internationalen Festivalmarkt, indem es sich um die Schnittstellen zwischen dem Kurzfilm und anderen Kunstformen kümmert: Schnittstellen zur Musik etwa (Oberhausen zeigt seit vielen Jahren Musikvideos) oder zur bildenden Kunst. Zum ersten Mal gibt es in diesem Jahr eine Kooperation mit einer Galerie: der Kai Middendorff Galerie aus Frankfurt am Main. Die Kurzfilmtage suchen noch offensiver nach engeren Verbindungen zur Kunstszene – denn hier steckt auch wirtschaftliches Potenzial – für Galeristen, Sammler und natürlich auch die Filmemacher, die in der Kurzfilmwelt sonst finanziell nicht überleben können. Kai Middendorff ist überzeugt: In zehn oder fünfzehn Jahren wird es ganz normal sein, dass eine Ausstellung zu 90 Prozent aus Videoprojektionen und zu zehn Prozent aus Malerei besteht.
"Das ist so, dass man sagen kann, dass es keine internationale Ausstellung gibt von Format, in der nicht Film eine besondere Rolle spielt. In der es keine Film- oder Videoprojektionen gibt, im Gegenteil, es sind häufig die interessantesten Positionen, die komplexesten Positionen, die man auf einer Documenta, einer Biennale sehen kann. Und von daher sehe ich es als meine Pflicht als zeitgenössischer Galerist, mich auch damit zu beschäftigen."
Kai Middendorff sucht in Oberhausen nach vier oder fünf interessanten Künstlern, die er später in einer Ausstellung zeigt und sie anschließend auch zunächst für ein Jahr als Galerist vertritt.
Der Kurzfilm blüht. Über 4.000 Filme aus 96 Ländern haben sich alleine für den internationalen Wettbewerb in Oberhausen beworben. Filme aus Malaysia, Vietnam, Südafrika. Eine Stop-Motion-Animation aus Uganda etwa hat es schließlich in das Programm geschafft. Die Geschichte eines Radfahrers, der in sein Dorf zurückkehrt auf der Suche nach einer Kassette mit den Stimmen von Menschen, die 1989 in Wagons gesperrt und darin verbrannt wurden.
Viele der Filme sind politisch. Auch dafür steht Oberhausen. Aber politisch heißt heutzutage nicht, globale Fragestellungen zu beantworten, anders als vielleicht noch in den 1960ern und 70ern. Politisch heißt eher, ganz genau auf gesellschaftliche Verhältnisse zu schauen, auf Details, die für etwas Größeres stehen. So etwa wie ein Beitrag im deutschen Wettbewerb, "Atom" von Andree Korpys und Markus Löffler.
Die beiden Regisseure fahren immer wieder nach Gorleben, um dort den Castortransport zu beobachten. In ihrem Film "Atom" interessieren sie aber nicht die klassischen Bilder aus den Medien – Polizisten, die Demonstranten von Schienen fräsen und wegtragen. Die direkte Auseinandersetzung taucht im Film eher als Hintergrundrauschen auf. Stattdessen beobachten sie das Geschehen am Rande. Man sieht viele Bäume, Plastikplanen, die im Wind flattern, Demonstranten, die schlafen, Polizisten, die an Bäumen lehnen und warten.
"Es ist ein interessantes Thema, weil es auf der einen Seite so den Widerstand der aus dem Volk kommt, symbolisiert und andererseits die Frage, wie soll Energie produziert werden bzw. aus was besteht die Welt."
"Atom" ist eine Art philosophische Studie über das Warten und das Sein, über Materie und Energie. Denn zwei Polizisten werden die Worte des Physikers und Systemtheoretikers Fritjof Capra in den Mund gelegt.
"Materie, weißt du was das ist? Materie ist leerer Raum weit voneinander entfernter Teilchen ..."
Hier ist der politische Kurzfilm am stärksten: in diesem meditativen, unaufdringlichen, diesem ganz anderen, ganz genauen Blick.