Das waren zwei Künstler, die ganz stark vermittelt haben zwischen Frankreich und New York und die für unsere Ausstellung eine Inspiration waren, denn zu diesem großen Bogen, diesem Dialog auf Augenhöhe, hat es bislang keine große Ausstellung gegeben. Auch dass man beide Bereiche – Farbfeldmalerei wie gestische Malerei – unter diesem transnationalen Aspekt untersucht, war das Neue daran.
Transatlantische Kunst
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Die Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg prägten abstrakte Maler in Europa und in den USA. Das Potsdamer Museum Barberini führt ihre Werke nun in der Ausstellung "Die Form der Freiheit“ zusammen – und stellt dabei Ähnlichkeiten und Unterschiede fest.
Den Clou verriet Ortrud Westheider, Direktorin des Potsdamer Museums Barberini ganz nebenbei. Der Sammler und Museumsgründer Hasso Plattner konnte vor Kurzem vier Gemälde von Claude Monet erwerben. Jetzt sind sie zum ersten Mal seit 100 Jahren wieder öffentlich zu sehen – als Teil von Plattners Impressionisten-Sammlung.
Monet ist auch der Ausgangspunkt für die aktuelle Ausstellung über die internationale Abstraktion nach 1945, denn in der Sammlung befinden sich zwei luftige Großformate von Sam Francis und Joan Mitchell.
Vier neue Monets
„Mit Joan Mitchell und Sam Francis hat Herr Plattner zwei Künstler gesammelt, die sich in Giverny mit den Orten, an denen Monet gemalt hat, direkt auseinandergesetzt haben“, sagt Ortrud Westheider.
Die Ausstellung "Die Form der Freiheit. Internationale Abstraktion nach 1945“ ist bis Ende September im Potsdamer Museum Barberini zu sehen.
Im Schatten von Krieg und Diktatur
Es dauerte lange, bis die Abstraktion zu dem heiter meditativen Einklang mit der Natur gefunden hat. In der Ausstellung liegen die Schatten von Krieg und Diktatur sichtlich über dem Informel in Europa und dem abstrakten Expressionismus in den Vereinigten Staaten.
Sam Francis wurde 1943 als Kampfpilot abgeschossen, Kunst studierte er während seiner Rekonvaleszenz. In Europa kamen die Künstler aus Krieg, Gefangenschaft oder Widerstand zurück.
„Diese Künstlerinnen und Künstler haben gesagt: Wir können nach dem Krieg nicht einfach weitermachen, es ist notwendig, sich zu trennen von allen Traditionen und allem, was uns vorgegaukelt wurde, was Wahrheit sein sollte, was ein solider Gegenstand sein sollte“, erklärt die Direktorin.
„Das wollen wir nicht mehr. Das Einzige, worauf wir uns verlassen können, sind wir, unser Ausdrucksvermögen, unser Umgang mit der Farbe – und so ist die Leinwand zu einer Arena des Handelns geworden.“
Die Leinwand als Arena des Handelns
Die Leinwand als Arena des Handelns wird zum Raum, um unaussprechliche Erinnerungen an Gewalt bildlich festzuhalten.
Der deutsche Maler Wols kratzt in seinem Bild „Die blaue Granate“ von 1948/49 eine kratergleiche Wunde in die Farbe. Otto Piene verkohlt die Leinwand. Der Spanier Manolo Millares reißt Löcher hinein, knetet, faltet, klammert den Stoff. Sein Landsmann Antoni Tàpies löscht die blutrote Farbe mit Sand. Die Auflösung der greifbaren Gestalt wird zur Form der Freiheit.
„Die Freiheit sieht man in der Ausstellung insbesondere an diesen ganz stark gestisch impulsiven Leinwänden. Das war eine Abwendung nicht nur vom Regelwerk der Akademien, sondern auch von der Vorstellung, dass Bildfindung ein komplexer Prozess ist, der über Vorstudien geht“, sagt Daniel Zamani.
„Natürlich ist häufig nachgearbeitet worden, aber das Grundprinzip war, dass das Bild aus einer spontanen Begegnung zwischen der Künstlerpersönlichkeit und der leeren Leinwand hervorgehen sollte.“
Wechselspiel zwischen europäischen und US-Künstlern
Der Kurator Daniel Zamani erzählt die Geschichte der Abstraktion als Wechselspiel zwischen den amerikanischen und den europäischen Künstlern. Mit den Exilantinnen und Exilanten, mit Sartres Existenzialismus gelangen die fundamentalen Zweifel an der Möglichkeit der Kunst auch in die Vereinigten Staaten.
Max Ernst lebt seit 1941 in New York. Die écriture automatique der Surrealisten bereitet den Weg für die Hingabe an die Spontaneität. Aber erst der rauschhafte Tanz, den Jackson Pollock mit tropfendem Pinsel auf der Leinwand vollführt, macht New York zum wichtigsten Kunstzentrum der Welt.
„Das war ein radikal neuer Vorgang. Das Bild hat keinen Vorder- oder Hintergrund mehr, es gibt kein Unten oder Oben, sondern: In diesem All-Over-Effekt lösen sich alle Bildhierarchien auf. Und das ist eine Strategie von Pollock, die sehr performativ ist, wo sein eigener Körper ins Bild kommt und die einen ungeheuren Einfluss hat sowohl in Europa als auch in den USA“, erklärt Zamani.
Malerei wird zur Erfahrung einer inneren Weite
Heute aber wirken Jackson Pollocks manische Drippings seltsam verschlossen. Aufregender ist die Entdeckung von Malerinnen wie Janice Biala oder Judit Reigl. In dem fulminanten Saal mit Farbfeldmalerei von Helen Frankenthaler, Mark Rothko und Barnett Newman wird das Publikum eingehüllt von Rot, Hellblau und Orange.
Die Farben finden eine Antwort in dem Glutrot des Münchner Künstlers Rupprecht Geiger. Die Malerei wird zur Erfahrung einer inneren Weite. Vor den Abgründen des 20. Jahrhunderts ruft diese intensive Ausstellung die existenzielle Bedeutung der Kunst auf – als Form der Freiheit.