Russland als unterdrücktes Volk
Präsident Wladimir Putins Krimrede hat einen umfassenden Einblick in sein Weltbild vermittelt. Über Jahrhunderte habe der Westen Russland unterdrückt. Die Russen seien zu einem der größten geteilten Völker der Welt geworden.
Die Vertreter der frisch von Russland anerkannten sogenannten Republik Krim wurden von Präsident Putin gesondert begrüßt. Die Zuhörer, Abgeordnete beider Parlamentskammern, Religionsvertreter, Regierungsvertreter, erhoben sich zu Ovationen. Überhaupt wurde viel applaudiert während der fast einstündigen von Patriotismus geprägten Rede Putins. Der Präsident ging zunächst auf die russische Geschichte der Krim ein. Die Entscheidung, die Halbinsel 1954 der ukrainischen Sowjetrepublik zu geben, sei unrechtmäßig gewesen. Mit dem Zerfall der Sowjetunion seien die Russen zu einem der größten geteilten Völker der Welt geworden.
"Ich habe kürzlich gehört, wie Krimbewohner sagten, man habe sie damals, 1991, wie einen Sack Kartoffeln weitergegeben. Das stimmt. Und Russland? Russland hat damals den Kopf gesenkt und sich damit abgefunden. Hat diese Schmach geschluckt. Unser Land war damals zu schwach, seine Interessen zu verteidigen."
Heute aber, betonte Putin, sei Russland ein selbständiger Staat mit eigenen nationalen Interessen, die berücksichtigt und geachtet werden müssten.
Der Präsident sprach von einem historischen Tag. Er betonte einmal mehr, dass die Abspaltung der Krim von der Ukraine und das Referendum am Sonntag legitim, demokratisch und im Rahmen internationalen Rechts geschehen seien. Zum Beleg verwies er auf das Kosovo.
"Von den USA und Europa hören wir, das Kosovo sei ein Sonderfall. Weil es dort viele menschliche Opfer gab. Ist das etwa ein juristisches Argument? Muss es etwa erst zu Opfern kommen? Wenn die Selbstschutzkräfte der Krim die Lage nicht rechtzeitig unter ihre Kontrolle gebracht hätten, hätte es auf der Krim auch Opfer geben können."
Putin sieht Antisemiten und Russophobe an der Macht
Denn in der Ukraine, so Putin, hätten Neonazisten, Antisemiten und Russophobe die Oberhand gewonnen. Nicht nur das Kosovo musste als Vergleich herhalten, auch die deutsche Wiedervereinigung.
"Ich erinnere daran, dass bei weitem nicht alle Staaten die deutsche Einheit begrüßten. Unser Land aber hat ehrlich und eindeutig das Streben der Deutschen nach nationaler Einheit unterstützt. Ich hoffe, Sie haben das nicht vergessen. Und ich hoffe, dass die Bürger Deutschlands das Streben der russischen Welt, des historischen Russlands, zu Wiederherstellung der Einheit ebenso unterstützen."
Zugleich griff Putin den Westen heftig an. Über Jahrhunderte habe er Russland unterdrückt und benachteiligt.
"Man versucht ständig, uns in eine Ecke zu drängen, weil wir eine unabhängige Position vertreten. Aber alles hat seine Grenzen. Und im Fall der Ukraine haben unsere westlichen Partner eine Linie überschritten. Sie haben sich grob, verantwortungslos und unprofessionell benommen."
Nach der Rede unterzeichneten Putin und die Vertreter der Krim noch im Saal einen Vertrag zur Eingliederung der Halbinsel in die Russische Föderation. Die Duma und der Föderationsrat müssen den Vertrag noch ratifizieren. Das dürfte eine Formsache sein, denn Putin hat heute per Dekret angeordnet, dem Vertragsentwurf zuzustimmen. Möglicherweise geschieht dies bereits am Freitag. Danach muss nur noch das russische Verfassungsgericht grünes Licht geben. Nachdem Russland die Krim als eigenständigen Staat anerkannt hat, dürfte das Oberste Gericht keine Einwände mehr haben, denn damit ist die Notwendigkeit entfallen, die Regierung der Ukraine in Kiew um ihr Einverständnis zu bitten.