Internationaler Arbeitsmarkt

Wachsende Konkurrenz aus China

Das Logo des Softwareherstellers SAP am Hauptsitz in Walldorf in Baden-Württemberg.
Krankenversicherung für die Eltern inklusive: Westliche Unternehmen wie SAP müssen sich im globalen "War for Talents" heute mehr bemühen. © imago/R. Wittek
Clas Neumann, Leiter der SAP-Entwicklungszentren, im Gespräch mit Dieter Kassel |
Unternehmen wie Alibaba, Huawei oder Tencent machen westlichen Firmen im Kampf um die besten Köpfe zunehmend Konkurrenz. Es sei für Softwareentwickler nicht länger das "Nonplusultra", für ein westliches Unternehmen zu arbeiten, meint Clas Neumann.
Im Kampf um die besten Köpfe haben deutsche und andere westliche Unternehmen nach Ansicht Clas Neumanns, Senior Vice President und weltweiter Leiter der Entwicklungszentren von SAP ("SAP Labs Network") nicht mehr automatisch die Nase vorn.
Es sei ein "weltweites Phänomen", dass man sich um die besten Leute sehr bemühen müsse, sagt Neumann. Besonders in Asien sei der Wettbewerb angesichts der großen Zahl an aufstrebenden Volkswirtschaften sehr scharf: Während es etwa in China noch vor einigen Jahren das "Nonplusultra" gewesen sei, für einen deutschen oder internationalen Konzern zu arbeiten, gingen viele junge Softwareentwickler inzwischen "liebend gern" zu Firmen wie Alibaba, Huawei oder Tencent. "Und gegen diese lokale starke Konkurrenz, sage ich jetzt mal aus Sicht eines Arbeitgebers, muss man sich natürlich zur Wehr setzen", so Neumann.

Das Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: Das Gastland der Computermesse CeBIT, die gerade in Hannover stattfindet, ist in diesem Jahr China, und warum das so ist, kann man sehr einfach erklären: weil China wichtig ist, sehr wichtig im digitalen Bereich – natürlich auch als Markt für viele Produkte, aber zunehmend auch als Hersteller und Entwickler von Software, was alles zusammenhängt. Und deshalb arbeiten auch in China Softwareentwickler für den deutschen Konzern SAP. Für die ist Clas Neumann zuständig, aber nicht nur für die: Als Global Head des "SAP Labs Network" ist er verantwortlich für 12.000 Softwareentwickler weltweit. Deshalb ist er auch weltweit unterwegs, aber jetzt ist er natürlich in Hannover. Schönen guten Morgen, Herr Neumann!
Clas Neumann: Ja, schönen guten Morgen!
Kassel: Wie viele Menschen arbeiten im Entwicklungsbereich für die SAP in China?
Neumann: Im Entwicklungsbereich in China haben wir etwa 3.000 Softwareentwickler beschäftigt in vier Standorten über das Land verteilt.
Kassel: Warum lohnt sich so etwas? Warum könnte man nicht einfach Chinesen und Deutsche in Waldorf in der Konzernzentrale zusammenarbeiten lassen?
Neumann: Nun, es ist natürlich so, dass ... Die besten Leute haben ja auch ihre Heimat und nicht jeder möchte unbedingt im mittleren Neckarraum leben und arbeiten. Das heißt, wenn man eben verschiedene Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen, verschiedenen Ländern für sich gewinnen will, ist es wirklich besser, man geht mit der Arbeit dorthin, wo die Menschen sind, anstatt dass man die Menschen alle nach Waldorf holt.
In Asien besonders scharfer Wettbewerb
Kassel: Wird denn der Kampf um die besten Köpfe in Ihrer Branche, der sogenannte "War of Talents", heute vor allem in Asien geführt?
Neumann: Der Kampf wird nicht nur in Asien geführt, es ist sicherlich auch ein weltweites Phänomen, dass man sich um die besten Leute wirklich sehr bemühen muss, aber in Asien haben wir natürlich viele aufstrebende Volkswirtschaften wie Indien, China, Südostasien, und da ist der Wettbewerb um die Besten natürlich besonders scharf.
Kassel: Wie gewinnt man diesen Wettbewerb? Natürlich muss man gute Löhne zahlen und vernünftige Arbeitsbedingungen bieten – aber das, nehme ich an, macht in der Branche doch inzwischen jeder?
Neumann: Ja, das ist richtig. Sie können nicht einfach durch gute Gehälter, da können Sie auch wirklich keinen großen Unterschied machen. Es geht wirklich mehr auch um die Art der Arbeit, das heißt, dass Sie attraktive Arbeit anbieten können. Die Leute gehen einfach, wenn sie feststellen, dass die Arbeit langweilig ist, dass sie nicht gefordert werden und dass sich auch ihr Marktwert nicht erhöht. Das ist auch immer eine Größe, die sehr stark beobachtet wird: Steigt mein Marktwert, wenn ich bei SAP bin? Lerne ich da was Neues und kann ich deshalb meine eigene Karriere auch weiterhin gut entwickeln?
Kassel: Hat man denn als deutscher Konzern, auch wenn man so groß ist wie die SAP, DAX-30-Konzern, hat man da wirklich eine Chance gegen die internationalen Konkurrenten, die besten Köpfe zu bekommen?
Lieber zu Alibaba, Huawei oder Tencent
Neumann: Gut, ich meine, der Wettbewerb lokal ist sehr scharf und wir haben auch in China festgestellt, wo es vor vielleicht fünf bis zehn Jahren das Nonplusultra war, für einen deutschen oder einen internationalen Konzern zu arbeiten, dass die lokalen Unternehmen jetzt natürlich viel, viel stärker sind. Also viele junge Softwareentwickler gehen natürlich auch liebend gern zu Firmen wie Alibaba, Huawei oder Tencent. Und gegen diese lokale, starke Konkurrenz, sage ich jetzt mal aus Sicht eines Arbeitgebers, muss man sich natürlich zur Wehr setzen und dadurch ... Wir versuchen das natürlich auch durch Austauschprogramme mit anderen Ländern und ähnliches.
Kassel: Sie haben ja schon darüber gesprochen, dass eben für die Attraktivität so die klassischen Sachen - günstige Arbeitszeiten, viel Geld - längst nicht mehr ausreichen. Ich habe da immer dieses Startup-Bild aus dem Silicon Valley im Kopf: riesige Büros, alle duzen sich, in den meisten Sprachen eh egal, und es gibt halt kostenlos Äpfel und Ähnliches. Muss man das machen oder was muss man wirklich machen, damit heute die besten Köpfe sagen: Genau da will ich arbeiten?
Neumann: Das spielt schon eine Rolle. Wir haben schon sehr genaue Policies, die wir auch auf die einzelnen Länder abstimmen. Zum Beispiel in Indien sind die Eltern mit krankenversichert, das ist eben in Indien den Mitarbeitern sehr, sehr wichtig. In China machen wir sehr viel im Bereich Sport, weil das ist unseren Mitarbeitern dort sehr wichtig, also viele, viele Aktivitäten, die wir dort anbieten. Aber letztlich, wie ich eingangs gesagt habe, kommt es vor allen Dingen auf die Qualität der Arbeit an, auf die intellektuelle Herausforderung für die einzelnen Mitarbeiter. Das bleibt. Also die Menschen und gerade die jungen Softwareentwickler bei uns in der Branche, die wollen einfach gefordert sein, und wenn sie gefordert sind und global was bewegen können, dann sind sie auch engagiert und motiviert.
Kassel: Was dadurch ja automatisch entsteht, ist etwas, was seit einer Weile unter diesem Wort Diversity verstanden wird: Also es gibt dann sehr unterschiedliche Arbeitskulturen, so ähnlich sich die Welt auch langsam wird. Wirkt sich denn zum Beispiel aus, dass Sie Erfahrungen machen in China, in Indien, in den USA und sonst wo, wirkt sich das auch auf die Arbeitskultur an Ihren Standorten in Deutschland aus?
Interkulturelle Zusammenarbeit erzeugt Innovation
Neumann: Selbstverständlich. Als wir noch, sage ich mal, 90 Prozent unserer Softwareentwicklung in Deutschland hatten, hatten wir eine ganz andere Kultur als heute. Wenn Sie heute nach Waldorf gehen, dann treffen Sie viele Chinesen, Inder, Amerikaner und auch aus anderen europäischen Ländern viele Mitarbeiter. Und das ist natürlich ein gegenseitiges Befruchten, denn die Kulturen sind einfach anders. Während in einigen Ländern eben sehr viele Ideen entwickelt werden und die Leute nicht erst fragen, geht das überhaupt, sondern einfach loslegen, haben wir in anderen Kulturen eben eher die Nachdenklichen, die sagen, hm, das müssen wir erst mal ganz genau analysieren. Und am Ende ist es dieses Zusammenarbeiten, was einfach mehr Innovation erzeugt und tatsächlich Innovation auch sofort tragfähiger in verschiedenen Märkten macht.
Kassel: Der Austausch von Ideen, den Sie jetzt positiv schildern, der hat natürlich in einem Bereich manchmal auch einen negativen Touch, nämlich dann, wenn der Austausch von Ideen nicht ganz freiwillig stattfindet, Stichwort Industriespionage. Ist so etwas, wenn man so viele Standorte hat, wenn man 12.000 Menschen ja auch kontrollieren vielleicht ein bisschen muss, ein großes Problem?
Neumann: Es ist in unseren Standorten kein größeres Problem als, sage ich mal, jetzt auch in der Firmenzentrale. Ich meine, im IT-Bereich ist es ja sowieso so, dass ... die, ich sage mal, potenziellen Angreifer können überall sein. Die müssen ja auch nicht innerhalb Ihres Unternehmens sein. Das heißt, da können sie heute irgendwo sitzen und versuchen, Firmen anzugreifen. Von daher müssen wir uns natürlich weltweit gut schützen. Das tun wir auch, durch geeignete Maßnahmen, auf die ich natürlich aus verständlichen Gründen hier auch nicht näher eingehen möchte.
Kassel: Ach, ich hätte es den Chinesen nicht gesagt, aber gut. Ich danke Ihnen sehr! Clas Neumann war das, er ist Senior Vice President und vor allem auch Global Head des Labs Network der Firma SAP. Mit ihm haben wir gesprochen über den Kampf um die besten Köpfe, wie er geführt wird und dass er unter anderem auch verstärkt auch für deutsche Firmen in Asien geführt werden muss. Herr Neumann, vielen Dank fürs Gespräch!
Neumann: Ja, herzlichen Dank, ich bedanke mich auch! Schönen Tag noch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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