Das war eine Horrorgeschichte. Da gab es tatsächlich eine politische Zensur. Sie waren besorgt über diesen offen anarcho-feministischen Ton und die Kritik an einigen Figuren der institutionalisierten Linken. Sie waren sehr hartnäckig darin, bestimmte Dinge zu verändern. Allerdings war ich das auch und habe dann gesagt: So kann ich das nicht veröffentlichen. Da muss ein anderer Verlag her.
Internationaler Literaturpreis
Cristina Morales musste sich gegen Zensurversuche ihres ehemaligen Verlages wehren. © imago-images / Agencia EFE / Yander Zamora
Leben in einer anarcho-feministischen WG in Barcelona
16:12 Minuten
Die spanische Autorin Cristina Morales und ihre deutsche Übersetzerin Friederike von Criegern haben den Internationalen Literaturpreis gewonnen. Das prämierte Buch "Leichte Sprache" ist sowohl inhaltlich als auch in seiner Form außergewöhnlich.
Der Internationale Literaturpreis wird an ein Werk internationaler und erstmalig ins Deutsche übersetzter Gegenwartsliteratur vergeben. Das Besondere an dem Preis: Auch die Übersetzung wird prämiert. In diesem Jahr geht er an die spanische Autorin Cristina Morales und ihre Übersetzerin Friederike von Criegern für das Buch "Leichte Sprache".
Rasante, vielstimmige Kritik am spanischen Staat
In ihrem Buch geht es um vier Frauen, die mit der Diagnose einer geistigen Behinderung in einer betreuten Wohngemeinschaft im gentrifizierten Barcelona leben. Der Roman ist eine rasante Gesellschaftskritik auf die kapitalistische Konsumgesellschaft und die sexistische und patriarchale Struktur Spaniens.
Auch der vermeintlich aufgeklärte linke Sozialstaat, der alle, die irgendwie anders sind, zwar nicht bestraft, dafür aber in Therapieeinrichtungen betäubt, wird persifliert.
Morales erzählt die Geschichte vielstimmig, hauptsächlich aber aus der anarcho-feministischen Perspektive ihrer vier Protagonistinnen und spart auch nicht mit Kritik an namentlich genannten politischen Akteuren in Spanien. Das sei dann dem Verlag, bei dem das Buch ursprünglich erscheinen sollte, zu weit gegangen, sagt sie:
Inspirierende Zusammenarbeit der "Frauen-Gang"
Die Vielstimmigkeit des Romans sei eine Herausforderung gewesen, sagt die Übersetzerin Friederike von Criegern: "Die Stimmen werden kapitelweise nebeneinander gestellt. Und jede ist anders gestaltet. Teilweise fügt sich das auch erst im Nachhinein zu einer Geschichte zusammen. Für jede dieser Figuren muss man eine eigene Stimme, manchmal auch einen eigenen Jargon finden."
Beide Frauen haben die Zusammenarbeit sehr genossen und möchten sie fortsetzen. "Ich habe eine Gang von Übersetzerinnen und Friederike ist meine Waffenschwester. Ich würde sie sofort heiraten", sagt Morales. "Wir haben über so viele Dinge gesprochen, über Details, über die physischen Formen der Figuren. Friederike war in ihren Vorschlägen immer sehr klar und eindeutig."
Morales habe die Übersetzerinnen, die gleichzeitig in verschiedenen Sprachen am Buch gearbeitet haben, zusammengeführt, erzählt von Criegern.
"Cristina hat uns allen am Anfang einen Brief geschrieben, wie sie sich das vorstellt. Wir haben dann alle miteinander geredet und uns über die Arbeit und die Probleme ausgetauscht. Diese Übersetzerinnengruppe zu haben, war eine sehr große Bereicherung."
Durch diesen zeitgleichen Austausch seien auch teilweise Freundschaften entstanden und man habe auch nach Vollendung der Arbeit Kontakt zueinander. "Das ist für mich sehr emotional und ich finde es großartig", sagt Morales.
(rja)