Smart, aber neugierig
Ein Smart-TV liefert dem Fernsehzuschauer über das Internet Zusatzinformationen, zum Beispiel zum Wein, der gerade im Kochstudio getrunken wird. Doch sie übermitteln auch personenbezogene Daten - ohne das Einverständnis des Nutzers. Die Funktion abzuschalten, ist ziemlich kompliziert.
Welches Programm man auch wählt, immer ist auch die Sendeanstalt im Bilde. Smart-TVs verraten das Sehverhalten des Zuschauers. Online und in Echtzeit. Ronald Eikenberg von der Computerzeitschrift c’t hat das herausgefunden.
"Also der Fernseher informiert den TV-Sender über das Internet, dass man zugeschaltet hat. Und zu allem Übel werden diese Daten häufig auch noch an Google weiter gegeben."
Egal, ob das Gerät von LG, Panasonic, Philips oder Samsung: Alle getesteten Smart-TVs haben die Online-Spionage aktiviert, die im Fachjargon "HbbTV" genannt wird. Übermittelt wird dabei die IP-Adresse des Gerätes. Google-Analytics im Hintergrund könnte dann vielleicht sogar Name und Adresse des Fernsehzuschauers beisteuern.
"Das sind natürlich wertvolle Daten, wenn man genau in diesem Fall weiß, wann man in welchem Moment zuschaltet. Wie viele Leute zugeschaltet haben. Und dieser Datensatz ist auch ziemlich groß. Also wir wissen, dass Pro 7 damit wirbt, im Dezember vergangenen Jahres über acht Millionen Geräte registriert zu haben. Also acht Millionen verschiedene Geräte. Das heißt, die können nicht nur sehen, wie oft eingeschaltet wurde, sondern auch wie oft wer eingeschaltet hat, weil die Geräte unterschieden werden können."
Das Interesse der Fernsehanstalten ist schnell erklärt: Es geht um Geld, denn je mehr Zuschauer nachweislich vor dem Bildschirm sitzen, desto höher die Einnahmen beim Werbespot. Doch die Neugier der Geräte geht noch weiter.
"In einem Fall, das war bei LG, haben wir sogar gesehen, dass Daten über die persönliche Medienbibliothek – also das heißt: Ich stecke einen USB-Stick rein mit Filmen drauf -, dass diese Dateinamen an den Hersteller übertragen wurden."
Fernsehzuschauer wiederum haben die Möglichkeiten, mit dem roten Knopf auf der Fernbedienung zusätzliche Informationen abzurufen. Zum Beispiel Angaben über den Wein, der im Kochstudio gerade getrunken wird. Smart-TVs spielen dabei vorrangig den Geräte-Herstellern, TV-Sendern und Google in die Hände. Und das, so Professor Nikolaus Forgo, IT-Rechtler von der Uni in Hannover, ist vom Datenschutz her sehr problematisch.
"Zentrale Frage ist die: Weiß der Kunde, der diesen Fernseher hat, dass da jetzt personenbezogene Daten übermittelt werden? Und weiß er, welche Daten übermittelt werden? Und ist er damit einverstanden und weiß er auch, wie er das abstellen kann, wenn er nicht damit einverstanden sein sollte?"
Im Extremfall werden Video-Wanzen aktiv
Nein, in aller Regel erfährt der Zuschauer von dem Datenstrom der neuartigen Geräte nichts. Weder in der Bedienungsanleitung, noch anderswo in den Einstellungen des Gerätes gibt es einen Hinweis darauf, so der Befund von Ronald Eikenberg, der die Smart TVs mit einer speziellen Software unter die Lupe nahm.
"Es zeigt aber auch sehr deutlich, wie ungeniert sich da die Firmen noch an den Daten bedienen. Hätte man mich das vorher gefragt, hätte ich das für undenkbar gehalten, dass da jemand meinen TV-Konsum sehr genau erfasst und die Daten dann auch noch in die USA schickt."
Neugierig auf die Daten der Fernsehzuschauer sind zum einen die Hersteller der Geräte. Auf der Seite die Fernsehsender, vor allem die Privaten, aber auch die Öffentlich-Rechtlichen bekleckern sich nicht mit Ruhm. Noch einmal Nikolaus Forgo mit einer rechtlichen Einschätzung.
"Man kann relativ genau erkennen, der interessiert sich für Kochen, aber nicht für Fußball. Oder aber auch, er sieht fern zu Zeiten, wo er gar nicht fernsehen sollte, weil er im Büro sein sollte und, und und. Also es ist nicht so, dass das ganz harmlos ist."
Auch IP-Adressen – so der IT-Rechtler - sind personenbezogene Daten. Die Übermittlung dieser Daten setzt das Einverständnis des Fernsehzuschauers voraus. Allein mit dem Kauf der Geräte ist diese Zustimmung nicht erfolgt, so der Jurist. Ein großes Problem sind auch die Viren, die unbemerkt über das Internet eingeschleust werden können.
Ronald Eikenberg: "Grundsätzlich ist so ein Smart TV auch nur ein Computer, im Prinzip. Es ist ein kleiner Computer drin, der diese ganzen App-Funktionen, Internet usw. bereitstellt, und einen solchen kann man auch angreifen. Das ist bei diesen Smart-TVs noch mal eine Ecke problematischer als bei normalen Rechnern, weil die nicht so oft Software-Updates bekommen. Es gibt definitiv Lücken. Wir haben auch einige gefunden, aber bis dann Updates herauskommen für die Geräte – wenn überhaupt – kann das Monate dauern."
Im Extremfall, so Ronald Eikenberg, könnte sogar eine Video-Wanze aktiv werden. Diese leitet die Aufnahme der eingebauten Kamera unbemerkt weiter, sogar wenn das Gerät ausgeschaltet ist. Was also tun? Online-Stecker ziehen, damit keiner mehr lauschen kann? Stellt sich die Frage, wozu dann überhaupt noch ein Smart-TV gut sein soll? Die Hersteller arbeiten an einer Lösung, sagen sie. Wenigstens bei HbbTV gibt es einen kleinen, wenn auch komplizierten Ausweg, um dem Zugriff der Sender zu entkommen.
"Man kann diese Funktion, die HbbTV heißt, abschalten im Fernseher. Die ist meistens ziemlich versteckt irgendwo im Menü. Man kann sich auch damit behelfen, indem man den Modellnamen bei Google eintippt und "HbbTV abschalten". Da findet man manchmal auch ein bisschen was, aber das ist in der Tat sehr uneinheitlich und man muss sich da erstmal richtig durchwühlen. Vielleicht auch nicht ganz ohne Grund. Vielleicht ist es ja auch ein Interesse, aller Beteiligten, dass es an bleibt.
"HbbTV" steht für "Hybrid broadcast TV". Zuschauer sollen mit Hilfe des Internets parallel zum Fernsehprogramm informiert werden. Durch die wachsende Kritik an dem Verfahren haben nun einige TV-Gerätehersteller das "HbbTV" ab Werk erfreulicher Weise abgeschaltet. Wer es nutzen möchte, muss die Technik erstmal aktivieren. Eine saubere Lösung, sagen Juristen. Nur die Virengefahr muss noch gebannt werden – mit regelmäßigen Updates. Die Hersteller beteuern: "Wir arbeiten daran."