Internet im Auto

Von Oliver Buschek |
Lange her sind die Zeiten, als ein Autobesitzer seinen Wagen mit ein wenig Wissen und Talent selbst reparieren konnte. Heutige Fahrzeuge sind bis zum Rand voll mit elektronischen Bauteilen, die nur von Spezialisten mit Laptops gewartet werden können. Doch das Ende der Digitalisierung ist noch nicht erreicht: Die Hersteller suchen nach Wegen, noch mehr Chips ins Fahrzeug zu packen, um Fahrer und Beifahrer mit neuen Funktionen zu erfreuen. Dabei spielt auch das Internet eine nicht unwichtige Rolle.
Auf den ersten Blick sieht der Wagen aus wie eine ganz normale Luxuskarosse. Auffällig ist höchstens die Linse über dem rechten Rückscheinwerfer, die eine Kamera dahinter vermuten lässt. Dass es sich hier um einen Prototypen handelt, an dem die Forschungsabteilung von BMW seit Jahren tüftelt - das erkennt man erst, wenn Richard Bogenberger den Kofferraum lüftet:

"Das eine ist ein Entertainment-Server, der andere repräsentiert die Motorsteuerung, der dritte ist für die Rückfahrkamera zuständig."

Von der Rückfahrkamera, die beim Einparken hilft, bis zu Video-Bildschirmen für die Beifahrer: In diesem Testfahrzeug ist fast alles drin, was die digitale Technik derzeit so hergibt. Doch vor allem ging es den Forschern darum, wie sich diese digitalen Bauteile untereinander verständigen: Alle Chip-Einheiten sprechen hier nämlich dieselbe Sprache - und zwar eine, die in Autos bisher keine Rolle spielt. Sie verständigen sich über das Internet-Protokoll, kurz IP, das Computer in aller Welt zum internationalen Datennetz vereint.

IP im Auto - das ist neu. Und für Projektleiter Richard Bogenberger alles andere als Spielerei.

"Das ist ein lohnendes Forschungsprojekt, weil wir im Fahrzeug eine sehr hohe Komplexität vorfinden mit sehr vielen Computern, die miteinander kommunizieren, und dort erreichen wir heute eine Anzahl von 70 Steuergeräten, also diesen kleinen Computern, und die Komplexität wird sehr hoch. Deshalb überlegen wir uns, geeignete Kommunikationstechnologien zu finden, und da ist IP eine sehr robuste und geeignete Technologie."

Auch die Motorsteuerung und das Anti-Blockiersystem haben die Ingenieure per Internet-Protokoll mit der übrigen Fahrzeugelektronik verbunden. Natürlich so, dass es die Sicherheit nicht beeinträchtigt, sagt Richard Bogenberger. Dadurch ist es zum Beispiel möglich, auf einem Display die Arbeit der Bremskraftverstärker zu kontrollieren.

Von größerem Nutzen für den Autofahrer ist allerdings: Durch den Einsatz von IP-Technik lässt sich mit vergleichsweise geringem Aufwand das Internet ins Fahrzeug holen - zum Beispiel per UMTS. Wer etwa im BMW-Testfahrzeug Radio hören will, ist nicht auf UKW beschränkt, sondern kann am Bildschirm in der Mittelkonsole einen beliebigen Livestream aus dem Internet auswählen. Das kann ein deutscher Sender sein - muss aber nicht.

Doch noch ist nicht einmal klar, ob das Internet-Prokoll überhaupt jemals ins Auto einziehen wird. Die Hersteller haben nämlich längst andere Techniken entwickelt, um die zahlreichen elektronischen Komponenten in modernen Fahrzeugen miteinander kommunizieren zu lassen. Schon seit Jahren sind in zahlreichen Modellen zentrale Verbindungen, sogenannten Bussysteme zu finden, die - nach einem herstellerübergreifenden Standard - die Elektronik vereinfachen und neue Funktionen möglich machen. Arnulf Thiemel vom ADAC in Landsberg:

"Bussysteme eröffnen im Fahrzeug sehr viele Möglichkeiten. Das fängt im Sicherheitsbereich an: Dass Informationen über Radsensoren - ob es zum Beispiel auf der Straße glatt ist - überall im Fahrzeug zur Verfügung stehen, bis hin zu netten Komfortdetails, das beispielsweise, wenn ein Anruf im Telefon eingeht, dieses Gebläse automatisch auf eine geringere Stufe geht, somit leiser ist und der Anruf besser zu verstehen ist. Aber auch, dass beispielsweise beim Rückwärtsfahren die Umluftklappe automatisch geschlossen wird, damit das Fahrzeug nicht seine eigenen Abgase ansaugt."

Der bisher von vielen Autobauern verwendete CAN-Bus ist inzwischen in die Jahre gekommen; der neuere Standard "Flexray" erlaubt größeren Datenumsatz, dadurch werden Anwendungen wie Videofilme für die Beifahrer möglich.

Doch bei allen Annehmlichkeiten für den Kunden: Die Elektronik im Fahrzeug kann auch ganz schön teuer werden - nämlich im Reparaturfall. Freie Werkstätten stoßen dabei immer wieder an ihre Grenzen. Genormt ist nämlich nur der Zugriff auf die Daten für die Abgassonderuntersuchung. Alle anderen Informationen sind herstellerspezifisch, erklärt ADAC-Mann Arnulf Thiemel.

"Ich brauche also für jeden Hersteller quasi ein eigenes Diagnosegerät. Oder aber von einem freien Anbieter eben eines, dass dann möglichst vieles kann. Das ist aber oftmals recht aufwändig zu programmieren. Da würden wir uns wünschen, dass der Aufwand sinkt und die Hersteller auch mehr Informationen preisgeben."

Grundsätzlich gilt: Je mehr Bauteile im Fahrzeug stecken, desto mehr kann kaputt gehen. Überhaupt - rät Arnulf Thiemel - sollte sich jeder Autokäufer gut überlegen, welches der vielen Gimmicks, die die Fahrzeugindustrie inzwischen anbietet, tatsächlich sein muss.

"Nicht alles macht Sinn. Wer seinen i-Pod mag, der sollte sicher schauen, dass er eine Schnittstelle bekommt, die zu seinem Gerät passt - so was lässt sich übrigens inzwischen auch ganz ordentlich nachrüsten - und idealerweise sollte dann der i-Pod auch über die Fahrzeugbedienelemente zu steuern sein, dass man eben nicht während der Fahrt auf das kleine Display schauen muss und mit den kleinen Tasten eines i-Pod oder eines anderen MP3-Players hantieren muss. Das gibt es auch für zahlreiche andere Bereiche, dass sich eben DVD-Player über die Navigationseinheit steuern lassen. Hier sollte immer die Sicherheit im Vordergrund stehen und nicht der Spieltrieb."