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Scheinheiliger Springer-Brief

Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender Axel Spinger AG
Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender Axel Spinger AG, hat Angst vor Googles Übermacht. © dpa picture alliance/ Britta Pedersen
Von Michael Meyer |
Der Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner schrieb heute in der FAZ: "Wir haben Angst vor Google". Springer habe eher Angst, bedeutungslos zu werden, meint Michael Meyer. Das Medienhaus habe sich auch nicht um die Demokratie verdient gemacht.
Googles gigantischer unternehmerischer Erfolg beeindruckt Mathias Döpfner, der in seinem offenen Brief an Google-Chef Eric Schmidt skizziert, dass kein Mensch, der im Internet unterwegs ist, an dem Konzern vorbeikommt. Google weiß fast alles über fast alle Internetnutzer und habe damit einen Wissensvorrat angehäuft, der eines demokratischen Staates unwürdig ist. Da niemand den Konzern legitimiert habe, all dieses Wissen zu akquirieren, sei die Situation nur noch zu vergleichen mit autoritären Staaten wie Nordkorea oder China. "Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten", sagte Facebook-Chef Zuckerberg einmal. Kaum weniger zynisch klingt das Google-Motto: "Do no evil", niemals etwas Böses zu tun. Soweit, knapp zusammengefasst, Döpfners Kritik.
Der erste Eindruck, der den Leser beschleicht, ist zuzustimmen. In der Tat haben sich auf merkwürdig-heimliche Art die Verhältnisse verschoben: Galt vor Jahren noch die BILD-Zeitung mit zehn Prozent Anteil am Werbemarkt als übermächtig, regt sich keiner darüber auf, dass Google mit seinen ausgefeilten Algorithmen bis zu 60 Prozent aller Werbegelder im Internet abgreift. Eine geradezu erschütternde Umkehrung der Verhältnisse.
Bei Springer bewirbt man auch stets die eigenen Produkte ganz oben
Und doch: Man kommt nicht umhin, Zweifel an Döpfners Intentionen zu haben. Gleich am Anfang beschreibt der Springer-Vorstandsvorsitzende, wie sehr er den geschäftlichen Erfolg des Konzerns bewundere. Der kommt nicht von ungefähr: Wie man vor einigen Wochen im "Spiegel" lesen konnte, ist das Prinzip bei Google, nicht nur gut zu sein, sondern ein Produkt zu entwickeln, das die Welt verändert. Bei derartig prononciertem Größenwahn sieht selbst ein Springer-Verlag dagegen klein aus.
Sicher, es ist unfair und wenig hilfreich, wenn Google eigene Produkte und Dienstleistungen ganz oben in den Suchergebnissen listet, aber würde das der Springer-Verlag anders machen? Dort bewirbt man stets auch nur Produkte des eigenen Hauses, es sei denn, man wird für Anzeigen bezahlt. Der gesamte Brief sorgt sich vordergründig um die Demokratie - was wird aus uns, wenn Google alles weiß, und darüber hinaus auch noch mit der NSA zusammenarbeiten muss? Doch gerade der Springer-Verlag hat sich in der Vergangenheit nun auch nicht gerade um die Demokratie verdient gemacht und hat Politik und Politiker nach eigenem Gutdünken rauf und runter geschrieben, im Falle Christian Wulff etwa. Wenn es nach der BILD-Zeitung gegangen wäre, hieße der nächste Bundeskanzler Guttenberg.
Springer verteufelt sonst jede Art von Regulierung
Nein, Döpfners Brief ist kaum glaubwürdig - aus ihm spricht zu allererst die Sorge um den eigenen Bedeutungsverlust. Heute groß - morgen klein, das geht in Internetzeiten ganz schnell. Nicht umsonst schickt Springer seit Jahren seine Führungsfiguren zum digitalen Nachsitzen nach Kalifornien - und baut sich für etliche Millionen Euro ein neues Gebäude in Berlin, eine Art Start-Up-Inkubator, in dem neue Ideen fürs Netz ausgebrütet werden sollen. Darüber hinaus ist es nicht unproblematisch, wenn ausgerechnet der Springer-Verlag nach mehr Regulierung seitens der Politik ruft, wenn doch sonst jede Art Regulierung verteufelt wird.
Am Schluss noch ein Punkt, der ganz wichtig ist: Döpfner hat nicht unrecht, wenn er kritisiert, dass viele Fehlentwicklungen im Netz daher rühren, dass Nutzer nichts bezahlen wollen. Oder wie es der amerikanische Internetautor Jerome Lanier formulierte: Fangt an für Inhalte zu bezahlen, dann werden Konzerne wie Facebook oder Google auch nicht mehr Eure Daten sammeln. Mal davon ausgehend, dass das so stimmt: Es ist in jedem Fall Zeit für ein Umdenken beim Surfen durchs Netz.
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