Internetunternehmer: Facebook wird "in Zukunft viel Gewinn machen"

Thomas Heilmann im Gespräch mit André Hatting · 05.01.2011
Trotz des Verkaufs seiner Facebook-Anteile hält der Unternehmer und Berliner CDU-Vizevorsitzende Thomas Heilmann einen Börsencrash durch überbewertete Internetfirmen für unwahrscheinlich. Die Frage sei nur, ob Facebook so viel Gewinn mache, dass die Bewertung mit 50 Milliarden Dollar gerechtfertigt sei.
André Hatting: Es ist eine sensationelle Erfolgsgeschichte: Innerhalb von sechs Jahren ist Facebook zu einer der wichtigsten Internetseiten geworden. Das Netzwerk wird häufiger angeklickt als die Suchmaschine Google, und sein Wert schießt durch die Decke. Seitdem die US-Bank Goldman Sachs und eine russische Investmentfirma eingestiegen sind, ist der Wert des Netzwerks auf 50 Milliarden Dollar gestiegen. Das ist mehr als der Börsenwert des Chemiekonzerns Bayer und fast so viel wie der der Deutschen Telekom. Dabei muss Facebook nicht einmal Bilanzen veröffentlichen, weil es in Privatbesitz ist und nicht an der Börse notiert. Einige Gesellschafter macht das inzwischen stutzig, zum Beispiel Thomas Heilmann. Heilmann ist Mitbegründer der Werbeagentur Scholz & Friends, stellvertretender Landesvorsitzender der CDU Berlin und er war Facebook-Gesellschafter. Herr Heilmann, Sie haben Ihre Anteile an Facebook verkauft – warum?

Thomas Heilmann: Na ja, der Wert an der Börse bemisst sich ja nach der Nachfrage und dem Angebot, und die Nachfrage ist sehr groß, die Wachstumserwartungen sind riesig, und daraus bemisst sich der Wert. Ich verlass mich lieber auf ganz herkömmliche fundamentale Bewertungskriterien, das sind also die Multiplikatoren von Umsatz und Gewinn, und fast 50 Mal Umsatz finde ich zu viel. Und das war der Beweggrund für mich zu sagen halt, gehst jetzt mal lieber wieder raus.

Hatting: Sie haben gerade gesagt, der Wert an der Börse, aber Facebook ist ja gar nicht an der Börse notiert.

Heilmann: Na ja, aber Unternehmensbewertungen sind ja unabhängig von der Frage, ob sie an der Börse notiert sind oder nicht. Sie haben natürlich recht, Facebook ist nicht an der Börse, aber auch da ermitteln sich ja irgendwie Werte, und die bestimmen sich auch nach Angebot und Nachfrage.

Hatting: Wenn Sie mit dem Verkauf noch gewartet hätten, dann hätten Sie möglicherweise noch mehr gewonnen, und Facebook ist noch teurer geworden. Ist da ein Ende in Sicht?

Heilmann: Also Sie können – also ich jedenfalls kann nicht bestimmen, wann nun wirklich der optimale Zeitpunkt eines Ausstiegs ist, aber wenn Sie mich ehrlich fragen, fand ich den Einstieg, die Entscheidung, mutiger und schwieriger als den Ausstieg. Ich bin immerhin vor zweieinhalb Jahren eingestiegen, und damals war Facebook noch gar nicht in Europa und ungefähr so groß wie StudiVZ in Deutschland, und ich hatte schon erwartet, dass Facebook das Rennen gewinnen wird. Dass sie sich so entwickeln würden, hatte ich auch nicht erwartet und bin insofern positiv überrascht.

Hatting: Facebook stellt keine Waren her, Facebook besitzt keine Grundstücke, keine Patente, woher kommt diese Wertsteigerung, warum wird das Unternehmen so hoch eingeschätzt?

Heilmann: Nun gut, also das ist eine sehr traditionelle Sichtweise, dass ein Unternehmen immer harte Assets, also Vermögen haben muss, das man in sich selbst wieder verkaufen kann. Der Wert liegt in den Kundenbeziehungen und in der Frage, wie viel Gewinn man aus den Kundenbeziehungen ziehen kann, und Facebook hat natürlich ein tolles Geschäftsmodell und wird ganz sicher in Zukunft viel Gewinn machen. Die Frage ist ja nur, machen sie so viel Gewinn, dass das 50 Milliarden Dollar Bewertung rechtfertigt, das ist ja die Frage.

Hatting: Ja, und es ist vor allem auch die Frage nach einer neuen Internetblase, wenn das Unternehmen, wie Sie finden, völlig überbewertet ist, laufen wir dann nicht Gefahr, dass wir wie 2000 nachher eine Riesenblase haben, die einfach zerplatzt, weil die realen Werte das nicht abdecken?

Heilmann: Also eine Bewertungskorrektur von Facebook und vielleicht von noch zwei, drei, vier anderen Unternehmen, das sind ja ganz wenige im Moment, wird kein Blasenplatzen bedeuten, weil das viel zu klein ist und viel zu wenig. Wir hatten 2001 ja nicht nur einen Börsencrash bei den sogenannten Tech-Unternehmen, sondern wir hatten insgesamt einen Börseneinbruch, der DAX ist ja fast auf 2000 zurückgegangen, das war das Problem 2001, und diese Wiederholung sehe ich nicht.

Hatting: Sie haben gerade die Kundenkontakte angesprochen, Facebook hat über 500 Millionen Nutzer, trotzdem ist es für Nichteingeweihte immer mehr schwer nachzuvollziehen, dass die größte Bank der Wallstreet, nämlich Goldman Sachs, Millionen in Kundendaten sozusagen hineinpumpt. Woher kommt das Vertrauen?

Heilmann: Goldman Sachs hat ein ganz spezielles Interesse, Goldman Sachs wird damit auch ziemlich sicher Geld verdienen, weil die nicht nur mit der Wertsteigerung – oder hoffentlichen Wertsteigerung aus deren Sicht – Geld verdienen, sondern auch damit, dass sie das an andere weitervermittelt und wahrscheinlich hinterher den Börsengang macht. Dabei werden sie Millionen an Gebühren verdienen und insofern verdienen die doppelt und dreifach, ich glaube, das kann man nicht ganz werten. Interessanter ist schon, dass es so viele Leute gibt, die ohne Goldman Sachs sein zu wollen über Goldman Sachs etwas darin investieren wollen und dabei natürlich auch noch mehr zahlen, denn die bezahlen ja auch noch für Goldman Sachs’ Dienstleistung Geld.

Hatting: Wie wichtig ist es eigentlich, dass Facebook etwas anders macht als viele Unternehmen 2000 bei der ersten New-Economy-Blase, nämlich dass sie versucht eine Verbindung herzustellen aus der virtuellen Welt, der Welt des Internets, und der realen, wahren Welt? Also es gibt ja zum Beispiel Rabattangebote für Facebook-Nutzer, wenn ich irgendwo in eine Shoppingmeile gehe. Ist das ein Zukunftsmodell, was auch Goldman Sachs und andere Investoren überzeugt?

Heilmann: Halte ich für einen völligen Nebenaspekt. Die Kernwertschöpfung von Facebook ist die Verbindung zwischen Personen, und das ist wie beim Spielfilm – die Werbung daneben wird akzeptiert, aber sie stört die Leute natürlich auch ein bisschen, aber sie akzeptieren es dafür, dass sie Facebook umsonst benutzen können, so wie ich den Spielfilm im Privatfernsehen sehen kann und dann eben hinnehme, dass da zwischendurch Werbung läuft. Die Frage ist, wird diese Werbung – und da bin ich etwas skeptisch – so effizient sein, wie sie etwa auf Google ist, weil bei Google suche ich ja etwas ganz konkret. Bei Google suche ich das neue Auto, die neue Reise, und dann bin ich für Angebote von Reisen und so viel empfänglicher, als wenn ich eigentlich mit meinem Freund kommunizieren will über die vergangene Silvesterparty und dann eben nebenbei irgendeine Werbung sehe.

Hatting: Sie sind jetzt ausgestiegen bei Facebook, weil Sie den Wert für zu stark halten, steigen Sie wieder ein, wenn der Wert sinkt?

Heilmann: Darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken gemacht. Man soll ja nie nie sagen, aber planen tue ich das jedenfalls im Moment nicht.

Hatting: Das war ein Gespräch mit Thomas Heilmann, er ist stellvertretender Landesvorsitzender der CDU Berlin und Mitbegründer der Werbeagentur Scholz & Friends und er war bis vor Kurzem Facebook-Gesellschafter. Herr Heilmann, danke für das Gespräch!

Heilmann: Danke Ihnen!