Zensur im Ukraine-Krieg

Droht das Ende eines gemeinsamen Internets?

15:23 Minuten
Ein Serverraum in einem Datenverarbeitungszentrum der russischen Social Media Holding VK in Moskau. VK betreibt verschiedene russische Social-Networking-Seiten.
Eigene Server, eigenes Netz: Lässt sich das Internet einfach so kappen? © picture alliance / dpa / TASS / Gavriil Grigorov
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Das russische Internet soll vom Rest der Welt getrennt werden, hat die Ukraine gefordert. Ob das sinnvoll und überhaupt möglich ist, erklärt der Internet-Governance-Experte Wolfgang Kleinwächter.
Der Ukraine-Krieg wird auch im Internet erbittert ausgetragen. So hat das ukrainische Digitalministerium die ICANN dazu aufgefordert, russische Top-Level-Domains (TLDs) zu blockieren.
Als globale, nicht-staatliche Organisation verwaltet die ICANN das Domain-System, auf dem das World Wide Web basiert. Bei TLDs handelt es sich um allgemeine Kennungen wie .net oder .com, sowie die jeweiligen Landeskennungen wie beispielsweise .ru oder .de.
Die ukrainische Forderung läuft also darauf hinaus, das russische Internet möglichst vollständig vom Rest der Welt zu isolieren. Die ICANN hat das Anliegen allerdings bereits abgelehnt.

Abschalten nicht möglich

Ohnehin sei dies "ein unsinniger Vorschlag", meint der Kommunikationswissenschaftler und Internet-Governance-Experte Wolfgang Kleinwächter. „Eigentlich wäre es technisch nicht möglich, es funktioniert nicht", allein schon, weil russische Bürgerinnen und Bürger auch allgemeine Kennungen wie .net oder .com verwenden.
Außerdem sei die ICANN "nicht die Weltregierung des Internets". Sie koordiniere lediglich die Abläufe. Die Verantwortlichkeiten seien dezentral verteilt.

Da Ende von „One World, one Internet“

Selbst wenn eine solche Blockade machbar wäre, bezweifelt Kleinwächter, dass die Blockade als Sanktionsmittel Erfolg hätte. Vielmehr würde sie dazu führen, dass das jetzige System kollabiere und Russland dies durch ein eigenes staatliches ersetze, so Kleinwächter. „Und das ist noch unsinniger.“
Porträt des Kommunikationswissenschaftlers und Internet-Governance-Experten Wolfgang Kleinwächter
Bisher nutzen autokratische Staaten vor allem Blockingsysteme zur Internetzensur, sagt Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Kleinwächter.© picture alliance / dpa / Horst Galuschka
Russland hingegen könnte durchaus Interesse daran haben, ein eigenständiges Netz zu entwickeln, das vom globalen Netz weitgehend abgekoppelt ist.
„Das ist eine Gefahr, die im Hintergrund lauert: dass die Vorstellung 'One World, one Internet' momentan auseinanderbricht. Betrachtet man dies mit Abstand, ist es durchaus vorstellbar, dass eine Reihe autokratischer Staaten sagen: 'Wir schaffen unser eigenes Internet und unsere eigenen Protokolle.'

Die digitale Mauer

Schon jetzt könne man beobachten, wie in Russland soziale Netzwerke oder Spaßseiten wie TikTok „strengstens reguliert“ werden. Dafür kommen Blocking- und Filtersysteme zum Einsatz.
„Jede Mail, jeder Aufruf einer Website läuft durch einen Filter. Dieser Filter greift dann zu, je nachdem, wie er programmiert ist. Das geht meist über Schlüsselworte oder über bestimmte Bilderkennungssysteme.“
Vor allem China trete hier konsequent auf. Das Land habe bereits eine „große digitale Mauer“ um sich herum gebaut.
(lkn)

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