Interreligiöses Bet- und Lehrhaus

Provisorische Begegnungsstätte für das House of One

Architekturentwurf des House of One, das am Berliner Petriplatz entstehen soll: In dem Gebäude sollen eine Synagoge, eine Moschee und eine Kirche verbunden werden.
Architekturentwurf des House of One, das am Berliner Petriplatz entstehen soll: In dem Gebäude sollen eine Synagoge, eine Moschee und eine Kirche verbunden werden. © Kuehn Malvezzi
Gregor Hohberg im Gespräch mit Anne Françoise Weber |
Am Berliner Petriplatz, wo künftig eine Synagoge, Moschee und Kirche in einem Bau verbunden werden sollen, wird nun ein Pavillon als provisorische Begegnungsstätte eröffnet. Pfarrer Gregor Hohberg erklärt, wie dort Vielfalt und Begegnung möglich sein sollen.
Anne Françoise Weber: "Wir beten doch alle zum gleichen Gott", diesen Ausspruch kann man von im Dialog engagierten Christen, Muslimen und Juden durchaus hören. Interreligiöse Begegnungen gibt es viele, aber es gibt doch wenige Orte, an denen die drei abrahamitischen Religionen gleichberechtigt nebeneinander und miteinander dauerhaft im Gespräch stehen. So ein Ort ist seit Längerem in Berlin geplant: Das House of One soll eine Kirche, eine Moschee und eine Synagoge nicht wirklich vereinen, aber doch verbinden und in der Mitte einen weiteren, gemeinsamen Raum bieten – ein Bet- und Lehrhaus soll es sein.
Auch das Grundstück steht seit einiger Zeit fest, es ist der frühere Standort der Sankt-Petri-Kirche auf der Berliner Fischerinsel, die 1964 abgerissen wurde. Am kommenden Montag nun soll dort nun ein temporärer Pavillon aufgestellt werden, der über das House of One informiert.
Ich habe vor der Sendung mit einem der Initiatoren des Projekts gesprochen: Gregor Hohberg ist Pfarrer der evangelischen Sankt-Petri-Sankt-Marien-Gemeinde und ich habe ihn zunächst nach dem Namen des Projekts gefragt: House of One – heißt das eigentlich, wir Juden, Muslime, Christen glauben an den gleichen, einen Gott, oder heißt es, wir alle glauben, dass es nur einen Gott gibt?
Gregor Hohberg: Mit dieser Frage geht es ja gleich ans Eingemachte. Also das ist ja eine hoch theologische Frage, über die wir auch schon viel diskutiert haben. Und wir sind da sehr vorsichtig, weil wir sagen, es ist ja offensichtlich, dass wir unterschiedliche Gottesbilder in unseren Traditionen pflegen und tradieren. Und wir wissen die Antwort nicht, ob das Bild, das die Christen tradieren, oder das Bild, das die Muslime oder Juden tradieren, das Bild Gottes ist, wie wir ihn dann vielleicht am Ende der Tage vor uns sehen werden.
Insofern sagen wir: Ja, wir merken, wir sehen, wir glauben alle an einen Gott; ob das jetzt der Gleiche ist und wie sich diese Unterschiede erklären lassen, die wir ja nicht zusammenkriegen… Wenn wir sagen, Gott ist auch in Jesus Christus, seinem Sohn Mensch geworden, dann ist das natürlich ein Bild Gottes, wo die Muslime überhaupt nicht mitgehen können und die Juden auch nicht.
Insofern sind wir da vorsichtig und der Titel One House oder House of One leitet sich von einer anderen Seite her: von der Erde her. Das war so, dass Martin Luther King auf seiner Reise zum Nobelpreis nach Stockholm hier in Berlin Station gemacht hat 1964 und hier eine Rede gehalten hat, im Osten und im Westen. Und er hat damals schon davon gesprochen, dass es wichtig wird, in Zukunft immer mehr, dass die Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion zusammenkommen und ins Gespräch kommen, weil wir sind eine Menschheitsfamilie und wir haben nur dieses eine Welthaus, unsere Erde. Und das ist unser Bezugspunkt, House of One, das Eine-Welt-Haus, für das wir gemeinsam Verantwortung tragen.

Kraft sammeln für die Begegnung mit dem Anderen

Weber: Und was soll dann in diesem House of One stattfinden? Kein gemeinsames Gebet, höre ich bei Ihnen jetzt auch so ein bisschen durch. Es soll aber ein Lehrhaus sein. Wer wird denn da wen lehren, und in wessen Namen?
Hohberg: Die Grundidee ist, dass jeder in seiner Glaubenstradition zu Hause ist, dass er die auch in dem House of One pflegen kann. Darum gibt es ja auch die getrennten Sakralräume, Kirche, Synagoge und Moschee. Dort sammeln wir die Kraft und die Motivation für die Begegnungen mit dem, der anders glaubt.
Also wir pflegen unsere Glaubenstradition, aber wir haben in der Mitte zwischen diesen drei Sakralräumen einen gemeinsamen Raum und wir sind unter einem Dach. Und in diesem gemeinsamen Raum, da gehen wir aufeinander zu, lernen voneinander, kommen miteinander ins Gespräch, und dabei bleibt es natürlich nicht stehen, dass wir nur untereinander reden.
Das wäre ja dann vielleicht auch noch ein bisschen zu wenig, sondern wir reden dann zu dritt auch natürlich mit Menschen, die ganz anders glauben, die aus anderen religiösen Zusammenhängen kommen oder die Agnostiker oder Atheisten sind. Es soll halt ein Haus sein, wo der Dialog über die eigenen Grenzen hinweg gepflegt wird, das ist der Ansatz.
Weber: Sie haben schon davon gesprochen, dann holt man sich Kraft sozusagen in seinem jeweiligen Sakralbau. Das klingt so, als ob das Ganze auch bisweilen eine anstrengende Aushandlungsaufgabe wäre. Ist das so?
Hohberg: Es gibt sehr interessante und spannende Diskussionen unter uns und die wird es auch weiterhin geben, indem wir das öffentlich zelebrieren und öffentlich machen, unsere Diskussionen, und andere dazu einladen. Und natürlich kann das auch anstrengend sein.
Auf der anderen Seite machen wir auch wahnsinnig viele fruchtbare Erfahrungen, auch ich persönlich: Durch diesen konstanten, stetigen Umgang mit dem Imam und dem Rabbiner lerne ich natürlich wahnsinnig viel, und es gibt auch ganz viel Kraft, auch dieser Dialog.

Drei Partner mit unterschiedlichen Strukturen

Weber: Sie stellen mit Ihrer evangelischen Kirchengemeinde Sankt Petri / Sankt Marien ja einen gewichtigen Partner, weil hinter Ihnen natürlich die Evangelische Kirche von Berlin-Brandenburg / Schlesische Oberlausitz steht und die ganze EKD. Weitere Träger sind die Jüdische Gemeinde zu Berlin, das Abraham Geiger Kolleg, und der muslimische Verein Forum Dialog - das sind nun weitaus kleinere Strukturen. Ist das auch schwierig, in diesem Gleichgewicht zwischen den dreien?
Hohberg: Im Ansatz erst mal nicht, denn wir sind ja auch eine kleine Struktur. Die Gemeinde, die die Initiative ergriffen hat, in der ich Pfarrer bin, Sankt Peter / Sankt Marien ist ja einfach auch eine kleine, normale evangelische Gemeinde.
Die Partner im Hintergrund, die höheren Repräsentationsebenen, da unterscheidet sich das dann. Aber es kann auch gar nicht anders sein. Wenn so unterschiedliche Partner so einen Schritt wagen, gemeinsam ein Haus zu errichten, dann kann man nicht erst die strukturelle Gleichheit der Partner herstellen, weil wir ja wissen, wie unterschiedlich Muslime und Christen und Juden in Deutschland organisiert sind.
Also wir versuchen, das Beste daraus zu machen, indem wir sagen: Der Ansatz bleibt bestehen, drei Gemeinden – also von der Basis her – kommen zusammen und bekommen je nach Möglichkeit der höheren Repräsentationsebene, wie die halt strukturiert sind, Unterstützung.
Weber: Gleiche Strukturen, das ist tatsächlich wahrscheinlich illusorisch. Aber geht es nicht um eine gewisse Konsensfähigkeit? Und wenn man sich dann eben den muslimischen Partner anschaut: Der Imam Kadir Sanci gehört zum Forum Dialog der Hizmet-Bewegung um Fethulla Gülen. Das ist ja nicht erst seit dem Putsch in der Türkei, der der Gülen-Bewegung in die Schuhe geschoben wird, ein Partner, der unter Muslimen sehr umstritten ist. Haben Sie da nicht das Problem, dass viele sagen: Ja, was dieser Imam und diese Bewegung da im Namen des Islam machen, das hat aber mit meinem Islam nichts zu tun?
Hohberg: Wir haben am Anfang des Projekts – wir sind losgelaufen im Jahr 2010 – mit ganz, ganz vielen muslimischen Gemeinden, Institutionen, Foren gesprochen, hier vor Ort in Berlin, um den richtigen Partner zu finden.
Wir wussten, es muss jemand sein, der offen ist für den religiösen Dialog, für den interreligiösen Dialog, nicht nur mit Christen, sondern eben auch mit Juden, und das in der Öffentlichkeit, der offen ist für jede Art von kritischer Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit, und der auch bereit ist natürlich, gewisse Prüfverfahren mitzumachen. Weil ja klar ist, wenn man so in die Mitte der Stadt geht – wir sind ja im Herzen Berlins –, wenn man so in die Öffentlichkeit geht, dass man sich da auch aufeinander verlassen können muss und dass es da einfach auch eine gewisse Sicherheit geben muss.
Und nach ganz vielen Gesprächen haben wir den Partner gefunden, das Forum Dialog. Und jetzt nach sieben Jahren Zusammenarbeit können wir sagen, dass sie alle Versprechen, die sie damals gemacht haben, auch eingelöst haben. Und dabei sind ganz wichtige Punkte. Ein zentraler Punkt ist, dass diese Gruppierung sagt, wir haben keinen Alleinvertretungsanspruch für den Islam, sondern wir wissen, dass wir nur eine Facette des Islams darstellen können, also exemplarisch für den Islam stehen, und zugleich laden wir alle anderen … also das sind jetzt Sunniten von Hause aus, aber wir laden eben auch Schiiten und Aleviten ein, beim House of One mitzuwirken. Und dieses Versprechen haben sie einfach in wunderbarer Weise eingelöst.
Insofern sind wir mit unserem Partner ganz froh und glücklich. Natürlich, Sie haben recht. Es gibt auch gerade in Berlin vor Ort durch die politische Situation in der Türkei innerhalb der türkischen Community Spannungen, das ist so. Aber wir können uns unseren Partner nicht backen und mit anderen islamischen Gemeinden gäbe es andere Herausforderungen.
Wir gehen ja auch in muslimische Gemeinden oder muslimische Kreise und stellen da unser Projekt vor. Und es gibt da auch viel Zuspruch. Dieser Zuspruch kommt eben aus ganz verschiedenen Ecken und insbesondere merken wir es auch durch die vielen internationalen Interessenten und Kontakte, die es inzwischen gibt, wo wir sehen … Wir haben Projektbotschafter fürs House of One, die sind von Haus aus Schiiten. Also der oberste Schiitenführer der Kaukasusregion ist House-of-One-Botschafter, oder der Oberimam in der Zentralafrikanischen Republik ist House-of-One-Botschafter, also ganz verschiedene Leute, wo wir glauben: Wenn man das sieht und auch von außen betrachtet, dann kann man erkennen, dass viele Menschen aus den jeweiligen Religionen sich darauf einlassen können, ganz unterschiedlicher Spielart.

Spenden aus aller Welt erhofft – aber sorgfältig geprüft

Weber: Sie haben schon die Botschafter erwähnt. Sie hoffen ja auch auf Spenden aus aller Welt, haben auch schon welche bekommen. Nehmen Sie denn Spenden von überall? Also ich denke an das König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog in Wien, das wird aus Saudi-Arabien finanziert, macht tolle Dialogaktivitäten – gleichzeitig ist Saudi-Arabien jetzt nicht so das Land, was für die größte Toleranz in diesem Gebiet steht. Würden Sie auch eine große Spende aus dem saudischen Königshaus akzeptieren?
Hohberg: Also wir gucken uns schon sehr genau an, wo große Spenden herkommen, und diskutieren das im Stiftungsrat, der ja auch religionsparitätisch besetzt ist. Ja, und da müssen wir schon sehr genau gucken.
Wir sind bisher nicht in der Situation gewesen, dass es vom Abdullah-Zentrum oder aus Saudi-Arabien Spendenvorschläge gab. Ich glaube, wir werden auf jeden Fall, wenn dieser Fall eintritt, das sehr, sehr kritisch prüfen, wie wir das auch bisher mit Spenden machen.
Weber: Jetzt am Montag wird der temporäre Pavillon auf dem Grundstück eröffnet. Was wird da genau stehen und was soll da passieren?
Hohberg: Also wir haben jetzt zum ersten Mal die Situation, dass wir ab Montag vor Ort am Petriplatz, wo ja das spätere Gebäude dann gebaut wird, präsent sein können mit einem Informations- und Veranstaltungsraum. Und das Schöne ist, es ist nicht einfach nur ein Raum, in dem wir präsent sein können und die vielen Anfragen und Gruppen, die zu uns kommen wollen, empfangen können und unser Projekt erklären und diskutieren, sondern es ist auch von außen ein sehr interessantes Gebäude, ein Pavillon, der den oberen Teil des späteren Turms, der das House of One nachbildet, also fast als Eins-zu-eins-Modell.
Insofern sieht es auch schön aus und es wird ein toller Raum sein, wo wir dann auch inhaltliche Veranstaltungen anbieten, wo Schulklassen, Workshops und so weiter stattfinden können. Ja, das wird ab Montag eröffnet und dann soll es laufen, bis zur Grundsteinlegung soll es da unsere Präsenz vor Ort sein.

Keine neue Dauerbaustelle in Berlin

Weber: Sie rechnen mit Baukosten in Höhe von 43 Millionen Euro. Es gab Spenden, Privatspenden, es gibt auch Zusagen vom Land Berlin und vom Bund. Da kommt man, wenn man die Zahlen zusammenrechnet, so grob auf fünf Millionen Euro – dann fehlen immer noch rund 38 Millionen Euro. Wie wollen Sie die eintreiben und haben Sie nicht Angst vor einer weiteren Berliner Dauerbaustelle, die lange, lange nicht fertig wird und viel, viel mehr kostet als geplant?
Hohberg: Nein. Wir haben keine Angst, wir sind sehr zuversichtlich. Wenn man bedenkt, dass wir ja als drei kleine Gemeinden vor ein paar Jahren losgelaufen sind und jetzt schon 5,5 Millionen auf dem Konto sind, dann finde ich, das ist schon ein ganz schöner Weg für ein Projekt, was es ja so auf der Welt noch gar nicht gibt und wofür auch spricht, dass wir ja aus über 60 Ländern Einzelspenden haben. Also das finde ich schon ganz erstaunlich.
Insofern sind wir voller Zuversicht. Wir sind gerade in Verhandlungen mit weiteren Großspendern, mit Mäzenen, und glauben, dass wir schon bald wieder die Summe deutlich erhöhen können. Und wir haben außerdem ja noch das ganze Bauprojekt in drei Bauphasen eingeteilt und haben uns selbst die Zielmarke gesetzt: Wenn wir zwölf Millionen zusammenhaben, dann fangen wir an zu bauen, denn dann können wir so weit bauen, dass, selbst wenn da nichts mehr käme – was wir nicht glauben –, das Gebäude so weit steht, dass wir es nutzen können.
Weber: Vielen Dank, Gregor Hohberg, Pfarrer der evangelischen Sankt-Petri-Sankt-Marien-Gemeinde und Mitinitiator des House of One. Am Montag wird auf dem Berliner Petriplatz der vorläufige Pavillon eröffnet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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