Anhaltende Proteste im Iran
Immer wieder flammen in Teheran wegen des Todes der 22-jährigen Mahsa Amini nach einer Verhaftung durch die Sittenpolizei Proteste auf. © picture alliance / AA / Stringer
"Das Kopftuch ist zum Symbol für Unterdrückung geworden"
07:06 Minuten
Der Tod einer 22-Jährigen nach der Verhaftung durch Sittenwächter sorgt im Iran für anhaltende Proteste. Nach Einschätzung der deutsch-iranischen Journalistin Natalie Amiri ist der Veränderungswille dort vor allem wegen der großen Armut sehr groß.
Der ungeklärte Tod einer jungen Frau nach einer Festnahme durch die Sittenpolizei in Teheran sorgt für Unruhen im Land: Zehntausende Iranerinnen und Iraner protestieren.
Die 22-jährige Mahsa Amini war am vergangenen Freitag in einem Krankenhaus in Teheran gestorben. Sie war zuvor wegen des Vorwurfs, gegen die strengen Hidschab-Vorschriften verstoßen zu haben, von der Sittenpolizei festgenommen worden. In sozialen Medien wird spekuliert, etwa unter Angabe der Familie als Quelle, Mahsa Amini sei geschlagen worden.
Nach Einschätzung der deutsch-iranischen Journalistin Natalie Amiri sei genau das, was von Angehörigen berichtet wird, sehr wahrscheinlich und vorstellbar: „Dass ihr Kopf so hart gegen die Fensterscheibe des Autos geschlagen worden sei, dass sie dann innere Blutungen erlitt und letzten Endes ihnen erlegen ist.“
Es gebe unzählige Videos und Berichte, dass die Sittenpolizei seit Jahrzehnten Frauen drangsaliert, beschimpft und sie in Verhörstationen einschüchtert.
Proteste einer neuen Dimension
Dass bei den Protesten gegen die Brutalität und das Vorgehen der Sittenpolizei von vielen Aktivistinnen das Kopftuch nun nicht getragen werde, verleihe diesen eine ganz neue Dimension: „Denn das Kopftuch ist zum Symbol für die islamische Republik geworden, zum Symbol für Unterdrückung.“
Dies sei ein Signal an das System: „Wir machen nicht mehr mit bei eurer Unterdrückung. Noch nie war das Kopftuch per se das Thema von Protesten und der Beweggrund, aber jetzt ist es der Tod von Mahsa Amini geworden.“
Die Journalistin gibt zu bedenken: „Das könnte zu einem Flächenbrand werden. Mahsa Amini war Kurdin und jetzt könnten die Kurden, die schon immer unterdrückt worden sind, aufbegehren und zu Protesten aufrufen.“ Nun müsse man mit Sorge auf die kurdischen Gebiete im Iran blicken: „Da leben Menschen, die sich wirklich nichts vom Staat und nichts von den Schlägertrupps sagen lassen. Die sind auch bewaffnet.“ Es könne ganz neue Ausmaße bekommen, wenn sich nun die Kurden mit den „Millionen von Regimegegnern“ zusammentun.
Großer Protestwille wegen der steigenden Armut
Für die Machtelite gibt es nach Einschätzung von Natalie Amiri außerhalb des Iran keinen Platz, sodass es für sie in diesem aufziehenden Machtkampf nun ums Überleben im Land gehe.
Angesichts der Armut breiter Bevölkerungsschichten gingen die Menschen nun nicht mehr für Freiheiten auf die Straße, sondern ganz einfach, „weil sie Hunger haben“. Bereits vor den Unruhen nach dem Tod von Mahsa Amini gab es eine sehr hohe Zahl von Protesten im Land, betont die Journalistin.