Intuitive Kommunikation
Wir kennen das aus dem Alltag: Jemand steht vor uns und wir wissen, was in ihm vorgeht. Ob es ihm gut geht oder nicht. Ob er uns gut gesonnen ist oder nicht. Und wie er sich voraussichtlich uns gegenüber verhalten wird. Der siebte Sinn, die Intuition. Wir bekommen eine Ahnung und glauben etwas vom anderen Menschen zu erfassen.
In den letzten Jahren haben Hirnforscher den Beweis dafür gefunden, dass es sich dabei nicht um Einbildung handelt. An verschiedenen Orten des Gehirns gibt es so genannte Spiegelneurone, das sind Nervenzellen, die sowohl dann in Schwingungen versetzt werden, wenn wir eigenes Handeln planen, als auch dann, wenn wir das Handeln anderer Menschen beobachten. Von diesen Spiegelneuronen handelt das Buch von Joachim Bauer "Warum ich fühle, was du fühlst":
"Die Spiegelnervenzellen im motorischen System sind sozusagen das Scharnier zwischen eigenem Verhalten und der Beobachtung des gleichen Verhaltens bei anderen. Und indem wir diese Nervenzellen in uns zum Schwingen bringen, indem wir bestimmte Aktionen anderer Menschen beobachten, spüren wir in uns selber intuitiv, was das Ziel und der Zweck der Handlungen sind, die wir bei anderen gerade beobachten.
Später kam hinzu, dass man dann entdeckt hat, dass das Spiegelsystem sich nicht nur in den handlungssteuernden Nervenzellen befindet, sondern auch in denjenigen Nervenzellnetzwerken, die körpereigene Gefühle, Empfindungen, Schmerzen und andere Emotionen steuern."
Das heißt: Nervenzellen schwingen mit, wenn wir Freude oder Trauer bei einem anderen Menschen erleben. Ohne dass wir nachdenken, produziert das Gehirn ein Mitfühlen.
Es ist der Glücksfall eines wissenschaftlichen Sachbuches, wenn es einen hochkarätigen Forscher gibt, der neue Forschungsergebnisse in einer für jeden Leser verständlichen und flüssigen Sprache darstellen kann. Das ist bei diesem Buch von Joachim Bauer der Fall. Wir erfahren zum Beispiel von bahnbrechenden Experimenten an Affen. Italienische Forscher machten Nervenzellen aus, die immer dann feuerten, wenn ein Affe nach einer Erdnuss griff. Die Zellen feuerten nur bei dieser, nicht bei anderen Greifbewegungen. Aber sie feuerten auch dann, wenn der Affe beobachtete, wie ein anderer Affe nach der Nuss griff. Die Nervenzellen spiegelten also die Handlungen des anderen.
Bauer spricht von den Spiegelneuronen als einem System der Resonanz. Dieses System wird nur dann tätig, wenn das, was wir mitbekommen, durch Lebewesen verursacht wird. Und weil das so ist, spielt Bauer in mehreren Kapiteln des Buches durch, was dies für unsere Erziehung und unsere Gesellschaft bedeutet. Zum Beispiel: Kinder brauchen menschliche Vorbilder und Schüler brauchen zum Lernen lebendige Lehrer und nicht nur Bildschirme und Bücher.
Eine weitere kulturkritische Schlussfolgerung Bauers: Kinder und Jugendliche, die brutale Filme anschauen oder im Spiel am Bildschirm Menschen töten, schreiben in den Netzwerken ihrer Nervenzellen die Handlungsmodelle ein, die sie sehen. Denn Spiegelneurone erzeugen Handlungsbereitschaften auf dem Weg der Beobachtung.
Man hat beim Lesen manchmal den Eindruck, als wäre der Autor froh, nun endlich mit guten naturwissenschaftlichen Gründen das unterstreichen zu können, was er ohnehin über Erziehung, Schule, Fernsehen und über sein medizinisches Praxisgebiet, die Psychiatrie und Psychotherapie denkt. Und vielleicht geht es auch nicht anders in unserer naturwissenschaftsgläubigen Zeit, dass erst durch den Blick ins Gehirn als wissenschaftlich erwiesen gilt, was man im Grunde schon weiß:
"Was jetzt in den letzten zehn Jahren aus dem Gebiet der Spiegelneuronenforschung zu Tage gefördert wurde, ... ist eine eindrucksvolle Bestätigung von großen Wissensbeständen, die wir im Bereich der Tiefenpsychologie und der Psychoanalyse bereits seit 100 Jahren haben. Nur wussten wir bislang nicht, wie diese Effekte eigentlich neurobiologisch funktionieren."
Nun dürfen Psychotherapeuten beruhigt sein: Wenn sie bisher glaubten, dass das Wichtigste an ihrer Arbeit ist, sich in einen Menschen einzufühlen und das, was sie dabei mitbekommen, dem anderen zur Verfügung zu stellen, dann liegen sie nach diesen Ergebnissen der neurobiologischen Forschung damit richtig. Die neue Forschung bestätigt nämlich eine alte Erkenntnis: Der Mensch begegnet sich selbst im Antlitz des Anderen.
Joachim Bauer: Warum ich fühle, was du fühlst. Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone.
Hoffmann und Campe, Hamburg 2005 (19,95 EUR)
"Die Spiegelnervenzellen im motorischen System sind sozusagen das Scharnier zwischen eigenem Verhalten und der Beobachtung des gleichen Verhaltens bei anderen. Und indem wir diese Nervenzellen in uns zum Schwingen bringen, indem wir bestimmte Aktionen anderer Menschen beobachten, spüren wir in uns selber intuitiv, was das Ziel und der Zweck der Handlungen sind, die wir bei anderen gerade beobachten.
Später kam hinzu, dass man dann entdeckt hat, dass das Spiegelsystem sich nicht nur in den handlungssteuernden Nervenzellen befindet, sondern auch in denjenigen Nervenzellnetzwerken, die körpereigene Gefühle, Empfindungen, Schmerzen und andere Emotionen steuern."
Das heißt: Nervenzellen schwingen mit, wenn wir Freude oder Trauer bei einem anderen Menschen erleben. Ohne dass wir nachdenken, produziert das Gehirn ein Mitfühlen.
Es ist der Glücksfall eines wissenschaftlichen Sachbuches, wenn es einen hochkarätigen Forscher gibt, der neue Forschungsergebnisse in einer für jeden Leser verständlichen und flüssigen Sprache darstellen kann. Das ist bei diesem Buch von Joachim Bauer der Fall. Wir erfahren zum Beispiel von bahnbrechenden Experimenten an Affen. Italienische Forscher machten Nervenzellen aus, die immer dann feuerten, wenn ein Affe nach einer Erdnuss griff. Die Zellen feuerten nur bei dieser, nicht bei anderen Greifbewegungen. Aber sie feuerten auch dann, wenn der Affe beobachtete, wie ein anderer Affe nach der Nuss griff. Die Nervenzellen spiegelten also die Handlungen des anderen.
Bauer spricht von den Spiegelneuronen als einem System der Resonanz. Dieses System wird nur dann tätig, wenn das, was wir mitbekommen, durch Lebewesen verursacht wird. Und weil das so ist, spielt Bauer in mehreren Kapiteln des Buches durch, was dies für unsere Erziehung und unsere Gesellschaft bedeutet. Zum Beispiel: Kinder brauchen menschliche Vorbilder und Schüler brauchen zum Lernen lebendige Lehrer und nicht nur Bildschirme und Bücher.
Eine weitere kulturkritische Schlussfolgerung Bauers: Kinder und Jugendliche, die brutale Filme anschauen oder im Spiel am Bildschirm Menschen töten, schreiben in den Netzwerken ihrer Nervenzellen die Handlungsmodelle ein, die sie sehen. Denn Spiegelneurone erzeugen Handlungsbereitschaften auf dem Weg der Beobachtung.
Man hat beim Lesen manchmal den Eindruck, als wäre der Autor froh, nun endlich mit guten naturwissenschaftlichen Gründen das unterstreichen zu können, was er ohnehin über Erziehung, Schule, Fernsehen und über sein medizinisches Praxisgebiet, die Psychiatrie und Psychotherapie denkt. Und vielleicht geht es auch nicht anders in unserer naturwissenschaftsgläubigen Zeit, dass erst durch den Blick ins Gehirn als wissenschaftlich erwiesen gilt, was man im Grunde schon weiß:
"Was jetzt in den letzten zehn Jahren aus dem Gebiet der Spiegelneuronenforschung zu Tage gefördert wurde, ... ist eine eindrucksvolle Bestätigung von großen Wissensbeständen, die wir im Bereich der Tiefenpsychologie und der Psychoanalyse bereits seit 100 Jahren haben. Nur wussten wir bislang nicht, wie diese Effekte eigentlich neurobiologisch funktionieren."
Nun dürfen Psychotherapeuten beruhigt sein: Wenn sie bisher glaubten, dass das Wichtigste an ihrer Arbeit ist, sich in einen Menschen einzufühlen und das, was sie dabei mitbekommen, dem anderen zur Verfügung zu stellen, dann liegen sie nach diesen Ergebnissen der neurobiologischen Forschung damit richtig. Die neue Forschung bestätigt nämlich eine alte Erkenntnis: Der Mensch begegnet sich selbst im Antlitz des Anderen.
Joachim Bauer: Warum ich fühle, was du fühlst. Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone.
Hoffmann und Campe, Hamburg 2005 (19,95 EUR)