iPhone: Gute Form - bad design?
Als Walter Gropius Direktor am Bauhaus war, wurden in Dessau formschöne Möbel entworfen. Der nüchterne Funktionalismus der zwanziger Jahre verströmte die "Wohnlichkeit" eines Eisschranks. Und die geradlinige Architektur aus Glas und Stahl war fern jeder "Gemütlichkeit".
Heute dagegen, in der "Lifestyle"-Ära sind Emotionen zugelassen, ja erwünscht, wenn es um Design, um Produktgestaltung geht. Verkörpert wird dieses Erfolgsmodell von Apple, mit Geräten wie iPod, iPhone und neuerdings iPad. Mitglieder dieser "i-Kultur" haben buchstäblich die Welt in der Hand – aber vielleicht auch ein Brett voll kunterbunter "Icons" vorm Kopf: Philipp Oswalt, Direktor der Bauhaus Stiftung, gesteht dem iPhone zwar eine "Gute Form" zu, fragt aber zugleich nach dem "bad design", den vom edlen Stil verdeckten, teilweise erschreckenden Folgen:
"Wir haben ja einfach exemplarisch das iPhone herausgegriffen als ein Kultobjekt, was durchaus sehr gut designt ist, auch in der Tradition des Bauhauses. Es sieht sehr gut aus, es ist sehr angenehm für den Nutzer. Aber es verschweigt, es verbirgt, daß das Produkt hervorgeht aus Prozessen, die sehr problematisch sind. Was etwa die Rohstoffgewinnung betrifft, Coltan im Kongo. Was die Arbeitsbedingungen betrifft, zum Beispiel in China oder Malaysia, aber auch bis hin zum Datenschutz, wie mit den Daten der Konsumenten umgegangen wird."
Damit knüpft Oswalt an Hannes Meyer an, den Bauhaus-Direktor von 1930, der als überzeugter Kommunist damals schon so etwas wie "ökologisches Design" im Sinne hatte. Als Prüfstein dafür bietet sich im Zeitalter der Globalisierung das Handy an: Nickel für die Batterien kommt aus Chile, Erdöl für Plastikgehäuse aus Rußland oder dem Nahen Osten, für miniaturisierte Hochleistungs-Prozessoren liefert Afrika das seltene Coltan. Die sogenannten "Coltan-Kriege" im Kongo forderten zahlreiche Todesopfer. Diese sozialen Kosten eines Produkts in seiner Gestaltung sichtbar werden zu lassen - wäre das "good design"?
"An sich müsste ein Handy bluten, um das irgendwie mitzuteilen. Und da ist es natürlich sehr bemerkenswert, dass mit diesen Aufklärungsstrategien, den Kampagnen von Greenpeace und anderen, hippe, gut gestaltete und auch coole Formen entwickelt worden sind, wie man die Öffentlichkeit, den Konsumenten, aber natürlich auch die Politik versucht, auf diese Probleme hinzuweisen."
Im Schnittpunkt von überzeugendem, auch die Sinne schmeichelndem Produktdesign einerseits und nüchterner Information der Konsumenten andererseits steht wiederum das Bauhaus, dessen vielfältigen Ansätze Philipp Oswalt von zeitgenössischen Künstlern aufgenommen sieht:
"Wie Künstler das thematisieren, mit Kartierungen, mit Recherchen, mit Filmprojekten - eine Tradition der Aufklärung, Otto Neurath, Wiener Schule, zwanziger Jahre, sehr, sehr wichtig: Dass man eben durch gute Informationsgrafik, gutes Kommunikationsdesign solche Dinge eben auch mit beeinflussen kann."
Deshalb hat eine Umweltkritikerin wie Annie Leonhard den Film "The Story of Electronics" über die ökologische Folgen und Arbeitsbedingungen der Produktion von Handys gedreht - einen stilsicheren, ästhetisch professionellen Gegenentwurf zur Apple-Reklame mit ihrem Versprechen auf ein ganz besonderes Lebensgefühl und einer Art Garantie für "Selbstverwirklichung". An solche Slogans musste auch Sarah Bormann, Politologin aus Berlin, denken, als sie in Zulieferfirmen wie der durch eine Selbstmordserie in Verruf geratenen "Foxconn" in China Arbeiterinnen interviewte:
"Es ist zynisch, weil die sich mit Sicherheit keine Apple-Geräte leisten können oder kaufen. Gehen Sie mal in Shenzen, in der Sonderwirtschaftszone Chinas, in den Apple-Store. Ich habe es mal gemacht: die Geräte sind sogar teurer als hier. Dennoch: Diese meist jungen Frauen, die sind stolz darauf, tatsächlich, für namhafte IT-Unternehmen zu arbeiten. Und es ist auch ein gewisses Versprechen an Modernität, daran teilhaben zu dürfen."
Der Künstler Christoph Faulhaber meinte in Shenzen kürzlich eine, so wörtlich, "unglaubliche Dynamik und ein ungeahntes Gefühl von Zukunft" zu spüren. Er kaufte sich eine billige Kopie des neuen iPhones, äußerlich identisch und mit einem alternativen Betriebssystem. Für Sarah Bormann immerhin ein erster Ansatz:
"Unternehmen wie Apple, Markenunternehmen, die haben ja einen Großteil der Produktion ausgelagert - was sie nun noch verkaufen, das ist ihr Name. Und das kann man mit solch einer Strategie in gewisser Weise ja auch aufzeigen. Also: es ist eher etwas, um das zu demaskieren vielleicht. Aber die Arbeitsbedingungen ganz real sind ja bei diesen Produkten keineswegs besser."
Dutzendweise eingepfercht in heruntergekommen Wohnbunkern, bei Zwölf-Stunden-Schichten und einer Sechs- oder gar Sieben-Tage-Woche einem autoritären Kontrollregime unterworfen, fertigen zumeist junge Arbeitsmigrantinnen die hierzulande so beliebten, für ihr Design vielfach prämiierten iPhones im Akkord. Aber in der "guten Form" steckt auch eine eigenartige Dialektik - die Aufklärer wie Sarah Bormann oder Annie Leonard für ihre Zwecke nutzen können:
"Um individuelle Verbraucher zu sensibilisieren, müssen die überhaupt sich mit dem Produkt identifizieren und ein gewisses Markenbewusstsein haben. Und deswegen ist es eigentlich leichter, Apple-Konsumenten, Nutzer von Apple-Geräten zu sensibilisieren als einen Kunden, der nur auf den Preis guckt. Also, diese "Liebe zum Gerät", die kann man dazu denke ich auch nutzen."
"Wir haben ja einfach exemplarisch das iPhone herausgegriffen als ein Kultobjekt, was durchaus sehr gut designt ist, auch in der Tradition des Bauhauses. Es sieht sehr gut aus, es ist sehr angenehm für den Nutzer. Aber es verschweigt, es verbirgt, daß das Produkt hervorgeht aus Prozessen, die sehr problematisch sind. Was etwa die Rohstoffgewinnung betrifft, Coltan im Kongo. Was die Arbeitsbedingungen betrifft, zum Beispiel in China oder Malaysia, aber auch bis hin zum Datenschutz, wie mit den Daten der Konsumenten umgegangen wird."
Damit knüpft Oswalt an Hannes Meyer an, den Bauhaus-Direktor von 1930, der als überzeugter Kommunist damals schon so etwas wie "ökologisches Design" im Sinne hatte. Als Prüfstein dafür bietet sich im Zeitalter der Globalisierung das Handy an: Nickel für die Batterien kommt aus Chile, Erdöl für Plastikgehäuse aus Rußland oder dem Nahen Osten, für miniaturisierte Hochleistungs-Prozessoren liefert Afrika das seltene Coltan. Die sogenannten "Coltan-Kriege" im Kongo forderten zahlreiche Todesopfer. Diese sozialen Kosten eines Produkts in seiner Gestaltung sichtbar werden zu lassen - wäre das "good design"?
"An sich müsste ein Handy bluten, um das irgendwie mitzuteilen. Und da ist es natürlich sehr bemerkenswert, dass mit diesen Aufklärungsstrategien, den Kampagnen von Greenpeace und anderen, hippe, gut gestaltete und auch coole Formen entwickelt worden sind, wie man die Öffentlichkeit, den Konsumenten, aber natürlich auch die Politik versucht, auf diese Probleme hinzuweisen."
Im Schnittpunkt von überzeugendem, auch die Sinne schmeichelndem Produktdesign einerseits und nüchterner Information der Konsumenten andererseits steht wiederum das Bauhaus, dessen vielfältigen Ansätze Philipp Oswalt von zeitgenössischen Künstlern aufgenommen sieht:
"Wie Künstler das thematisieren, mit Kartierungen, mit Recherchen, mit Filmprojekten - eine Tradition der Aufklärung, Otto Neurath, Wiener Schule, zwanziger Jahre, sehr, sehr wichtig: Dass man eben durch gute Informationsgrafik, gutes Kommunikationsdesign solche Dinge eben auch mit beeinflussen kann."
Deshalb hat eine Umweltkritikerin wie Annie Leonhard den Film "The Story of Electronics" über die ökologische Folgen und Arbeitsbedingungen der Produktion von Handys gedreht - einen stilsicheren, ästhetisch professionellen Gegenentwurf zur Apple-Reklame mit ihrem Versprechen auf ein ganz besonderes Lebensgefühl und einer Art Garantie für "Selbstverwirklichung". An solche Slogans musste auch Sarah Bormann, Politologin aus Berlin, denken, als sie in Zulieferfirmen wie der durch eine Selbstmordserie in Verruf geratenen "Foxconn" in China Arbeiterinnen interviewte:
"Es ist zynisch, weil die sich mit Sicherheit keine Apple-Geräte leisten können oder kaufen. Gehen Sie mal in Shenzen, in der Sonderwirtschaftszone Chinas, in den Apple-Store. Ich habe es mal gemacht: die Geräte sind sogar teurer als hier. Dennoch: Diese meist jungen Frauen, die sind stolz darauf, tatsächlich, für namhafte IT-Unternehmen zu arbeiten. Und es ist auch ein gewisses Versprechen an Modernität, daran teilhaben zu dürfen."
Der Künstler Christoph Faulhaber meinte in Shenzen kürzlich eine, so wörtlich, "unglaubliche Dynamik und ein ungeahntes Gefühl von Zukunft" zu spüren. Er kaufte sich eine billige Kopie des neuen iPhones, äußerlich identisch und mit einem alternativen Betriebssystem. Für Sarah Bormann immerhin ein erster Ansatz:
"Unternehmen wie Apple, Markenunternehmen, die haben ja einen Großteil der Produktion ausgelagert - was sie nun noch verkaufen, das ist ihr Name. Und das kann man mit solch einer Strategie in gewisser Weise ja auch aufzeigen. Also: es ist eher etwas, um das zu demaskieren vielleicht. Aber die Arbeitsbedingungen ganz real sind ja bei diesen Produkten keineswegs besser."
Dutzendweise eingepfercht in heruntergekommen Wohnbunkern, bei Zwölf-Stunden-Schichten und einer Sechs- oder gar Sieben-Tage-Woche einem autoritären Kontrollregime unterworfen, fertigen zumeist junge Arbeitsmigrantinnen die hierzulande so beliebten, für ihr Design vielfach prämiierten iPhones im Akkord. Aber in der "guten Form" steckt auch eine eigenartige Dialektik - die Aufklärer wie Sarah Bormann oder Annie Leonard für ihre Zwecke nutzen können:
"Um individuelle Verbraucher zu sensibilisieren, müssen die überhaupt sich mit dem Produkt identifizieren und ein gewisses Markenbewusstsein haben. Und deswegen ist es eigentlich leichter, Apple-Konsumenten, Nutzer von Apple-Geräten zu sensibilisieren als einen Kunden, der nur auf den Preis guckt. Also, diese "Liebe zum Gerät", die kann man dazu denke ich auch nutzen."