Chef der irischen Partei Sinn Fein unter Mordverdacht
Gerry Adams, der Vorsitzende der pro-irischen Partei Sinn Fein, soll am Mord an einer zehnfachen Mutter im Jahr 1972 beteiligt gewesen sein. Würde er angeklagt, könnte das das fragile politische Gleichgewicht in Nordirland empfindlich stören.
Der derzeit populärste Politiker und Parlamentsabgeordnete Irlands, Gerry Adams, hat die zweite Nacht in Untersuchungshaft in einem nordirischen Gefängnis verbracht. Bis heute Abend noch kann er von Polizeibeamten verhört werden; dann muss er frei gelassen oder angeklagt werden, sofern die Polizei nicht vor Gericht eine Ausdehnung der Untersuchungshaft erwirkt.
Der 65 Jahre alte Adams wird befragt zu einem brutalen Mord im Jahre 1972. Gerry Adams streitet jede Verantwortung dafür ab. Bevor er sich vorgestern selbst auf das Polizeirevier in Antrim begab, erklärte er:
"Zunächst einmal gehe ich freiwillig zu Polizei, weil das hier eine lange, bösartige Kampagne gegen mich ist. Ich bin völlig unschuldig an der Entführung, der Ermordung und der Verscharrung von Jean McConville."
Jean McConville, eine verwitwete Mutter von zehn Kindern, wurde vor 42 Jahren von der IRA entführt und ermordet. Die Terrortruppe hielt die 37-jährige Frau zu Unrecht für eine Kollaborateurin der britischen Armee. Ihr Vergehen war, dass sie einem verwundeten britischen Soldaten geholfen hatte. Im blutigen Nordirlandkonflikt zwischen katholischen Republikanern und protestantischen Unionisten kamen fast 4.000 Menschen ums Leben.
Leiche erst 2003 gefunden
Jean McConvilles Leiche wurde erst 2003 zufällig an einem Strand gefunden. Die Obduktion ergab, dass man sie brutal misshandelt hatte, ehe sie mit einem Kopfschuss getötet wurde.
"There is only one man who gave the order for that woman to be executed. That man is now the head of Sinn Fein."
Es gebe nur einen Mann, der den Befehl gegeben hat, diese Frau zu exekutieren. Dieser Mann ist nun der Chef von Sinn Fein, gab der frühere IRA-Kommandeur von Belfast Brendan Hughes kurz vor seinem Tod 2008 zu Protokoll.
Brendan Huges lügt, sagt Gerry Adams, der Chef der Sinn Fein Partei, die sich als politischer Arm der Irisch Republikanischen Armee verstanden hat. Gerry Adams hat immer betont, selbst nicht Mitglied der Irish Republikanischen Armee gewesen zu sein.
"Ich habe mich von der IRA nie distanziert und werde das auch niemals tun. Aber das bedeutet nicht, dass ich mit allem einverstanden war, was sie getan haben; das bin ich nicht, insbesondere nicht im Fall von Jean McConville, das war falsch und es muss Gerechtigkeit für sie und ihre Familie geben, aber dankenswerterweise ist der Krieg vorbei. Die IRA hat die Bühne vor 20 Jahren verlassen."
Angst vor Rache
Doch immer noch gibt es terroristische Splittergruppen, die bis heute vereinzelt Anschläge verüben und Leute bedrohen. Deswegen etwa weigert sich Michael McConville, der als elfjähriger Zeuge der Entführung seiner Mutter war, auch heute noch die Namen der Täter zu nennen. Gegenüber der BBC erklärte er:
"Ich würde es der Polizei nicht sagen, weil ich oder ein Familienangehöriger oder eins meiner Kinder dann von diesen Leuten erschossen würde. Jeder denkt, dass ist doch alles vorbei. Es ist nicht vorbei."
Nach dem Mord an ihrer Mutter wurden die zehn Kinder getrennt und auf Pflegeeltern aufgeteilt. Eine zerstörte Familie, die das Trauma bis heute nicht verwunden hat. Anders als ihr Bruder will die älteste Schwester Helen der Polizei die Namen der Entführer nun nennen, sagte sie im BBC-Interview.
"Ich fürchte sie nicht mehr und bin bereit, die Namen, die ich kenne, der Polizei mitzuteilen. Ich werde jede Hilfe geben, um der Leute, die meine Mutter ermordeten, habhaft zu werden."
Der Fall Gerry Adams ist nicht nur strafrechtlich relevant, sondern von eminent politischer Bedeutung. Würde er angeklagt, befürchten nicht wenige, dass das fragile politische Gleichgewicht in Nordirland zwischen Republikanern und Unionisten gestört werden könnte.
Schon jetzt spricht Sinn Fein von einer politisch motivierten Verhaftung, da bei den bevorstehenden Europa- und Kommunalwahlen die linksradikale Partei Umfragen zufolge erstaunlich gut abschneiden dürfte.