Keine Waffen in Krisengebiete!
Die Position, keine deutschen Waffen in Krisengebiete zu liefern, hat Bundeskanzlerin Merkel Stück für Stück aufgegeben. Ein Fehler, meint Frank Capellan. In dieser Frage dürfe es keine Spielräume und Ausnahmen geben.
Klare Linie der Bundesregierung? Fehlanzeige! Ich kann sie nicht erkennen, meint Norbert Röttgen. Als Minister zu Recht von der Kanzlerin abserviert, nimmt der Christdemokrat in seiner heutigen Funktion als Chef des Auswärtigen Ausschusses kein Blatt vor den Mund. Er warnt seine Parteivorsitzende davor, an einem Tabu zu rütteln: Keine deutschen Waffen in Krisengebiete – dabei muss es bleiben.
Bis zum vergangenen Montag hatte das auch für Angela Merkel Gültigkeit, seitdem hat sie unter dem Druck der Bündnispartner eine 180-Grad-Wende hingelegt. "Bei Rüstungsexporten gibt es immer einen politischen und rechtlichen Spielraum, den müssen wir nutzen", heißt es plötzlich, nachdem sie sich anfangs ganz auf humanitäre Hilfe für die bedrängten Christen und Jesiden im Nordirak festgelegt hatte.
Geschickt überlässt sie erst einmal ihrer Verteidigungsministerin die Kriegführung – Ursula von der Leyen stellt in Aussicht, Bundeswehr-Ausrüstung zu liefern, alles was nicht schießen kann und nicht zum Töten dient. Echte Waffenlieferungen aber schließt sie nicht aus, sollte es darum gehen, einen Völkermord zu verhindern.
Weitere Aufrüstung der Region würde Lage verschlimmern
Ähnlich dann der Koalitionspartner: Vizekanzler Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier reden plötzlich über Waffenexporte, ehe schließlich zum Ende der Woche die Kanzlerin die Katze aus dem Sack lässt. Stück für Stück also wird die Öffentlichkeit darauf vorbereitet, dass auch Deutschland Waffen in den Irak schicken könnte. Welch fataler Fehler! Nein, es darf diese Spielräume und Ausnahmen, von denen die Kanzlerin spricht, nicht geben.
Natürlich: Ruanda, Bosnien, Nord-Irak … zu Recht hat die Weltgemeinschaft Angst davor, wieder einmal einem sich anbahnenden Genozid tatenlos zuzuschauen. Die Region aber weiter aufzurüsten, wird die Situation eher noch verschlimmern. Wir sollten endlich daraus lernen, was es bedeutet, wenn Waffen an die Falschen geraten. Deutschland hat sich hinreichend die Hände schmutzig gemacht, Rüstungsgeschäfte mit Ländern wie Saudi-Arabien und Katar zugelassen, mit Ländern, die nun die Fanatiker von "Islamischer Staat" groß gemacht haben.
Ein trauriger Beleg dafür, wie wichtig eine äußerst restriktive Rüstungsexportpolitik ist. Erst recht nicht sollten wir uns von Leuten wie Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg einreden lassen, wir würden im Nordirak nun den Amerikanern die Drecksarbeit überlassen. Die Vereinigten Staaten stehen dort in besonderer Verantwortung. Washington ist es nicht gelungen, nach einer völlig desaströsen Irak-Politik in Bagdad ein halbwegs demokratisches und stabiles Regime zu hinterlassen.
Waffenlieferungen schaffen Präzedenzfall
Eine UN-Blauhelmmission oder sogar ein internationaler Militäreinsatz mit robustem Mandat könnten den IS-Vormarsch vielleicht noch stoppen. Mehr Waffen aber werden den Irak weiter destabilisieren, kurdische Kämpfer werden sie nicht zurückgeben, wenn sie die IS besiegt haben. Sie werden verständlicherweise versuchen, endlich ihren eigenen kurdischen Staat zu gründen. Wer Waffen liefert, schafft einen Präzedenzfall und muss sich fragen lassen, warum er das nicht auch in anderen Krisenregionen tut oder getan hat – etwa in Syrien.
Immerhin: Beim Treffen der EU-Außenminister macht Frank-Walter Steinmeier klar, dass Deutschland vor allem humanitär helfen will. In puncto Rüstungslieferungen aber muss Berlin so schnell wie möglich den Schlingerkurs der vergangenen Woche beenden und zu einer klaren Linie zurückfinden, die da heißt: Keine Waffen in Krisenregionen!