Amal Ibrahim al-Nussairi und Birgit Svensson: "Mit den Augen von Inana"
Zweite Anthologie zeitgenössischer Autorinnen aus dem Irak
Übersetzung: Stephan Milich und Günther Orth
Verlag Schiller und Mücke 2020, 112 Seiten, 14 Euro.
Schreiben gegen das Patriarchat
06:46 Minuten
Es geht um Literatur und soll das nachhaltigste Frauenprojekt im Irak sein: "Inana". Drei der Autorinnen sind nach Deutschland gekommen, um ihre Anthologie zu präsentieren: "Mit den Augen von Inana". Auf dem Buch prangt das Bild einer nackten Göttin.
"Literatur ist ein Spiegel der Menschen und die Iraker standen immer unter dem Druck einer falschen und schlecht funktionierenden Politik. Diese Politik dringt geradezu in Dich und Deinen Alltag ein und das wirkt sich auf das Schreiben aus. Du schreibst für Deine Freiheit, Du schreibst über die Dinge, die Dir als Mensch zustehen", sagt Azhar Ali Hussein. Sie ist Erzählerin, Dichterin und Journalistin und eine von drei Frauen, die aus dem Irak nach Deutschland gekommen sind, um den neuen, den zweiten Band des Buchprojektes "Inana" zu präsentieren.
Literatur als Fenster zur Welt
Initiatorin ist seit acht Jahren Birgit Svensson, die seit vielen Jahren als einzige deutsche Journalistin in Bagdad ausharrt: "Inana ist ein richtiges Projekt geworden, es ist eigentlich das nachhaltigste Frauenprojekt im Irak, es läuft jetzt seit acht Jahren und wir wachsen und wachsen. Für uns ist es auch das Fenster zur Welt. Wir waren in Deutschland und Frankreich eingeladen, haben internationale Konferenzen veranstaltet, in Basra, in Bagdad überall. Inana war eine Göttin vor 5000 Jahren und sie hat damals mit ihrem Vater um die Macht gekämpft und sie hat gewonnen als Frau. Wir haben sie als Beispiel für unser Projekt genommen".
Nackte Göttin auf dem Cover
Für viele Frauen im Irak ist das Schreiben ein Akt der Befreiung in einer stark religiös geprägten, patriarchalischen Gesellschaft. Das Cover des soeben auf Deutsch erschienen Bandes zeigt ein Relief der Göttin – völlig nackt – eine Sensation für eine konservative Gesellschaft wie die irakische. Doch alle 32 Autorinnen wollten Inana so auf der Titelseite sehen. Das wäre vor einigen Jahren undenkbar gewesen. Fast alle in dem Band versammelten Texte nehmen Bezug auf die politische Situation, die Rolle der Religion und die täglichen Bedrohungen im Irak.
"Du schreibst unter dem Druck der Politik, aber du schreibst nicht für die Politik", sagt Amal Ibrahim al-Nussairi. "Ich verteidige mich als menschliches Wesen, egal ob ich politisiert bin oder nicht. Das ist die eigentliche Botschaft der Literatur, menschlich zu bleiben, für den höchsten Level an Humanität, den du erreichen kannst unter jeder Art von Druck zu schreiben. Bei uns ist es nun mal vor allem der politische Druck." Die gelernte Biologin arbeitet aber schon seit vielen Jahren als Schriftstellerin und Übersetzerin. Die heute 51-Jährige musste als Kind zusehen, wie ihr Vater und andere Männer der Familie verschleppt und ermordet wurden. Ihr Vater hatte damals viel englischsprachige Kinderliteratur in den Irak gebracht. Amal Ibrahim al-Nussairi hat die meisten Kinderbücher später ins Arabische übersetzt
Unglaubliche Veränderungen unter den Frauen in Mossul
Die jüngste der drei Schriftstellerinnen Rola Buraq kommt aus Mossul und hat die Besatzung durch den "Islamischen Staat" in Mossul erlebt. Derzeit promoviert sie in arabischer Literatur und freut sie sich über die Entwicklungen, die sie in ihrer Stadt erlebt: "Es gab unglaubliche Veränderungen unter den Frauen in Mossul, nachdem der IS abgezogen war. Vorher waren die Frauen von fast allem ausgeschlossen. Aber in der letzten Zeit werden ihre Stimmen immer mehr gehört. Ich selbst bin die Vorsitzende des Schriftstellerforums für Frauen in Mossul und ich habe den Eindruck, dass die Frauen, gerade auch die jungen mutiger werden."
Dabei schauen sie weit über die Grenzen ihres Landes hinaus, verfolgen auf allen Kanälen, was in der Welt literarisch passiert, sagt Azhar Ala Hussein: "Wir sind sehr ehrgeizig und versuchen so gut es geht zu verfolgen, was weltweit im in der Literaturszene passiert. Es ist uns unglaublich wichtig die aktuellen Entwicklungen mitzubekommen. In den Schriftstellergewerkschaften tauschen wir uns regelmäßig über alles aus und natürlich auch mit den Verlagen."