Iran-Atom-Abkommen

Israel schadet mit seiner Kritik sich selbst

Die Gruppe "Frauen wagen Frieden" fordern Ministerpräsident Netanjahu auf, die Verhandlungen wiederaufzunehmen.
Benjamin Netanjahu hat immer vor einem Atom-Abkommen mit Iran gewarnt. Damit hat er sich in eine Sackgasse manövriert, meint Christian Wagner. © picture alliance/dpa
Von Christian Wagner |
Premierminister Benjamin Netanjahu schadet Israel mit seiner generellen Ablehnung des Atomdeals mit dem Iran. Das Land bräuchte dringend eine neue Orientierung, meint Christian Wagner. Seine Politiker seien kurzsichtig geworden.
Benjamin Netanjahu hatte am Dienstagmorgen zwei Möglichkeiten. Entweder: Das Atom-Abkommen von Wien zur Kenntnis nehmen und versuchen, das Beste für Israel daraus zu machen. Oder aber: Weiter darauf beharren, dass allein seine Regierung die Lage richtig einschätzt und dieses Abkommen ein historischer Fehler sei - getrieben von naivem Wunschdenken. Netanjahu hat sich für letzteres entschieden. Und er schadet damit den Interessen seines eigenen Landes.
Ganz akut leiden die Beziehungen zu Europäern und Amerikanern: US-Außenminister Kerry hält Netanjahu vor, er habe mit seiner Kritik an dem Abkommen immer wieder maßlos übertrieben. Und Außenminister Steinmeier verbittet sich "grobschlächtige Kritik" und rät der israelischen Regierung, sie möge doch erst einmal den Text des Abkommens studieren. Wenn die engsten Freunde derart pampig reagieren und sich womöglich abwenden, dann hat man ein Problem.
Die Drohung ist inzwischen abgenutzt und hohl
Trotzdem zeichnet Netanjahu das Bild vom einsamen Rufer in der Wüste, alleingelassen von einer naiven Weltgemeinschaft, die den Nahen Osten schlicht nicht verstehe. Mehr noch, er droht - noch bevor er den Text des Abkommens überhaupt kennt - Israel werde sich immer selbst verteidigen. Das ist die Drohung mit dem Angriff auf iranische Atomanlagen im Alleingang.
Aber diese Drohung ist inzwischen abgenutzt und hohl. Wenn das Abkommen in Kraft tritt und die Amerikaner davon überzeugt sind, dass im Iran keine Atomwaffen entwickelt werden, dann würde sich Israel mit einem Angriff auf iranische Atomanlagen gegen die gesamte Weltgemeinschaft stellen. Es ist absurd, wenn in der israelischen Presse ernsthaft darüber diskutiert wird, ein Militärschlag sei nur noch in den kommenden Monaten möglich, solange das Abkommen noch nicht wirksam ist.
Die Diskussion über militärische Optionen aber ist Konsens in Israel, nach Netanjahus jahrelanger Angst-Predigt. Damit hat er seine Wahlkämpfe bestritten und gewonnen. Iran, Iran ... das ist Netanjahus politisches Thema, eigentlich sein einziges. Und deshalb will er es nicht hergeben.
Jetzt aber hat sich Netanjahu damit in eine Sackgasse manövriert, und das mit jahrelangem Anlauf. Womöglich dämmerte es dem israelischen Regierungschef ja, als er am Tag des Atomdeals nach neuen Argumenten suchte und darauf verfiel, in erster Linie vor einer Regionalmacht Iran zu warnen. Ja, der Iran wird Einfluss gewinnen, sobald die wirtschaftlichen Strafmaßnahmen fallen. Aber nur dagegen sein reicht eben nicht, um Politik zu gestalten.
Israelische Politik ist kurzsichtig geworden
Die berechtigten Ängste Israels und die Warnungen vor Gefahren gehen so fast unter. Wie etwa kann verhindert werden, dass ein wirtschaftlich erholter Iran noch mehr Geld in die Hisbollah pumpt, die Israel bedroht? Wie wird sich das Ende der Iran-Sanktionen auf die Hamas auswirken? US-Präsident Obama sagt dazu erstens: Das Abkommen habe das alleinige Ziel, die Entwicklung von Atomwaffen im Iran zu verhindern, alle anderen Konflikte bleiben, sagt Obama, und: Niemand erwarte, dass sich der Iran von einem Tag auf den anderen in eine liberale Demokratie verwandle. Und zweitens: Der Nahe Osten muss seine Probleme auch selbst angehen. Das hat Obama schon bei seinem Israel-Besuch vor über zwei Jahren eindringlich gesagt. Ernst genommen hat das in Israel kaum jemand.
Jetzt bräuchte das Land dringend Orientierung in einer Region, die sich seit dieser Woche noch schneller verändern wird als bisher. Aber dem verweigern sich Regierung wie Opposition. Es traut sich auch niemand, laut nachzudenken über politische und wirtschaftliche Chancen des Abkommens mit Iran. "Ein schlechter Deal", das ist alles, was der Opposition um Arbeitsparteichef Herzog dazu einfällt. Ach ja, und mehr Rüstungshilfe von den Amerikanern einfordern.
So kurzsichtig ist die israelische Politik geworden. Sie läuft wirklich Gefahr, nicht mehr gehört zu werden, zum Schaden Israels.
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