Proteste im Iran
Deutschland sehe die protestierenden Frauen im Iran, aber höre sie nicht, meint Gilda Sahebi. © picture alliance / ZUMAPRESS.com / Social Media
„Die Bundesregierung unterschätzt dieses Regime noch immer“
14:09 Minuten
Journalistin Gilda Sahebi wirft der Bundesregierung Symbolpolitik gegenüber dem Iran vor. Nach dem Tod Mahsa Aminis und der Gewalt gegen Protestierende habe Außenministerin Baerbock noch „nichts Konkretes“ gegen das Regime getan.
Vor zwei Wochen starb die 22 Jahre alte Iranerin Mahsa Amini unter ungeklärten Umständen. Die Sittenpolizei hatte die junge Frau festgenommen, weil sie gegen die islamische Kleiderordnung verstoßen habe. Seither kommt es in dem Land zu Protesten, gegen die das Regime mit Gewalt vorgeht.
Nach Angaben von Amnesty International setzen die Sicherheitskräfte scharfe Munition ein. Die Menschenrechtsorganisation warnt davor, dass ohne internationales Handeln noch mehr Menschen Haft oder den Tod riskierten.
Kritik an Berliner Iran-Politik
Die im Iran geborene Journalistin Gilda Sahebi kritisiert, im Gegensatz zu den USA habe die Bundesregierung das Regime in Teheran bisher „nicht ganz klar verurteilt“. Außenministerin Annalena Baerbock tue zudem „nichts Konkretes“, ihre Worte seien „absolute Symbolik“.
Baerbock hatte am Donnerstag im Bundestag unter anderem gesagt: „Auch wenn das Internet jetzt abgeschaltet ist – wir sehen und wir hören diese Frauen.“
Sahebi dagegen meint: „Sie sieht sie, aber sie hört sie nicht.“ Baerbocks Satz habe „keine Konsequenzen“. Dabei spiele Rhetorik eine große Rolle gegenüber dem Regime in Teheran. Das achte sehr darauf, wie das Ausland reagiere: „Je sicherer sie sich fühlen, umso gewalttätiger und gnadenloser gehen sie vor. Das ist einfach eine Rechnung, die das Regime macht.“
Iran schaut besonders nach Deutschland
Deutschland sei seit den den 1990er-Jahren europaweit noch immer der wichtigste Handelspartner des Irans, deswegen sei wichtig, was Deutschland sage und mache. "Da kuckt das Regime besonders drauf. Es ist wirklich fatal, dass die Bundesregierung und ausgerechnet eine Außenministerin, die immer von feministischer Außenpolitik redet, nicht wirklich dagegen spricht“, sagt Sahebi.
Baerbock habe den iranischen Botschafter zwar einbestellt, aber nicht ausgewiesen, kritisiert die Journalistin. Dass die Bundesregierung von diesem Regime Aufklärung gefordert habe, heiße für sie, "dass diese Bundesregierung dieses Regime immer noch unterschätzt und immer noch falsch einschätzt" – denn Berlin fordere damit Aufklärung "von einem Regime, das seit 43 Jahren lügt und Propaganda verbreitet.“
Zur Besonderheit der aktuellen Protestbewegung sagt Sahebi: „Diesmal richtet sich der Protest wirklich zentral gegen das Regime, gegen eine ganz ausschlaggebende Säule des Regimes: die Unterdrückung der Frau, die Ungleichbehandlung der Geschlechter. Das ist neu.“ Dazu zähle auch, dass sich alle Schichten und Geschlechter an den Protesten beteiligten.
„Dass wir jeden Tag Bilder sehen von Frauen, die ohne Kopftuch in den Straßen laufen – das ist etwas Unglaubliches", sagt die Journalistin. "Dieser Mut, dieser Widerstandswille und diese Wut – das hatten wir noch nie.“
Das gehe nicht einfach weg, ist Sahebi überzeugt: „Das ist eine Flamme, die die Mullahs auch nicht austreten können.“
(bth)