Proteste im Iran

"Früher oder später wird jede Diktatur gestürzt"

08:02 Minuten
Unruhen im Iran 2022. Leute versammeln sich auf der Straße und zünden Protestfeuer an.
"Die Leute haben nichts zu verlieren", sagt Schauspieler Mohammad-Ali Behboudi . © IMAGO / ZUMA Wire / Stringer
Mohammad-Ali Behboudi im Gespräch mit Gabi Wuttke |
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Sieben Wochen nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini in Polizeigewahrsam gehen die Proteste im Iran weiter, trotz drohender Todestrafen. Schauspieler Mohammad-Ali Behboudi glaubt, dass sie erfolgreich sein könnten: "Die Leute wollen nicht mehr."
Die Proteste gegen das Mullah-Regime im Iran gehen weiter, trotz der immer brutaleren Reaktionen. So hat der Kommandeur der mächtigen Revolutionsgarden, die bisher nicht gegen die Demonstranten vorgegangen sind, am Samstag gewarnt, es werde der letzte Tag der Unruhen sein. Die Regierung kündigte Massenprozesse an: Bis zu 1000 Menschen sollen öffentlich abgeurteilt werden. Lautet die Anklage "Krieg gegen Gott", wie in einigen bisherigen Prozessen, kann die Todesstrafe verhängt werden.

"Sie nehmen ihr Leben in die Hand"

Trotzdem gehen die Kundgebungen weiter. Zuletzt vor allem an Universitäten. "Die mutigen jungen Frauen und Männer lassen sich von dieser Einschüchterung nicht schwächen und gehen nach wie vor auf die Straße", sagt der Schauspieler Mohammad-Ali Behboudi.
Behboudi hat den Iran aus politischen Gründen in den 1980er-Jahren verlassen und lebt jetzt in Deutschland. Vor Kurzem hat er seine Familie im Land besucht. Die Protestierenden seien überwiegend ganz junge Leute, die nichts zu verlieren hätten, sagt Behboudi: "Die haben ihr Leben in die Hand genommen und sind auf die Straße gegangen."
Der Schauspieler Mohammad-Ali Behboudi.
Mohammad-Ali Behboudi wurde an der traditionsreichen Schauspielschule "Anahita" in Teheran ausgebildert. Er emigrierte 1984 nach Deutschland, gründete das freie „Welt-Theater“ in Köln und arbeitet als Schauspieler (u.a. Tatort und Lindenstraße), Regisseur und im Hörfunk.© picture alliance / dpa / Horst Galuschka
Ohne die Erlaubnis der Regierung könne man im Iran nichts machen, schildert der Schauspieler die Situation. Sie schreibe vor, wie man sich zu kleiden habe, was man trinken und essen dürfe und wie man sich im In- und Ausland bewegen solle. Alle Bereiche der Gesellschaft und des sozialen Lebens seien vom Regime bestimmt: "Darauf haben die jungen Männer und Frauen keine Lust mehr."

Alles für die Regierung, nichts für die Bevölkerung

Die wirtschaftliche Lage sei noch schlechter als zu Zeiten der Grünen Bewegung im Jahr 2009. Die Sanktionen würden die Leute massiv treffen: "Es gibt keine Medikamente, es gibt keine freien Devisen. In allen Bereichen sind die Leute beschränkt", sagt Behboudi. "Diese Regierung hat alles für sich reserviert, alle anderen müssen um Erlaubnis fragen."
Die Regierung versuche auch, die Kulturszene einzuschüchtern: "Alle Filmemacher, alle Theaterschauspieler und Regisseure, die sich solidarisiert haben, haben ein Arbeitsverbot bekommen", so Behboudi. Fernsehsprecher hätten ihren Job gekündigt, weil sie sich nicht mehr sicher fühlten.
Behboudi glaubt, dass die Proteste weitergehen und letztlich erfolgreich sein werden. Die geplante Machtübergabe von Ali Khamenei an seien Sohn Mostafa werde nicht funktionieren. "Früher oder später wird jede Diktatur gestürzt werden. Jetzt ist die Zeit erreicht, dass die Leute nicht mehr weitergehen wollen."
(beb/AP)
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