Proteste im Iran

„Das Ende des Regimes wurde schon zu häufig ausgerufen“

07:30 Minuten
Ein junger Mann erhebt die Hand gegen Sicherheitskräfte im Hintergrund. Seitlich breitet sich Qualm auf der Straße aus Im Vordergrund steht eine junge Frau.
Sie müssen damit rechnen, dass auf sie geschossen wird: Frauen und Männer gehen gegen das Regime in Teheran auf die Straße. © imago / ZUMA Wire / Social Media
Cornelius Adebahr im Gespräch mit Ute Welty |
Audio herunterladen
Der Druck auf das Mullah-Regime im Iran hält an. Kann der Protest auf die Hilfe des Westen hoffen? Dessen Möglichkeiten seien begrenzt, sagt Politologe Cornelius Adebahr. Der Mut der Menschen im Iran mache allerdings Hoffnung.
Hunderte Festnahmen, Dutzende Tote: Mit Gewalt reagiert das Regime im Iran auf die Proteste, die seit dem Tod der jungen Mahsa Amini in Städten und auf dem Land ausgebrochen sind. Die 22 Jahre alte Frau war wegen Verstoßes gegen die strenge islamische Kleiderordnung von der allgegenwärtigen Sittenpolizei festgenommen worden. Am 16. September starb sie unter ungeklärten Umständen.
Es gehe bei den Protesten nicht nur um die Kleidervorschriften wie den Kopftuchzwang, sagt der Politikberater und Analyst Cornelius Adebahr. Der Iran sei von einem "durch und durch männlichen System" geprägt, dessen Unterdrückung und Schikanen nicht nur Frauen zu spüren bekämen.
Auch Männer hätten erlebt, dass sie den Sicherheitskräften "einfach ausgeliefert" seien. Dazu komme der Frust über die vorangegangenen erfolglosen Proteste und über die schwierige wirtschaftliche Lage. Es sind die Erfahrung der Unfreiheit und der immer härtere Kurs des Regimes, die laut Adebahr Männer an die Seite der demonstrierenden Frauen bringen.

Baerbock fordert neue Sanktionen

Außenministerin Annalena Baerbock fordert angesichts der Gewalt gegen die friedlich protestierenden Menschen neue Sanktionen gegen den Iran. Innerhalb der EU müsse über Konsequenzen gesprochen werden. Die USA wiederum wollen unter anderem durch technische Ausrüstung die Demonstrationen unterstützen. Zu wenig Hilfe?
"Da tut sich schon etwas", sagt Adebahr. "Aber man muss auch sehen, wie begrenzt letztlich die Handlungsmöglichkeiten für Drittstaaten sind, hier direkt einzugreifen. Das ist ein Konflikt, der zwischen der Bevölkerung und der Regierung im Iran und leider auch auf den Straßen im Wesentlichen ausgetragen wird."

Erfahrungen aus dem Arabischen Frühling

Der "Backlash" nach dem sogenannten Arabischen Frühling vor mehr als zehn Jahren habe unter anderem gezeigt, dass die Regierungen in den autoritären Staaten doch an einem "sehr langen Hebel" sitzen. Adebahr sieht daher eine langfristige Unterstützung der Zivilgesellschaft in diesen Ländern als entscheidend an.
Zu den Erfolgsaussichten der aktuellen Protestbewegung im Iran sagt Adebahr: "Der Anfang vom Ende des iranischen Regimes wurde schon zu häufig ausgerufen, als dass ich mit Gewissheit sagen könnte, dass es das jetzt ist." Etwas stimme ihn dennoch "hoffnungsfroh", wie er sagt: Das sei der "Mut der Verzweiflung", mit dem Menschen auf die Straße gingen. Die Hälfte der Bevölkerung kenne nichts anderes als die Islamische Republik, die seit mehr als 40 Jahren bestehe.
(bth)

Abonnieren Sie unseren Weekender-Newsletter!

Die wichtigsten Kulturdebatten und Empfehlungen der Woche, jeden Freitag direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
Mehr zum Thema