Filmemachen im Iran

Kino und Kontrolle

07:06 Minuten
Sehnsuchtsort Kino: Das iranische Kino hat eine lange Tradition. Hier ein Foto aus dem Dokumentarfilm Stairless Dreams. Eine verschleierte Frau schaut versonnen aus einem vergitterten Fenster, ihre Hand berührt die Scheibe.
Sehnsuchtsort Kino: Das iranische Kino hat eine lange Tradition. Hier ein Foto aus dem Dokumentarfilm Stairless Dreams. © imago images / Everett Collection
Von Christian Berndt |
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Filmkunst hat eine lange Tradition im Iran. Selbst der Konflikt mit der Staatsmacht ist nicht neu. Dennoch haben die gegenwärtigen Proteste im Iran eine neue Dimension, erzählt ein iranischer Filmemacher.
Die Protestbewegung im Iran dauert nun schon seit Wochen an und flaut trotz der massiven staatlichen Gewalt nicht ab. Und auch die Filmwelt des Landes ist stärker involviert, als es in den letzten Jahrzehnten bei anderen Protestbewegungen der Fall war.
Vor einigen Monaten – eher am Anfang der Bewegung – protestierten 70 Filmschaffende öffentlich gegen Polizeigewalt, daraufhin wurden zwei der bekanntesten iranischen Regisseure, Jafar Panahi und Mohammad Rasulof, verhaftet.

Die Wut ist größer als die Angst

Das Regime hat die Repression gegen Filmkünstler in einem bisher noch nicht gekannten Maße verschärft, aber trotzdem protestieren iranische Filmschaffende weiter. Dass das Kino mit der Staatsmacht in Konflikt gerät, hat eine lange Tradition im Iran, dessen Filmkunst so alt ist wie das Kino selbst. Und das – laut Navid Kermani – das großartigste und verzweifeltste Filmland der Welt ist.

For my understanding we should not call it protest anymore we should call it revolution.

Der iranische Regisseur Sina Ataeian Dena

Man sollte, sagt der iranische Regisseur Sina Ataeian Dena, nicht mehr von Protesten, sondern von Revolution reden. Die Aufstände seien von ganz anderer Wucht als die Grüne Bewegung 2009.

I think it’s definitely different because you see, that the anger of people became bigger than fear.

Regisseur Sina Ataeian Dena

Die Wut der Menschen sei heute größer als ihre Angst. Dena lebt seit 2015 im Exil. Damals lief sein Debütfilm „Paradise“ auf dem Filmfestival Locarno. Der Film erzählt vom repressiven religiösen System an einer Teheraner Mädchenschule.
Weil dort auch eine Retrospektive israelischer Filme gezeigt wurde, erklärte man Dena im Iran wegen seiner Festivalteilnahme zum ‚zionistischen Agenten‘ – seitdem ist es zu gefährlich für ihn, zurückzukehren. Aber er steht in engem Austausch mit Kollegen in seiner Heimat.

Kino im Iran hat eine lange Tradition

Denas Kolleginnen dokumentieren, was sich im Iran jetzt abspielt. Im Moment wagt kaum ein Filmschaffender, mit ausländischen Journalisten zu sprechen. Jeder Kontakt ist lebensgefährlich. Aber so wenig Dena in den letzten Jahren im Iran hätte leben wollen, sagt er, so sehr inspirieren ihn diese Proteste.
Intensiv verfolgt auch Alena Strohmaier, Filmwissenschaftlerin an der Universität Marburg, die Geschehnisse im Iran: Die Expertin für iranisches Kino verfügt über entsprechende Kontakte und hat selber einen iranischen Migrationshintergrund. In der gesellschaftlichen Entwicklung Irans spiele das Kino seit Jahrzehnten eine wichtige Rolle, sagt sie und verweist auf dessen alte Tradition:
„Die Anfänge des iranischen Kinos sind im Prinzip zeitgleich mit den Anfängen des Kinos allgemein. Die Brüder Lumière haben den Kinematografen erfunden, und der Schah von Persien hat sich einen solchen Kinematografen gekauft und zwar mit dem Ziel, auch Staatsakte zu filmen, beziehungsweise auch das Leben am Hof. Im Prinzip war das nicht für die breite Masse gedacht.“

Bis zur Revolution blühte das iranische Kino

Eine echte iranische Filmproduktion entsteht ab den Dreißigerjahren, und erst nach dem Zweiten Weltkrieg kann sich das Kino als Massenunterhaltung etablieren:
„Da gibt es dann schon in den Fünfziger- und vor allem in den Sechzigerjahren auch sozialkritischere Filme und Film-Noir-Anlehnungen, wenn man so möchte. Auch dokumentarische Formen, die ein bisschen experimenteller, künstlerischer waren.“
1969 dreht Dariush Mehrjui mit „Die Kuh“ einen Meilenstein des iranischen Arthouse-Kinos. „Die Kuh“ wird auf den Filmfestspielen von Venedig mit dem Kritikerpreis ausgezeichnet und leitet eine neue filmische Ära ein.

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Wegen seiner realistischen Darstellung von Armut und Elend wird der Film allerdings im Land verboten. Doch trotz Zensur blüht das sozialkritische Kino in den Siebzigerjahren – bis zur Revolution 1979:
„Interessanterweise hat `79, also die Unruhen und das, was dann später eine ausgewachsene Revolution wurde, mit einem Kinobrand begonnen. In der südlichen Stadt Abadan wurde das Rex Kino in Brand gesteckt.“
Wahrscheinlich von Islamisten, im ganzen Land brennen bald Kinos. Nach dem Sturz des Schahs soll das Kino die Werte der neuen Islamischen Republik propagieren und steht - besonders nach Ausbruch des Iran-Irak-Krieges 1980 – nun ganz im Dienst der Staatspropaganda.

Aus der Not eine Tugend machen

Erst mit der relativen Öffnung des Landes in den Neunzigerjahren kann das iranische Arthouse-Kino wieder an vorrevolutionäre Traditionen anknüpfen:
„Dieser neue iranische Film zeichnet sich durch einen dokumentarischen Stil aus. Es wurde ja auch viel mit Laiendarsteller*innen und Kindern gearbeitet. Kiarostami hatte damit begonnen und es am meisten vorangetrieben. Das hatte auch den den Zweck, dass man damit die Zensur auch ein bisschen umgehen konnte. Das hat aber auch zu einer ganz eigenen Filmsprache geführt.“
Kiarostami gewinnt mit „Der Geschmack der Kirsche“ 1997 die Goldene Palme in Cannes.

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Der iranische Arthouse-Film feiert fortan auf internationalen Festivals bemerkenswerte Erfolge, Höhepunkt ist 2012 der Oscar für Asghar Farhadis Scheidungsdrama „Nader und Simin“.
Es gibt, sagt Regisseur Sina Ataeian Dena, großartige unabhängige und junge Filmschaffende, die aufregendes Kino machen.

Die Filmemacher bleiben hartnäckig

Gleichzeitig muss der iranische Film permanent mit der Zensur kämpfen, 2010 wird der international gefeierte Regisseur Jafar Panahi wegen seiner Unterstützung der Protestbewegungen zu 20 Jahren Berufsverbot verurteilt. Trotzdem macht er weiter Filme, sein außer Landes geschmuggelter Film „Taxi Teheran“ gewinnt den Goldenen Bären der Berlinale.
Jetzt hat das Regime die Repression massiv verstärkt, aber selbst der sonst so vorsichtige Oscarpreisträger Asghar Farhadi hat sich mittlerweile mit der Protestbewegung solidarisiert. Und in den sozialen Medien, sagt Dena, posten iranische Filmschaffende weiter Protestaufrufe.
Der Widerstandsgeist im iranischen Kino lebt weiter, ihn haben weder die Diktatur des Schahs noch die der Islamisten ersticken können.
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