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Debatte um Waffenlieferungen
Die Bundesregierung will Panzerlieferungen an die Ukraine erlauben. © picture alliance / photothek | Thomas Imo/photothek
„Das hat fast etwas Therapeutisches“
09:21 Minuten
Kriegstreiberei wettern die einen, falschverstandener Pazifismus die anderen: Um die Waffenlieferungen für die Ukraine wird hochemotional gestritten. Der Politologe Ireneusz Karolewski sieht darin einen Selbstfindungsprozess Deutschlands.
Die schwierige emotionale Debatte um Waffenlieferungen an die Ukraine hat nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Ireneusz Karolewski eine wichtige Funktion für Deutschland: „Man kommuniziert in den Eliten miteinander und versucht, eine gemeinsame Position zu finden. Das ist sehr schwierig, aber im Grunde genommen dient das potenziell einer Selbstfindung in Bezug auf die Rolle Deutschlands in der Außenpolitik, in Europa, in der Welt“, sagt der Politologe von der Universität Leipzig. Dieser Selbstfindungsprozess müsse nicht unbedingt nur negativ konnotiert sein.
Die therapeutische Wirkung der offenen Briefe
Die offenen Briefe an Bundeskanzler Olaf Scholz seien Teil dieses Prozesses, meint der Politologe. Es gebe auch Stimmen, die sagen, man sollte miteinander direkt sprechen und Argumente austauschen. „Das finde ich auch.“ Dennoch bewertet Karolewski die offenen Briefe auch als positiv. Durch sie werde klar, welche Argumente es in der Debatte gebe – und welche Befürchtungen.
Nach Ansicht des Politologen hat es zwar „etwas Neurotisches an sich“, wenn die außenpolitische Position eines Landes auf Ängsten basiere und darauf verweise, „dass wir alle sterben könnten im dritten Weltkrieg“. Durch die Debatten würden diese Ängste aber bearbeitet. „Das hat etwas Therapeutisches, fast.“
Keine typisch deutsche Debatte
Typisch deutsch ist die Diskussion um Waffenlieferungen nach Ansicht Karolewskis nicht. Ähnliche Debatten gebe es in vielen Ländern. Beispielsweise hätten in den USA in den 1940er-Jahren „sogenannte Pazifisten“ die US-Regierung davor gewarnt, dem Krieg gegen Hitler beizutreten. Das Argument: „Der Hitler hat uns nicht angegriffen.“
Auch das Moralisieren ist laut Karolewski ein normaler Teil von politischen Diskursen, wenn wir es „mit kontroversen Entscheidungen zu tun haben, deren Folgen wir nicht wirklich eindeutig absehen können“. Der Politikwissenschaftler bezweifelt daher auch, dass moralisierende Argumente vermeidbar sind.
Deutsche Regierung nicht überall beliebt
Sind die inzwischen ausgeräumten diplomatischen Verstimmungen zwischen Deutschland und der Ukraine womöglich lehrreich? Karolewski meint: „Psychologisch ist es wichtig zu verstehen, dass man auch nicht immer überall beliebt ist als Vertreter des deutschen Staates.“ Dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zunächst nicht in die Ukraine eingeladen wurde, zeige, dass die Entscheidungen der Vergangenheit auch Folgen hätten.
(tmk)