Irrungen und Wirrungen auf Lebensmittel.de
Seit Anfang des Jahres betreibt die Lebensmittelwirtschaft im Internet eine eigene Website unter lebensmittelwirtschaft.de. Erzeuger und Handwerk, Industrie und Handel möchten den Verbraucher sachlich informieren.
Um endlich bei Lebensmittelskandalen publizistisch mitmischen zu können, hat unsere Lebensmittelwirtschaft einen neuen Verein gegründet, mit dem Namen „Die Lebensmittelwirtschaft“. Darin sind die üblichen Verdächtigen alle vertreten: Erzeuger und Handwerk, Industrie und Handel. Nun sollen heiße Eisen angepackt werden, um den Verbraucher endlich sachlich zu informieren. Na denn wollen wir mal.
Auf der Startseite darf das das Thema Glutamat natürlich nicht fehlen. Mit Geschmacksverstärkern wie Glutamat lassen sich bekanntlich teure Rohstoffe einsparen, seither lassen sich Rindssuppe und Hühnerbrühe auch ganz ohne Fleisch herstellen. Glutamat und Konsorten verleihen den meisten Fertiggerichten eine Vollmundigkeit, die sonst nur mit hochwertigen Rohstoffen und einer anspruchsvollen Verarbeitung zu erzielen wäre. Insofern dient der Zusatz der Täuschung unseres Gaumens. So kam der Zusatzstoff Glutamat in Verruf. Flugs entwickelte die Branche neuartige Hefeextrakte als Ersatz, High-Tech-Spezial-Produkte, die nicht mehr nach Hefe schmecken, sondern nur der Geschmacksverstärkung dienen.
Genau diese Geschmacksverstärker wurden dann mit der Aufschrift jetzt „ohne geschmacksverstärkende Zusatzstoffe“ den Lebensmitteln zugesetzt. Juristisch mag das korrekt sein, denn erst wenn man die Geschmacksverstärker aus dem Extrakt herausfischt, handelt es sich rein rechtlich um Zusatzstoffe. Mittlerweile wissen aber viele Kunden, dass Hefeextrakt schlicht Glutamat in grün ist und meiden wenn möglich auch solche Schummel-Produkte.
Die Industrie reagierte schnell. Sie offeriert prompt Produkte mit dem Slogan „ohne Hefeextrakt“ – und was kippt sie jetzt rein? Natürlich wieder das alte Glutamat, aber das deklariert sie nicht als Glutamat. Sie verbirgt ihre Geschmacksverstärker hinter dem Wörtchen „Aroma“. Würde die Industrie wahrhaftig deklarieren, würden trotzdem nicht weniger Lebensmittel gekauft. Es drängt sich der Eindruck auf, als ginge es ihr gar nicht um den Verkauf, sondern um das gute Gefühl, die blöden Kunden wieder einmal ausgetrickst zu haben.
Marke "Tarnen und Täuschen"
Die Website des Vereins lässt nichts unversucht, um diesen Verdacht zu bestätigen. In einer Stellungnahme mit dem Titel „Der verwirrende Streit um die Kennzeichnung von Hefeextrakt“ versucht sie noch extra Verwirrung zu stiften. Sie behauptet, praktisch alle Lebensmittel würden Glutamat enthalten. Stimmt. In vielen Lebensmitteln sind von Natur aus Spuren von Glutamat drin – daraus folgern sie: dann müssten ja alle Lebensmittel einen Hinweis auf Glutamat tragen.
Aber diese minimalen Mengen haben kaum Auswirkungen auf den Geschmack – denn sonst bräuchte man ja kein Extra-Glutamat und keinen Hefeextrakt. Mit der gleichen Logik könnte man auch die Deklaration eines Zuckerzusatzes in Marmeladen ablehnen, denn in Früchten ist ja von Natur aus Zucker drin. Oder bei Säften einen Wasserzusatz. Blöder geht’s nimmer. Sollte man wenigstens meinen.
Doch es geht! Unter der Floskel der Versachlichung der Diskussion ist auf der Website zu lesen, ein Ei enthielte 40 Mal mehr Glutaminsäure als ein Löffelchen Hefeextrakt. Das ist völlig irrelevant, weil Glutamat etwas anderes ist als ein Eiweiß, das Glutaminsäure enthält. Der Unterschied ist chemisch betrachtet genau der gleiche wie zwischen einem Döner und einem Stück Traubenzucker. Wahr wäre der Satz: Ein Teelöffel Hefeextrakt enthält 40 Mal mehr Glutamat als ein ganzer Karton voller Eier.
Mit diesen Spiegelfechtereien will die Branche nach eigenen Worten „zur Wertschätzung und zum Vertrauen der Verbraucher in Lebensmittel … beitragen“. Was kann man diesem Club der Marke „Tarnen und Täuschen“ noch glauben? Statt dem verquasten Motto „Weil Essen Gesellschaft ist“ wäre die Sentenz "Mundus vult decipi, ergo decipiatur" wohl passender – frei übersetzt: Die Welt will verarscht werden, also bescheißen wir sie. Mahlzeit!
Literatur: www.die-lebensmittelwirtschaft.de