IS in den Sozialen Medien

"Das Ziel ist die Rekrutierung"

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IT-Spezialist von der Freien Universität Berlin Sandro Gaycken © picture alliance / dpa / Open Source Press
Sandro Gaycken im Gespräch mit Christine Watty |
Der sogenannte Islamische Staat beherrscht auch die Bespielung des Internets, jetzt tauchte ein Soziales Netzwerk auf, das mit der Gruppe in Verbindung gebracht wird. Sicherheitsforscher Sandro Gaycken erklärt, warum der IS sein eigenes Facebook gründet.
Christine Watty Dass der sogenannte Islamische Staat die Bespielung des Internets ganz gut beherrscht, dass mussten wir schon mit den weltweit verbreiteten Enthauptungsvideos über YouTube erleben. Jetzt taucht im Netz ein soziales Netzwerk auf, das mit der Gruppe in Verbindung gebracht wird, mindestens aber von Sympathisanten der IS-Idee gestaltet wurde.
Das Ganze ist schon wieder offline, um die - wie es auf der Seite heißt - Sicherheit der Mitglieder zu beschützen. Technik- und Sicherheitsforscher Sandro Gaycken, wir fragen Sie dennoch: Wozu hat der Islamische Staat, wie sich die Gruppe nennt, oder eben eine Anhängervereinigung eigentlich ein eigenes soziales Netzwerk, ein eigenes Facebook?
Sandro Gaycken: Man braucht Propaganda und Rekrutierung ganz stark in diesem Feld, und dann nutzt man schon immer gerne Soziale Medien, eigentlich alle Sektoren, die sich so bieten. Oft werden die dann halt relativ schnell abgeschaltet oder angegriffen, sodass da relativ viel Wandel drin ist. Aber da bemüht man sich halt, seine Nachricht nach draußen zu kriegen, mehr Anhänger zu gewinnen, eventuell auch Einzelne zu radikalen Taten anzustiften und solche Dinge zu tun.
Watty Ich habe so ein bisschen unklar formuliert, denn dieses Netzwerk wurde sofort dem Islamischen Staat, dem sogenannten Islamischen Staat zugesprochen, auf der Seite aber heißt es nun, wir sind unabhängig, wir sind nicht gesponsert vom IS, verfolgen aber offenbar, so scheint es, ähnliche Ziele. Weiß man denn, wer hinter diesem sozialen Netzwerk eigentlich steht?
Gaycken: Nein, das weiß man nicht. Das ist natürlich auch immer schwierig herauszufinden, normalerweise muss man da richtig ermitteln, wenn man es nicht irgendwie klar sehen kann. Und auch dann ist es oft recht schwierig herauszufinden, ob das vielleicht über eine dritte, vierte Gruppe dann doch der IS ist oder nicht.
Watty Inzwischen ist es wieder offline, zur Sicherheit der Mitglieder. Das wundert einen so ein bisschen, denn die Idee, eine Art Facebook zu betreiben, ist ja schon keine sichere Idee. Also, warten die Verfassungsschützer nicht genau auf so eine Chance?
Betreiber machen es den Ermittlern nicht leicht
Gaycken: Ja, natürlich. Ich meine, die Ermittler sind natürlich gerade in diesem Bereich sehr umtriebig, das ist also so eine Seite, da kann man öffentlich rein und öffentlich ran, ohne dass man jetzt V-Männer einschleusen muss oder nach Syrien reisen muss. Und von daher ist es natürlich weltweit schon immer so, dass die Ermittler in diesem Bereich dieser ganzen Terrorwebseiten sehr regelmäßig scannen oder Teil sind in den Foren, versuchen, da weiter vorzudringen, herauszufinden, wer das ist. Das wissen die Betreiber allerdings auch und die machen es natürlich den Ermittlern nicht leicht.
Watty Das heißt, sie verschlüsseln Kommunikation, oder wie gehen die da vor?
Gaycken: Da gibt es sehr viele verschiedene Wege, die haben viele eigene Verschlüsselungen zum Beispiel, arbeiten natürlich viel mit Anonymität, Pseudonymität, aus irgendwelchen Internetcafés, wo sie dann relativ schnell wieder abhauen, über verschiedene Staaten, die das nicht so genau verfolgen, da gibt es eine ganze Reihe von Tricks.
Watty Geht es denn bei so einem Sozialen Netzwerk, wie es jetzt entstanden sein könnte, vor allem um den Austausch, den Sie erwähnt haben, oder auch die Online-Rekrutierung?
Gaycken: Normalerweise ist das letztendliche Ziel immer die Rekrutierung. Man tut natürlich so, als wäre man erst mal nur interessiert an einem Austausch oder an irgendwelchen anderen Sachen, die oberflächlich ganz harmlos klingen, damit man nicht gleich wieder vom Radar verschwindet. Aber das harte Ziel im Hintergrund ist natürlich meist, dass man Leute anwirbt für den Krieg oder für Attentate.
Watty Welche Rolle spielt denn diese Art der Online-Rekrutierung? Also auch über die normalen - in Anführungszeichen - oder uns bekannten Sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter derzeit?
Mehr Rekrutierung auf klassischen Wegen
Gaycken: In der Vergangenheit war das teilweise sehr effektiv, ist aber irgendwie immer so ein bisschen in Phasen. Im Moment scheint das nicht so effektiv zu sein, da gibt es wieder mehr Rekrutierung auf ganz klassischen Wegen, wo man dann versucht, über Gemeindezentren und solche Dinge mehr Leute zu identifizieren und anzuwerben. Aber man hofft natürlich auch, dass man auf diesem Weg noch ein paar Kämpfer bekommt, und vor allem hofft man darauf, dass man halt Einzeltäter radikalisieren kann, die dann halt eben völlig unorganisiert als spontane Fälle zu Attentaten übergehen.
Watty Es war zu lesen, dass dieses soziale Netzwerk technisch nicht besonders gut gelöst war. Woran mag das liegen? Man weiß, dass zumindest im Islamischen Staat jede Menge Geld vorhanden sein soll, und wundert sich dann doch, dass so eine technische Lösung da nicht ganz besonders gut durchdacht ist!
Gaycken: Ja, das Geld fließt natürlich nicht frei durch die Gegend. Wenn das also eine Zelle war, die jetzt wirklich nur Unterstützung machen wollte, dann haben die natürlich nicht unmittelbar Zugriff auf diese Kernkonten des IS. Die werden das Geld auch im Moment lieber für andere Dinge ausgeben, glaube ich, in der schwierigen militärischen Situation, in der die sich befinden. Aber generell ist es so, dass diese Terrornetzwerke teilweise über gute Fähigkeiten verfügen, wenn es zum Beispiel um Verschlüsselung geht. Da gibt es also organisierte Mechanismen und Teams und Professionalität im Hintergrund, die teilweise sicherlich auch gekauft ist einfach, andererseits aber halt eben abhängig davon, wer das betreibt. Das ist auch immer wieder recht amateurhaft.
Watty Im Internet taucht ein soziales Netzwerk auf, das dem sogenannten Islamischen Staat zugeschrieben wird, aber von sich selbst behauptet, dass es damit nichts zu tun hat, aber offenbar ähnliche Ziele verfolgt.
Danke schön an den Technik- und Sicherheitsforscher Sandro Gaycken für dieses Gespräch in "Kompressor" im Deutschlandradio Kultur!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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