„Die Scharia wird dort wieder angewendet“
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Im nordsyrischen Flüchtlingscamp Al-Hawl ist die Lage außer Kontrolle geraten, warnt der Kriegsfotograf Sebastian Backhaus. Dort herrsche der IS und nicht einmal mehr die kurdischen Sicherheitskräfte trauten sich ins Camp.
Im Nordosten Syriens hat sich "eine Art IS 2.0" gebildet, warnt der Fotojournalist Sebastian Backhaus, der gerade im Auftrag der Zeitung "Die Welt" in der Region war. Etwa im Flüchtlingslager Al-Hawl, in dem Backhaus zufolge mehr als 60.000 Menschen untergebracht sind, die meisten davon Frauen und Kinder.
"Der IS beherrscht dieses Camp", sagt der Fotograf. "Selbst die kurdischen Sicherheitskräfte, die dieses Camp betreiben und bewachen, trauen sich nicht mehr hinein, nur noch in großangelegten Razzien."
Da es im Lager so gut wie keine männlichen Führungsfiguren des IS gebe, hätten Frauen übernommen und würden die Regeln der Dschihadisten durchsetzen: "Die Scharia wird dort wieder an improvisierten Gerichten angewendet", sagt Backhaus. "Dort werden dann Hände und Arme und Beine gebrochen, anstatt sie abzuhacken. Das ist die Lightversion, die dort gerade möglich ist. So absurd das auch klingt."
Morde im Camp
Immer wieder komme es in Al-Hawl zu Morden, betont Backhaus. So habe es nach Angaben der Selbstverwaltung der Region in den letzten drei Monaten 40 Tote gegeben: "Es ist völlig außer Kontrolle geraten."
Auch im weiter südlich gelegenen Deir ez-Zor werde der IS stärker, berichtet der Fotograf: "Dort bilden sich immer mehr IS-Schläferzellen." Als Wüstengebiet liefere die Region ideale Verstecke, zudem unterstützten auch Teil der lokalen Bevölkerung das neue Erwachen des IS.
Die internationale Gemeinschaft tue hier nicht genug, beklagt Backhaus. "Das sieht man ja schon allein an dem Punkt, dass die deutschen Behörden die deutschen Staatsbürger, die dort in diesem Gebiet jetzt leben und die dem IS angehörig waren, nicht zurückholen, oder nur mit sehr wenigen Ausnahmen."
(uko)