Isabela Figueiredo: "Roter Staub"

Der Vater als Rassist und Kolonialherr

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Coverabbildung von Isabel Figueiredos Roman "Roter Staub".
In Portugal in kleiner Mann, in der Kolonie ein Mann mit Macht: Isabel Figueiredos "Roter Staub" erzählt die Geschichte ihres Vaters. © Coverabbildung: Weidle-Verlag
Von Birgit Koß |
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In "Roter Staub" verarbeitet Isabela Figueiredo das brutale Wirken ihres Vaters während der Kolonialzeit in Mosambik. Der Roman wurde in Portugal zum Bestseller und räumte mit der Mär von der sanften portugiesischen Kolonialherrschaft auf.
Als "Roter Staub" 2009 in Portugal erschien, rief das Buch ein breites Echo hervor, das von großer Begeisterung bis zu vehementer Ablehnung reichte. Der Bestseller zerstörte die Legende von der "sanften" portugiesischen Kolonialherrschaft in Mosambik.
Im Zentrum der Geschichte steht der Vater der Autorin. Er war in den 50er-Jahren den ärmlichen Verhältnissen in Portugal entflohen und fühlte sich in Mosambik wie im Paradies. Als Elektriker befehligt er seine Gruppe schwarzer Arbeiter in Lourenco Marques, wie das heutige Maputo damals hieß.

Schwarze Frauen als Sexualobjekte

Einerseits steht er mit ihnen auf ganz vertrautem Fuß, andererseits lebt er seine Macht und Überlegenheit auch mit körperlichen Züchtigungen aus. Schwarze Frauen sieht er als jederzeit verfügbare Sexualobjekte an. Dagegen ist seine Ehefrau verhärmt und freudlos, spricht ewig Verbote gegenüber der Tochter aus und steht farblos im Hintergrund.
Isabela ist eine Vater-Tochter. Sie bewundert ihn, fährt am Sonntag mit ihm im großen Auto in die Stadt und lässt sich von ihm verwöhnen. Und doch spürt sie schon als Kind, dass das Ausspielen seiner Macht Unrecht ist. Sie stellt sich Fragen, auf die sie erst später als Autorin Antworten findet. Gleichzeitig ist sie auf der Suche nach ihrem eignen Weg zum Erwachsenwerden.
Mit der Nelkenrevolution 1974 in Portugal und dem Befreiungskampf in Mosambik bricht das Kolonialgebilde zusammen. 1975 wird Isabela als 12-Jährige zu ihrer verarmten Großmutter nach Portugal geschickt. Ihre Eltern folgen ihr erst 10 Jahre später. Als wenig geliebt "Retonados" fühlen sie sich für den Rest ihres Lebens heimatlos.

Tragischer Schmerz der enttäuschten Kinderliebe

Jahrelang führte Isabel Figueiredo ein "Heft der Erinnerungen", in dem sie nicht nur Begebenheiten aus ihrer Kindheit, sondern auch die koloniale Sprache notierte. Doch erst nach dem Tod ihres Vaters hat sie ihre Notizen weiter bearbeitet und veröffentlicht. Sie wollte ihren Vater, der für sie nur das Beste wollte und darauf gedrungen hat, dass sie eine gute Ausbildung bekommt und auf eigenen Füßen stehen kann, nicht verletzen. Und doch ist er nun durch ihre Analyse zu ihrem Feind geworden. Deutlich lässt sie in ihrem Text den tragischen Schmerz der enttäuschten Kinderliebe durchscheinen.
Isabela Figueiredo erzählt ihre Geschichte mit einer drastischen, verstörenden Wortwahl. In ihrem Text wimmelt es nur so von politisch unkorrekten Ausdrücken. Aus der kindlichen Perspektive beschreibt sie den rassistischen, menschenverachtenden Sprachgebrauch so, wie sie ihn tagtäglich gehört hat.
Es gelingt der Autorin damit, die brutale, bedrückende Atmosphäre nachvollziehbar zu machen, die das Zusammenleben in der Kolonie geprägt hat. Gekonnt verknüpft sie die beiden Handlungsebenen – ihre Kindheit und das Leben der Zurückgekehrten. Es ist der Verdienst dieses Buches zu zeigen, wie real und brutal die koloniale Machtausübung bis zum Schluss war und wie präsent Rassismus bis zum heutigen Tage ist.

Isabela Figueiredo: "Roter Staub. Mosambik am Ende der Kolonialzeit"
Aus dem Portugiesischen von Markus Sahr
Weidle Verlag, Bonn 2020
170 Seiten, 23 Euro

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