Isabelle M. Mansuy, Jean-Michel Gurret, Alix Lefief-Delcourt: "Wir können unsere Gene steuern. Die Chancen der Epigenetik für ein gesundes und glückliches Leben"
Aus dem Französischen von Martin Zwilling
Berlin Verlag, Berlin 2020
430 Seiten, 26 Euro
Wie die Umwelt unser Erbgut beeinflusst
05:09 Minuten
Neurowissenschaftlerin Isabelle Mansuy hat mit "Wir können unsere Gene steuern" einen faktenreichen Überblick zur Epigenetik vorgelegt. Ihr wissen reicht sie zudem als Ratschläge weiter, wie man seine Zellen schützen kann.
Unsere Umwelt, was wir erleben, wie wir uns ernähren, diese Einflüsse prägen nicht nur unsere eigene Gesundheit und unseren Charakter, wir vererben diese Einflüsse auch an unsere Nachkommen weiter. Die Wissenschaft der Epigenetik liefert dazu viele Erkenntnisse und bringt so auch gesichert geglaubtes Wissen ins Wanken.
Neueste Forschungsergebnisse
Die Neurowissenschaftlerin Isabelle Mansuy verknüpft in ihrem Buch neueste Forschungsergebnisse aus der Epigenetik mit Ratschlägen für ein gesünderes und glücklicheres Leben. Obwohl sie sich mit dem Psychotherapeuten Jean-Michel Gurret und der Journalistin Alix Lefief-Delcourt zusammengetan hat, ist es sehr sachlich gehalten und kommt leider nicht ohne zahlreiche Fachbegriffe aus.
Zwei Drittel des Buches referiert Mansuy den aktuellen Forschungsstand. Ausführlich beschreibt sie, welche biochemischen Mechanismen die Aktivität unserer Gene steuern und wie Faktoren aus der Umwelt unsere DNA beeinflussen können.
So wirkte sich eine Hungersnot in den Niederlanden nicht nur auf die Gesundheit der Betroffenen aus, sondern auch auf deren Kinder und Enkel. Auch traumatische Erlebnisse, wie die Terroranschläge vom 11. September 2001, hinterlassen biologische Spuren in den Zellen der Überlebenden und ihrer Nachkommen.
Von Mäusen und Menschen
Einige biochemische Einflüsse sind inzwischen im Detail erforscht, andere sind nach wie vor rätselhaft. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang sind Versuche mit Mäusen und Ratten, die im Labor besonderen Stresssituationen ausgesetzt wurden.
Wenn zum Beispiel kleine Mäuse von ihrer Mutter getrennt werden, ändert sich die Aktivität ihrer Gene und die Mäuse werden stressanfällig. Das hat erhebliche Auswirkungen auf ihre Gesundheit wie auch auf die Nachkommen. Sie werden stressempfindlicher und gehen mehr Risiken ein.
Obwohl Mansuy selbst viele Tierversuche zur Epigenetik durchgeführt hat, fehlt dem Buch jede persönliche Schilderung. Die Autorin bleibt durchweg distanziert, formuliert vorsichtig und erwähnt auch die kontroversen Debatten unter Forschenden kaum, die zum Thema Epigenetik immer wieder aufflammen. So fehlt der Blick hinter die Kulissen. Dabei sorgten gerade Mansuys Ergebnisse selbst in der Fachwelt immer wieder für Gesprächsstoff.
Praktische Hinweise
Im letzten Drittel wird das Buch zum Ratgeber. Die praktischen Hinweise sind verständlich und hilfreich, wenn auch wenig überraschend. Wer die Epigenetik seiner Zellen schützen möchte, sollte Tabak, Alkohol, Drogen und Pestizide meiden.
Eine zum großen Teil pflanzliche Ernährung und ausreichend Bewegung nützt der Epigenetik und damit der Gesundheit. Auch Meditation, Psychotherapie oder das Hören von Musik haben Wirkung auf die Aktivität der Gene und gehören somit zu den Umweltfaktoren, die die Epigenetik positiv beeinflussen.
Mansuy greift eines der wichtigsten Wissenschaftsthemen unserer Zeit auf. Wer bereit ist, auch schwierigere Passagen dieses faktenreichen Buches zu lesen, erfährt viel über das Zusammenwirken von Erbgut und Umwelt.
Mithilfe ihrer Co-Autoren geht Mansuy zwar auf die Bedeutung dieser Forschung für den Alltag ein; dennoch wäre eine unterhaltsamere Umsetzung des Themas möglich gewesen. So wie es Peter Spork bereits 2009 gelungen ist: "Der zweite Code" liegt als Taschenbuch in sechster Auflage vor.