Komponist zwischen Nord- und Südkorea
Er begehrte auf gegen die Diktatur in Südkorea – und wurde dafür von Nordkorea gefeiert. Dabei wollte Isang Yun gar keine politische Musik schreiben, sondern sich nur für Menschlichkeit, Frieden und die Wiedervereinigung des geteilten Landes einsetzen.
„Ich war so ratlos, wie ich dieses Ereignis in meiner Musik irgendwie zum Ausdruck bringen konnte. Ich habe strikt abgelehnt, diese nackte Realität in Musik umzusetzen, aber auf die Dauer ging es nicht.“
Isang Yun wollte keine politische Musik schreiben. Zu schmerzhaft war die Erinnerung. Zu real, der Nachklang der Gefangenschaft. Yun lebt in West–Berlin, als ihn der Südkoreanische Geheimdienst nach Seoul verschleppt. Erst der internationale Erfolg, dann die Kehrtwende. Isang Yun wird zum prominenten Spielball politischer Verstrickungen. Ihm wird unterstellt, als Spion für Nordkorea tätig zu sein. Das Urteil lautet Lebenslang. Folter. Haft. Unerträgliche Kälte im Winter Südkoreas.
„Durch Noten komme ich in eine andere Welt, durch Musik. Und das war für mich errettende Momente gewesen, wenn ich komponiere.“
Zwei lange Jahre. Dann kommt Yun dank internationaler Proteste frei. Zurück in Deutschland, beginnt er die traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten. In seinem Cellokonzert wird die Unaussprechlichkeit schonungslos erfahrbar.
Eine Stimme für die Menschlichkeit
„Ich habe doch langsam erkannt, dass ich ein Opfer bin. Und die Welt ist so grauenhaft und ein Musiker kann auch jederzeit Opfer sein und er muss die Missstände von der Gesellschaft und der ganzen Welt sehen und so, ganz natürlich von mir aus von Herz aus gewachsen, eine Stimme für die Menschlichkeit.“
Isang Yun wächst im Süden Koreas auf. Sein musikalisches Denken nährt sich an den Traditionen Südostasiens. Ein Kulturpreis ermöglicht ihm das Studium in Europa. Yun zieht nach Berlin und entdeckt, durch den Schönberg–Schüler Josef Rufer, das Prinzip der Zwölftontechnik.
Musik als Form. Als berechnetes Konstrukt. Das passt nicht in die asiatische Vorstellung einer Musik, die natürlich und aus sich selbst erwächst.
Yun orientiert sich an dem lebendigen Ton. Einem Ton als Mikrokosmos, der sich auffächert und in fließender Bewegung neue Klangflächen umspielt. Alles steht unter der Obhut des Taos. Dem Sein und dem Nichtsein. Der Verschmelzung und dem Widerspruch.
„Atonalität, Tonalität, die beiden sind für mich auffassbar Yang und Yin. Zwei Elemente.“
Den Gegenpol findet Yun in der radikalen Moderne. In der experimentellen Musik der westlichen Avantgarde. Was auf den ersten Blick entfremdet wirkt, erklingt im nächsten Moment in organischem Zusammenhang. Yun setzt chinesisch–koreanische Hofmusik in das architektonische Gerüst einer rationalen Komposition.
Wunsch nach Frieden und Wiedervereinigung
Nach seiner Entführung stehen Yuns Kompositionen in einem veränderten Kontext. Sie spiegeln das Drängen auf Wiedervereinigung und den innigen Wunsch nach Frieden in seiner Heimat. Bis zu seinem Tod kehrt Yun nie wieder nach Südkorea zurück. Noch lange gilt er als Persona non grata, seine Musik als Tabu. Nordkorea dagegen, feiert ihn als Künstlerpersönlichkeit und widmet ihm ein eigenes Festival.
Fast scheint es, als bliebe Yun nichts anderes übrig, als seine Musik der Situation anzupassen und in ein politisches Licht zu rücken. In fünf Symphonien entwirft er dystopische Szenarien, die der heutigen Realität scheinbar immer näher rücken. Die erste Symphonie beschreibt das Chaos einer atomaren Katastrophe. Eine Horrorvision der Zerstörung. Keine Verharmlosung.
Isang Yun verwendet Musik als Sprachrohr. Dahinter steht der Appell an Humanität. Eine Musik für Menschlichkeit.
„Also heute, wir dürfen nicht nur Asiaten sein oder Europäer sein. Die Welt bewegt sich alles zusammen.“