Islam in Deutschland

Die doch nicht ganz so Guten?

Mehrere Ausgaben des Schulbuches "Mein Islambuch" liegen an der Henri-Dunant-Schule in Frankfurt (Hessen) auf einem Tisch.
Mehrere Ausgaben des Schulbuches "Mein Islambuch" liegen an der Henri-Dunant-Schule in Frankfurt (Hessen) auf einem Tisch. © dpa / picture alliance / Roland Holschneider
Von Ludger Fittkau |
Rund 35.000 Mitglieder hat die Ahmadiyya-Gemeinschaft in Deutschland. Die Ahmadiyya werden in ihrem Herkunftsland Pakistan verfolgt. In Deutschland ist die religiöse Gruppe anerkannt. Doch einige Politiker und Theologen zweifeln an deren gutem Ruf.
Ein Gewerbegebiet am Stadtrand von Frankfurt am Main. Ein schlichter Funktionsbau, die Deutschlandzentrale der islamischen Religionsgemeinschaft "Amadiyya Muslim Jamaat". Schon auf dem Bürgersteig vor dem Gelände stehen zwei freundliche junge Männer. Sie weisen den Weg in den Raum, wo eine Pressekonferenz von Abdullah Uwe Wagishauser stattfindet. Wagishauser ist der Vorsitzende der Amadiyyah-Gemeinschaft in Deutschland. Er spricht über die Vorwürfe, die "ARD-Report Mainz" und der "Spiegel" unlängst gegen seine Organisation erhoben hatten:
"Es wird behauptet, die Asylbewerber seien eine große Einkommensquelle für die Gemeinde. Der Hauptvorwurf ist, dass die Ahmadiyya Musalim Jamaat von den Asylbewerbern für die Ausstellung von Mitgliedsbescheinigungen Geld erpressen würde. Es wird im Spiegel-Artikel ebenfalls behauptet, einige Personen im Umfeld der Ahmadiyya würden Menschen dazu anstiften, nach Deutschland zu flüchten. Es wird auch vorgeworfen, dass zahlreiche Pakistaner vortäuschen, zur Ahmadiyya Muslim Jamaat konvertiert zu sein, um in Deutschland Asyl zu erhalten."
Die Ahmadiyya Muslim Jamaat weist diese Vorwürfe scharf zurück und verweist darauf, dass aktuell keine staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Mitglieder der Gemeinschaft laufen. Das Bundesamt für Migration überprüft allerdings die Vorwürfe im Zusammenhang mit den zurzeit etwa 1000 Asylverfahren, in denen sich Ahmadiyya-Mitglieder in Deutschland befinden. Doch unabhängig von juristischen Bewertungen des Umgangs der Ahmadiyya-Gemeinschaft mit Asylbewerbern mahnen Politikerinnen und Theologen einen kritischeren Blick auf die Organisation an als bisher.
Die Ahmadiyya-Gemeinschaft agiert sehr missionarisch
Etwa Lale Akgün, ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und heutige Mitarbeiterin der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen.
"Man hat ja so ein Bild aufgebaut – die Ahmadiyya sind die Guten. Das ist sozusagen gesellschaftlich festgelegt. Und jetzt auf einmal merkt man, da läuft nicht alles so richtig. Und dann müssten sie sagen: Es sind doch nicht so ganz die Guten. Und das würde zum Imageverlust der Ahmadiyya führen, aber auch der Politik."
Es ist eine Politik, die etwa in Hessen die Ahmadiyya-Gemeinschaft als Partner für die Ausbildung islamischer Religionslehrer an staatlichen Schulen gewählt habe, ohne die strikte Geschlechtertrennung und das streng-konservative Frauenbild der Ahmadiyya-Gemeinschaft als Hinderungsgrund zu sehen. So sieht es Samina Khan. Sie ist Abgeordnete der Linkspartei im Kreistag von Offenbach mit pakistanischem Familienhintergrund. Samina Khan beschäftigt sich schon seit Längerem kritisch mit dem Frauenbild der Ahmadiyya-Gemeinschaft – etwa der strikten Geschlechtertrennung:
"Sicherlich hat jede Religion ihre Wertvorstellungen. Aber wenn man sich überlegt, dass die Ahmadiyya hier in Deutschland im öffentlichen Dialog steht und dann aber die rückständigste Sicht des Islams als normal vermitteln möchte für auch die anderen Muslime oder die 'Mainstream-Muslime', dann glaube ich, dass das sehr problematisch ist."
Tatsächlich sei die Ahmadiyya-Gemeinschaft sehr missionarisch, beobachtet auch der Theologe Friedmann Eißler von der Zentralstelle für Weltanschauungsfragen der EKD. Die strengen Regeln der Gemeinschaft sollen dabei grundsätzlich nicht nur für Muslime, sondern auch für andere Menschen gelten. Das gelte auch für die gesellschaftliche Rolle der Frau, so Eißler:
"Die Verschleierung etwa der Frau, das Kopftuch, wird als göttliches Gesetz bezeichnet. Auch als Demonstration des muslimischen Glaubens in der freizügigen Gesellschaft. Eine verschleierte Frau hindere ihre männliche Umwelt daran, vom männlichen Weg abzukommen - und ähnliche Dinge sind in den Schriften der Ahmadiyya zu lesen und auch in der Praxis dann eben zu sehen. Das heißt, dass die Männer als Beschützer der Frauen gelten, wie es im Koran steht. Und dass sie – wenn auch leicht - gezüchtigt werden können, wie es auch im Koran steht. All dieses wird festgehalten und auch in Schriften heute verbreitet."
Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau soll vermittelt werden
Drei Lehrer arbeiten zurzeit an hessischen Staatsschulen, die eine Lehrbefugnis der Ahmadiyya-Gemeinschaft haben, sagt Stefan Löwer, der Sprecher des hessischen Kultusministeriums. Diese Lehrer, die schon unterrichtet hätten, bevor sie auch zusätzlich den islamischen Religionsunterricht übernommen haben, seien durch die Curricula verpflichtet, die im Grundgesetz festgelegte Gleichberechtigung von Mann und Frau zu vermitteln:
"Dazu gehört natürlich auch ein Frauenbild, wie es in unserer Gesellschaft üblich ist."
Samina Khan, die Linken-Abgeordnete im Kreistag von Offenbach fordert Behörden und Politik in Hessen jedoch auf, künftig genauer hinzuschauen, welche Inhalte etwa an der eigenen Hochschule der Ahmadiyya-Gemeinschaft in südhessischen Riedstadt vermittelt werden. Es komme zwar bei den islamischen Religionslehrern an staatlichen Schulen noch eine staatliche Aus- oder Weiterbildung hinzu. Aber die grundlegenden Prägungen bekomme der theologische Nachwuchs der Ahmadiyya schon in sehr jungem Alter, so Samina Khan:
"Man muss sich das sehr genau angucken, denn es ist eine wachsende Gemeinde, es ist eine Gemeinde, die einen sehr guten Ruf nach außen hin hat. Und ich denke, dass wie bei jeder anderen Religionsgemeinschaft genauer hingeschaut werden muss, wenn sie eine Körperschaft ist. Bei der katholischen Kirche macht man das auch, also muss man das bei der Ahmadiyya auch machen. Wer kontrolliert da, wer schaut genau hin, was in der Ahmadiyya passiert? Das ist für mich eine ganz wichtige Frage."
Eine Frage, die ganz ähnlich auch der Theologe Friedmann Eißler von der Zentralstelle für Weltanschauungsfragen der EKD aufwirft. Nicht nur im Hinblick auf die theologische Ausbildungsstätte der deutschen Amadiyya-Bewegung im südhessischen Riedstadt:
"Dieses Institut für islamische Theologie und Sprachen intendiert zunächst einmal die Ausbildung von Imamen. Das heißt, da sind männliche Studierende, die dann in den Gemeinden Imame werden sollen. Das ist zunächst einmal zu unterscheiden von den Religionslehrenden an den Schulen. An den Schulen läuft es natürlich nach den staatlichen Curricula, und das sind auch staatlich geprüfte Lehrer. Das ist alles schon nochmal deutlich zu unterscheiden. Aber ich denke, es ist schon sinnvoll, dass hier ein Diskurs mit der Mehrheitsgesellschaft stattfindet auch über die Inhalte, die in Riedstatt stattfinden und auch an anderen Orten, damit hier auch eine Öffnung stattfinden kann."
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