Islamdebatte

Wer anders denkt, ist verdächtig

Islam in einem alten deutsch-englischen Wörterbuch
Autor Eren Güvercin kritisiert die Denunziation in der Islamdebatte. © imago / Steinach
Von Eren Güvercin · 02.02.2018
Bei Debatten über den Islam gebe es bei Befürwortern wie Gegnern einen Typus des Denunzianten, dem es nicht um einen Austausch der Argumente gehe, meint der Autor Eren Güvercin. Sondern: unliebsame Debattenteilnehmer aus dem Diskurs zu drängen.
Wenn man sich hin und wieder als ein in Deutschland lebender Muslim bei den Diskussionen über "den Islam" oder "die Muslime" zu Wort meldet, ist man anfangs etwas überrascht über die Vehemenz der Reaktionen bestimmter Akteure. Aber im Laufe der Zeit bekommt man ein Gefühl dafür. Man geht viel nüchterner und gelassener mit diesen Reaktionen um.

Es geht gar nicht um eine Debatte

Man bekommt ein Gefühl dafür, wann man es mit einem bestimmten Typus zu tun hat, der alles Erdenkliche dafür tut, dass es überhaupt nicht zu einer Debatte kommt. Zumindest zu keiner, die diesen Namen verdienen würde. Denn oft geht es nicht um irgendwelche Inhalte. Vielmehr wird man als Debattenteilnehmer schnell in eine Schublade gesteckt, wenn das Gesagte nicht in das vorgefertigte Muster passt.
Es gibt sowohl auf muslimischer als auch nichtmuslimischer Seite einen Typus des Denunzianten, dem es nicht um einen Austausch oder einen Wettstreit der Argumente geht. Es geht lediglich um Denunziation, Verleumdung und Diskreditierung. Und die Anzahl dieser Akteure nimmt immer mehr zu. Sie agieren manchmal öffentlich, aber sehr oft aus einer Halböffentlichkeit heraus und mit dem Mittel der stillen Post.
Sie sammeln in Stasi-Manier etwa Screenshots aus den sozialen Medien, mit wem man auf Bildern gemeinsam zu sehen ist, wo man Vorträge gehalten hat. Sie sammeln so lange Material, bis sie genug vermeintlich belastendes Material zusammen haben, um dann aus einer wilden und zusammenhanglosen Collage mit einer großzügigen Portion Phantasie einen Verdacht in die Welt zu setzen.

Belastungsmaterial bestand aus Screenshots

Diese Form der Denunziation hat manchmal auch handfeste Folgen. Vor einiger Zeit war ich als Diskutant von einem Zürcher Theater eingeladen worden. Eine Woche vor der Veranstaltung verschwand plötzlich die Veranstaltungsankündigung von der Webseite des Veranstalters.
Später stellte sich heraus, dass eine Islamkritikerin, die ich bis dahin nicht kannte, hinter den Kulissen meine Ausladung forcierte. Das "Belastungsmaterial" bestand aus Screenshots einer Hobby-Bloggerin, die sich "Islamismusexpertin" nennt. Ein, zwei zusammenhanglose Screenshots reichten aus, um den Veranstalter zu verunsichern. Zahlreiche Publikationen meinerseits zum Thema der Veranstaltung waren plötzlich Schall und Rauch.
Und ich als Betroffener wurde erst gar nicht damit konfrontiert, sondern panikartig wurde erst einmal die Veranstaltungsankündigung offline gestellt, und stattdessen die Denunziantin eingeladen. Es hat einige Mühen gekostet, bis dann später vom Veranstalter eingesehen wurde, wie absurd diese Aktion war und eine Entschuldigung folgte.
Nur oft kommen diese Panikmacher mit diesen Machenschaften durch, weil man erst viel später davon oder oft auch nie davon erfährt.
Auch manche Politiker und Medien sind empfänglich für diese Assoziationslogik. Auf dem ersten Blick erscheint alles plausibel. Und schon wittert man die nächste heiße Story. Diese Panikmacher bezwecken aber nur eins: unliebsame Debattenteilnehmer aus dem Diskurs drängen. Deswegen kommen diese Akteure auch nie auf die Idee, Betroffene mit unangenehmen Fragen zu konfrontieren.

Verbale Heckenschützen

Auch in der muslimischen Community gibt es diesen Typus des verbalen Heckenschützen. Wenn man als gläubiger Muslim zum Beispiel das Thema Antisemitismus unter Muslimen anspricht, läuft man sehr schnell Gefahr, hinter den Kulissen als "pro-zionistisch" gelabelt zu werden. Damit wollen sie ähnlich wie ihre nichtmuslimischen Gesinnungsgenossen erreichen, dass man als Betroffener dieser Kampagne aus der Community ausgegrenzt wird.
Diesen Denunzianten sowohl auf muslimischer als auch auf nichtmuslimischer Seite geht es eben nicht um einen ehrlichen, und wenn nötig kritischen und kontroversen Diskurs über wichtige Themen in unserer Gesellschaft, auch wenn sie ständig von Dialog, Debatte und Diskurs reden. Nur wer so denkt wie ich, ist unverdächtig. Das ist ihr Credo.
Alle anderen sind latent islamistisch bzw. nicht mehr Teil der Community und vom wahren Weg abgekommen. Ob Muslim oder Nichtmuslim, man sollte zuerst nachdenken und direkt die Personen mit Fragen konfrontieren, bevor man eifrig Menschen öffentlich oder aus der Deckung heraus diskreditiert und verleumdet. Damit tun wir unserer Gesellschaft keinen Gefallen. Darüber freuen sich nur die Falschen.

Eren Güvercin ist freier Journalist und Autor. Er schrieb unter anderem das Buch "Neo-Moslems - Porträt einer deutschen Generation". Er ist Gründungs- und Vorstandmitglied der Alhambra Gesellschaft e.V.


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