"Pegida ist nicht speziell anti-islamisch"
Eine Konferenz in Osnabrück befasst sich seit Donnerstag mit Islamfeindlichkeit in Deutschland und Europa. Dabei werde unterstellt, dass jeder Kritiker des Islamismus ein Gegner des Islam sei, kritisiert der Politikwissenschaftler Clemens Heni.
Ist jeder Kritiker des Islamismus ein "Islamfeind?" Nein, meint der Politikwissenschaftler Clemens Heni, Gründer und Direktor des Berlin Center for the Study of Antisemitism. Genau das unterstelle aber die internationale Konferenz "Antimuslimischer Rassismus und Islamfeindlichkeit in Deutschland und Europa", die ab Donnerstag an der Universität Osnabrück stattfindet.
"Es gibt keine spezielle Islamfeindlichkeit"
Man müsse differenzieren zwischen dem Islam als Religion und dem "problematischen, ideologischen Gehalt des Islamismus, den man bekämpfen muss auf allen Ebenen", sagt der Politikwissenschaftler. "Und da gibt es nicht nur den Dschihad, sondern auch den sogenannten legalen Islamismus, also die Muslimbrüder, Islamrat in Deutschland, da gibt es verschiedene Organisationen, die auf legale Weise Scharia implementieren wollen."
Auch sei Pegida keine speziell anti-islamische Bewegung, sondern eine, die grundsätzlich rassistisch und völkisch sei. Pegida wende sich nicht nur gegen Muslime, sondern gegen alle Flüchtlinge, betont Heni.
"Das wird beispielsweise bei der Konferenz in Osnabrück, denke ich, fälschlicherweise so eingeordnet, als ob es eine spezifische Islamfeindlichkeit geben würde, wo ich denke, das gibt es nicht."
Das Interview im Wortlaut:
Nana Brink: Es ist gerade nicht leicht, nüchtern über das zu reden, über das wir natürlich reden müssen, nämlich die Rolle des Islams und die Rolle, die er in vielen arabischen Ländern spielt, aus denen auch die mutmaßlichen Täter kommen, die in der Silvesternacht sich brutal an Frauen vergangen haben. Es ist auch deshalb nicht leicht, weil diese Taten ja dumpfe, islamfeindliche Reaktion provoziert haben, das haben wir wieder an diesem Montag in Leipzig bei der Pegida-Demonstration gesehen.
Heute nun beginnt in Osnabrück eine dreitägige internationale Konferenz zum Thema antimuslimischer Rassismus und Islamfeindlichkeit in Deutschland. Das wird organisiert vom Institut für Islamische Theologie in Osnabrück und auch finanziert vom niedersächsischen Kultusministerium und der Bundesregierung. Ich freue mich sehr jetzt, dass bei mir der Politikwissenschaftler Clemens Heni, Direktor des Berlin Center for the Study of Antisemitism hier zu Gast in "Studio 9" ist. Guten Morgen, ich grüße Sie!
Clemens Heni: Ja, guten Morgen, Frau Brink!
Islamismus und arabische Alltagskultur
Brink: Bevor wir uns über die islamfeindlichen Strömungen hierzulande unterhalten, wollte ich noch mal auf das zurückkommen, was ja in der Silvesternacht passiert ist. Die Journalistin Julia Gerlach hat ja gestern bei uns eindrücklich geschildert, wie in Ägypten die Gewalt gegen Frauen ein Gesellschaftsspiel ist. Aber sie hat davor gewarnt, das einfach auf Deutschland zu übertragen. Hat sie recht?
Heni: Also, ich denke, es wäre wichtig, dass die feministische Kritik, die es ja nun gibt in dem Land, an sexualisierter Gewalt sehr wohl in Beziehung gebracht wird mit dem Islam. Also mit der islamischen Kultur. Es gab in der "Frankfurter Allgemeinen" die letzten Tage einige Texte, die versucht haben, denke ich, ganz interessant, Ursula Scheer gestern zum Beispiel, eine Beziehung zu bringen zwischen der alltäglichen Gewaltstruktur gegenüber Frauen in der arabischen und islamischen Welt, die wir jetzt eben hier in Teilen auch erlebt haben, und zwar auf präzedenzlose Weise. Also, man muss ja sehen: So was gab es in der Form eben noch nicht. Und da, denke ich, muss man schon auch das Thema Islam, Islamismus und arabische Alltagskultur in Deutschland thematisieren.
Pegida ist "völkisch und rassistisch"
Brink: Schüren denn solche Vorkommnisse die Islamfeindlichkeit hier?
Heni: Also, Islamfeindlichkeit ist so eine Frage. Also, Pegida ist nun einer meiner Schwerpunkte meiner Forschung die letzten Jahre und da würde ich nun mal grundsätzlich sagen, dass Pegida eine rassistische Bewegung ist, eine völkische Bewegung, die sich beispielsweise gegen alle Flüchtlinge wendet. Muslime sind ein Teil der Flüchtlinge, aber ja keineswegs alle. Also, wenn wir Brandanschläge haben auf Flüchtlingsheime, dann zielen diese Nazis und anderen Gewalttäter auf alle als nicht deutsch kategorisierten Menschen und keineswegs nur auf Muslime. Das wird beispielsweise bei der Konferenz in Osnabrück, denke ich, fälschlicherweise so eingeordnet, als ob es eine spezifische Islamfeindlichkeit geben würde. Wo ich denke, das gibt es nicht.
Im Gegensatz dazu würde ich sogar betonen, dass viele Muslime in der arabischen Welt, in der muslimischen Welt insgesamt sich ja durchaus distanzieren vom Islamismus, das hier aber gar nicht vorkommt. Und genau diejenigen, die in Deutschland nun die Islamfeindlichkeit als das große Thema meinen erkennen zu können, negieren häufig, dass es in der islamischen und arabischen Welt ja dissidente Muslime und Muslimas gibt, die genau den Islamismus bekämpfen und sich freuen würden, wenn es mehr Kritik über die problematischen Aspekte des Islam geben würde.
Gegenstimmen aus der islamischen Welt werden nicht gehört
Brink: Warum ist das so? Warum kommen wir oder warum sehen Sie diese Entwicklung oder dieses Blindsein auf dem einen Auge, wie Sie es ja gerade geschildert haben?
Heni: Also, dieses Blindsein, denke ich, wenn ich jetzt Ihren Aufhänger, die Konferenz in Osnabrück nehme, wenn da beispielsweise der Hauptredner eher Israel mit KZs und Nazis vergleicht und nicht thematisiert, dass es in der muslimischen Welt sehr wohl moderate Muslime gibt, beispielsweise Abu Dhabi oder Vereinigte Emirate, wo ein Freund von mir, Daniel Pipes, kürzlich geforscht hat, da gibt es eine Menge von Muslimen, die selber sich gegen die islamistische Kultur wenden, die aber hier beispielsweise aufgrund dessen, dass in Konferenzen eben solche Stimmen nicht gehört werden, sondern genau die Gegenstimmen, nicht vorkommen. Ich denke, das ist ein wichtiger Aspekt des Ganzen.
Brink: Ja, solche Stimmen kommen natürlich bei der Konferenz schon vor, sie dauert ja drei Tage. Aber ich möchte noch mal auf einen ganz interessanten Zusammenhang kommen, der auch bei Ihnen, bei Ihren Forschungen ja eine große Rolle spielt: Islamfeindlichkeit auf der einen Seite und natürlich so etwas wie der selbst ernannte Islamische Staat. Also das Vordringen dieser Terrororganisation, das ja auch schürt, also sozusagen schürt, diese Ressentiments gegen Muslime!
Heni: Also, ich meine, der Islamische Staat, das ist ganz wichtig in der Tat, hat nun auf ungeheuerliche Weise letztes Jahr in Frankreich mehrfach Terrorattentate verübt, zum ersten Mal in massivem Maßstab in Europa, im November mit über 130 Toten in Paris. Und ich denke, Islamfeindlichkeit lenkt ja eigentlich genau davon ab, dass die Leute denken, nun würde der Islam – in Anführungszeichen – zum Feindbild aufgebaut. Hingegen geht es ja darum, den Islamismus zu bekämpfen. Also, diese Trennung finde ich auch ganz wichtig, auch in der Forschung zu trennen zwischen Islam als Religion, den man nicht diffamieren darf und sollte, und Islamismus als Ideologie, den man sehr wohl diffamieren muss und bekämpfen muss. Und deshalb, denke ich, Islamfeindlichkeit lenkt so ein bisschen ab von der Thematik, um die es eigentlich geht.
Muslimbrüder und Islamrat vertreten einen "legalen Islamismus"
Brink: Was ist denn die Thematik, um die es eigentlich ...
Heni: Die Thematik, denke ich, ist: Islamismus versus Islam. Dass man eine Differenz macht zwischen dem problematischen, ideologischen Gehalt des Islamismus, den man bekämpfen muss auf allen Ebenen – und da gibt es nicht nur den Dschihad, sondern auch den sogenannten legalen Islamismus, also die Muslimbrüder, Islamrat in Deutschland, da gibt es verschiedene Organisationen, die auf legale Weise die Scharia implementieren wollen –, und da gibt es eben andere, die meinen, den Islam an sich damit diskreditieren zu können.
Brink: Also, wir trennen nicht sauber genug hier in Deutschland in der Diskussion auch? Würden Sie so weit gehen, das zu sagen?
Heni: Richtig, das würde ich absolut so sagen. Und leider tun Konferenzen wie in Osnabrück eigentlich genau davon ablenken, dass diese Trennung zwischen Islamismus und Islam notwendig wäre, davon ablenken, indem sie tun, als wenn alle Kritikerinnen und Kritiker des Islamismus Islamfeinde wären. Und das ist nicht der Fall.
Brink: Herzlichen Dank! Der Politikwissenschaftler Clemens Heni, schönen Dank für Ihren Besuch hier in "Studio 9". Und er hat es mehrfach angesprochen, die dreitägige Konferenz in Osnabrück zum Thema antimuslimischer Rassismus und Islamfeindlichkeit in Deutschland, und hier in "Studio 9" ab 17:00 Uhr wird der Berliner Historiker und Antisemitismusforscher Wolfgang Benz auch noch mal darauf was antworten, was sie vorhaben auf der Konferenz in Osnabrück.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.