Pegida steht vor der politischen Insolvenz
Organisator Lutz Bachmann stürzt über ausländerfeindliche Hetze, mit dem inoffiziellen Ableger in Leipzig gibt es Krach: Bei Pegida läuft derzeit einiges aus dem Ruder. Womöglich muss die Bewegung bald politischen Bankrott anmelden, meint Nadine Lindner.
Noch ist es zu früh, Pegida für beendet zu erklären. Und doch wird spätestens seit Mittwoch ein personeller wie ideologischer Verschleiß in der islam- und asylkritischen Bewegung sichtbar.
Denn praktisch über Nacht ist den Islamgegnern ihre prominenteste Führungsfigur Lutz Bachmann abhanden gekommen. Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts der Volksverhetzung, seit bekannt wurde, dass er Flüchtlinge "Viehzeug" und "Gelumpe" genannt hat.
"Toleranz hat Grenzen" - dieses Transparent ist oft auf den Kundgebungen in Dresden zu sehen. Nun müssen die Anhänger der Pegida Farbe bekennen und sich fragen, wem sie ihr Vertrauen schenken. Am vergangenen Montag wurde während der Dresdner Pressekonferenz der Versuch der Pegida deutlich, sich ein nicht ausländerfeindliches, ein bürgerliches Gesicht zu geben. Diese Versuche sind nun ad absurdum geführt.
Parallel dazu hat die sächsische Landesregierung am Mittwochabend ihr erstes Dialogforum umgesetzt. Ob es nun der Beginn einer neuen Gesprächskultur ist oder schlicht eine Einladung zum Brezelessen und Dampfablassen war, das muss sich noch zeigen. Und gewiss, 350 Teilnehmer bei Ministerpräsident Tillich erscheinen verschwindend gering gegenüber den 25.000 der letzten Pegida-Demo in Dresden.
Pegida prüft Unterlassungsklage gegen Legida
Aber vielleicht bewegt es ja doch einige besorgte Bürger, ihre Fragen wieder an die klassischen Adressaten zu richten: Kommunalpolitiker, Abgeordnete. Ein weiteres Gesprächsangebot soll folgen, die Klage, dass niemand zuhört, verliert nun Woche für Woche an Berechtigung.
Zu Bachmanns Abgang kommt noch ein interessanter Nebenaspekt, den man auch mit einem gewissen Maß an Ironie betrachten kann. Denn die neue starke Frau an der Spitze von Pegida, Kathrin Oertel, hat versucht, ihren politischen Mitstreitern des Leipziger Ablegers Maulkörbe zu verpassen. Die Legida hat am Mittwoch in Leipzig eine aggressive, aber auch wirre Mischung aus völkischem Denken und Systemkritik verbreitet.
Jetzt prüft die Pegida eine Unterlassungsklage gegen Legida – sie wollen ihnen praktisch das Recht entziehen, die Marke "-Gida" weiter zu nutzen. Die Klage kommt von derselben Kathrin Oertel, die noch vor anderthalb Wochen in Dresden bitterlich Zensur und Meinungsdiktatur beklagt hatte, die ihrer Ansicht nach in Deutschland herrsche. Nun will sie selbst rechtlich gegen unliebsame Forderungen vorgehen.
Politiker halten sich nicht an das, was sie versprechen, wird bei den Pegiden lauthals geklagt. Nun ist es Zeit für die Organisatoren von Pegida, ihren eigenen Ansprüchen gerecht zu werden – oder einzugestehen, dass sie selbst so handeln, wie die, die sie so unerbittlich kritisieren. Nein, noch ist die Pegida nicht für beendet erklärt, aber vielleicht muss sie demnächst politische Insolvenz anmelden.