Islamische Geldanlagen werden "Nischenprodukt" bleiben

Hans-Georg Ebert im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler |
Islamische Geldanlagen sind weltweit auf dem Vormarsch, auch wenn etliche Regeln beachtet werden müssen. So sollte zum Beispiel nicht in Alkohol oder Tabak investiert werden. Gewinne aber dürfen sein - trotz des islamischen Zinsverbots, sagt Hans-Georg Ebert, Professor für Islamisches Recht an der Universität Leipzig.
Jan-Christoph Kitzler: Es gibt immer mehr Menschen, die wissen wollen, was mit ihrem Geld passiert, was sie anlegen. Deshalb gibt es zum Beispiel ökologische Geldanlagen, oder solche, die besonderen ethischen Kriterien genügen sollen. Inzwischen gibt es aber auch zum Beispiel islamkonforme Geldanlagen, und die sind weltweit erfolgreich. Immer mehr wird in diese Anlagen investiert. Islamic Bank of England zum Beispiel betreut inzwischen um die 50.000 Kunden, Tendenz steigend. In Deutschland hält sich der Erfolg bislang noch in Grenzen, aber heute bringt die Landesbank WestLB eine Anleihe auf den Markt, die die Kriterien für islamische Geldanlagen erfüllen. "Islamic Strategie Index Zertifikat" nennt sich dieses Finanzprodukt. Darüber spreche ich jetzt mit Hans-Georg Ebert, er ist Professor für islamisches Recht an der Universität Leipzig. Schönen guten Morgen.

Hans-Georg Ebert: Ja, einen schönen guten Morgen.

Kitzler: Herr Ebert, was sind denn eigentlich die Kriterien für islamische Investitionen?

Ebert: Die Kriterien für islamische Investitionen oder islamische Bankprodukte sind natürlich vor allen Dingen die Zinsfreiheit und die Vermeidung von Papieren aus der Alkohol- und Tabakindustrie sowie die Vermeidung des Glücksspiels. Das sind die Dinge, die auch im Koran und in der Überlieferung für die Muslime eine große Rolle spielen und mithin für islamische Bankprodukte berücksichtigt werden müssen.

Kitzler: Zinsfreiheit haben Sie angesprochen, das steht im Koran. Warum investiert dann überhaupt jemand in solche Produkte?

Ebert: Ich denke, dass Muslime natürlich darauf bedacht sind, ihre Gebote und Verbote einzuhalten, und insofern ist es sicherlich sinnvoll für Muslime, wenn sie denn eine besondere Beziehung zu ihrer Religion haben, auch in solche zinsfreie und islamisch konforme Bankprodukte zu investieren. Aber es ist natürlich nicht nur eine Frage für Muslime, sondern auch Nichtmuslime können gerne solche Produkte kaufen und es steht ihnen frei, auch solche Bankprodukte zu erwerben.

Kitzler: Aber heißt das wirklich, man macht mit diesen Zertifikaten keinen Gewinn?

Ebert: Doch, man macht Gewinn. Gewinn ist natürlich ausdrücklich erlaubt, so steht es auch im Koran. Aber der Zins ist verboten. Das ist das Prinzip, nach dem sich die islamischen Bankprodukte zu richten haben.

Kitzler: Eigentlich dürfen Muslime ja nicht in Aktien investieren, wenn sie dem Koran folgen, weil Aktien werfen natürlich auch irgendwie Zinsen ab. Warum passiert das dennoch im großen Stil? Warum investieren zum Beispiel Staatsfonds aus Saudi-Arabien in ein Unternehmen wie Daimler zum Beispiel?

Ebert: Ich denke, Aktien sind grundsätzlich nicht das Problem für Muslime, denn Aktien basieren ja darauf, dass die entsprechenden Betriebe Gewinne einfahren, und diese Gewinne können durchaus für Muslime auch entsprechend realisiert werden. Es ist nur das reine Zinsgeschäft, also das Verleihen von Geld und die Zinsnahme für diesen Geldverleih. Das ist das, was verboten ist, nicht das Gewinn machen, und insofern ist natürlich die Beteiligung auch an Unternehmen durchaus korrekt und wird von Muslimen auch betrieben. Ich sehe also keinen Grund, weswegen Muslime nicht in Aktien investieren sollten.

Kitzler: Aber das heißt zum Beispiel Staatsanleihen, wie sie jetzt ja immer viel diskutiert werden, kämen nicht in Frage?

Ebert: Staatsanleihen, so wie wir sie heute in den islamischen Golf-Ländern vor allen Dingen haben, sind natürlich Produkte, die vor allen Dingen in dem konventionellen Markt investieren. Es ist ja so, dass nach wie vor der überwiegende Teil des internationalen Finanzmarktes natürlich in der konventionellen Weise investiert, das heißt zinsbasiert ist, und die Staatsfonds müssen sich natürlich diesen Bedingungen stellen.

Kitzler: Sind das eigentlich Nischenprodukte, oder ist das wirklich etwas, was für Muslime in hohem Stil attraktiv ist?

Ebert: Diese Produkte sind schon attraktiv, weil sie zum einen recht sicher sind, zum anderen, weil sie auch islamische Gebote und Verbote berücksichtigen. Ich denke dennoch, dass diese Produkte ein Nischenprodukt bleiben werden auf längere Sicht, und ich glaube nicht, dass sie in irgendeiner Weise den traditionellen Finanzmarkt erschüttern werden oder verdrängen werden.

Kitzler: 3,4 Millionen Muslime leben in Deutschland. Bisher kommt das Geschäft mit diesen Anleihen im Vergleich zu anderen Ländern – England habe ich angesprochen – nicht so richtig aus dem Quark. Warum ist das so?

Ebert: Das hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen. Das hängt zum Teil damit zusammen, dass die Mehrheit der Muslime in unserem Land türkischstämmige Muslime sind. In der Türkei ist ja seit Beginn des 20. Jahrhunderts ein Europa-vergleichbares System des Rechts und auch der Finanzwirtschaft entwickelt worden, so dass die meisten Türken auch keine großen Erfahrungen haben mit islamischen Finanzprodukten. Das ist der eine Faktor.

Der andere Faktor ist natürlich das Angebot. Bisher wurden in Deutschland relativ wenige Angebote unterbreitet, was islamische Finanzprodukte angeht. Ich denke, es hängt damit zusammen, dass natürlich auch gesellschaftliche Probleme hier eine Rolle spielen, dass bestimmte Ängste existieren, obwohl diese Ängste völlig unangebracht sind, weil ja diese Finanzprodukte der strengen Finanzaufsicht in Deutschland unterstehen und damit natürlich überhaupt keine Gefahren in irgendeiner Weise für die Rechtsordnung oder für die Finanzwirtschaft daraus resultieren können.

Kitzler: Islamische Geldprodukte – das war Hans-Georg Ebert, Professor für islamisches Recht an der Universität Leipzig. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

Ebert: Ja, gern. Auf Wiederhören.


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