Islamische Kunst in Berlin

Von Carsten Probst |
In Berlin sind derzeit zwei Ausstellungen über islamische Kunst zu sehen. Die Keir Collection zeigt Exponate aus der Sammlung eines Kunstsammlers alter Schule. Die Schau des Aga Khan Museums dagegen setzt auf religiöse und politische Aspekte.
Zwei Sammlungen islamischer Kunst, prachtvoll die eine wie die andere, und doch könnten sie verschiedener kaum sein. Die sogenannte Keir Collection des ungarisch-britischen Sammlers Edmund de Unger ist das Werk eines Kunstbesessenen alter Schule. Annähernd 1500 Stücke hat de Unger in den letzten 50 Jahren zusammengetragen, in Berlin wird derzeit nur etwa ein Zehntel davon präsentiert. Doch die Pracht der Stoffe und Farben, der kostbaren Ausführung und der spektakulären Einzelstücke vermittelt sich auch dem islam-unkundigen Besucher sofort. De Unger hat erkennbar nach wissenschaftlichen und ästhetischen Kriterien gesammelt, er hat die Lücken westlicher Islamsammlungen gezielt aufgespürt und durch seine Sammlung ergänzt, vor allem im Bereich der Keramik genießt die Keir Collection Weltruf.

Ganz anders die Motive ein paar 100 Meter weiter im Berliner Martin-Gropius-Bau, wo Luc Monreal, Chairman des Aga Khan Trust for Culture, die nicht minder prächtige Ausstellung des Aga Khan Museums beschreibt:

"Zum einen wollen wir die fundamentalen Inhalte des Islam herausstellen, den Wert, den das geschriebene Wort, der Koran, für diese Religion hat, die Bedeutung der Pilgerreise nach Mekka. Zum anderen wollen wir gerade der westlichen Öffentlichkeit mit dieser Sammlung den Pluralismus, die Vielfalt islamischer Kulturen vor Augen führen. Denn über 13 Jahrhunderte hinweg war der Islam immer in einer großen Zahl sehr verschiedener Kulturen vertreten, mit sehr unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksformen und Materialien."

Die Sammlung islamischer Kunst ist nur ein kleiner Teil eines gewaltigen kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Imperiums, das der hoch vermögende Aga Khan als religiöses Oberhaupt der Ismaeliten über Jahrzehnte hin entwickelt hat. Firmenbeteiligungen, politische Initiativen, aber auch humanitäre Projekte zählen zu seiner Agenda. So investiert der Aga Khan stark in den Wiederaufbau Afghanistans, baut Schulen und alte Ortskerne wieder auf, bekämpft Armut und Drogenhandel und den militanten Islamismus, möchte den alten islamischen Hochkulturen entlang der Seidenstraße ihre Würde zurückgeben, wie er sagt. Im Westen soll der Islam als friedliebende, hochkulturelle Religion präsentiert werden, die sich stets im Austausch mit allen anderen Kulturen befunden hat. Den "Clash of Civilisations", so Aga Khan, hat es nie gegeben. Luc Monreal:

"Wir hoffen auch, dass diese Ausstellung die Muslime in Deutschland stolz macht, wie reich die islamische Kunst in ihrer Geschichte immer gewesen ist, und auch darauf, dass sie spüren, dass diese Kunst ihrer eigenen religiösen Herkunft hier im Westen mit demselben Respekt, mit derselben Verehrung behandelt wird, wie die Kunst des Westens."

Die Präsentation der Sammlung des Aga Khan im Martin-Gropius-Bau dient erkennbar pädagogischen und politischen Zielen, und so ist sie auch aufgebaut. Eine Werbung für den Islam, mit einem deutlichen Übergewicht an kostbaren Handschriften, in denen eben dies, die Schrift, das heilige Wort der Verkündigung des Koran, in zahllosen ornamentalen Varianten die Hauptrolle spielt. Die Schönheit der Objekte transportiert zugleich die religiöse Botschaft. In einem zweiten Schritt soll die Verbindung von Islam und anderen Kulturen gezeigt werden, etwa durch die erste bekannte Handschrift eines medizinischen Traktats von Ibn Sina, der als Avicenna im christlichen Mittelalter großen wissenschaftlichen und philosophischen Einfluss auf die Kirchenphilosophie in Europa hatte.

Ganz anders die Strategie von Richard de Ungar, der im Auftrag seines Vaters die Dauerleihgabe der Keir Collection an die Staatlichen Museen Berlin übergeben hat:

"Die kleineren Objekte meines Vaters hier her zu bringen, das ist wie eine Heirat. Wir haben Objekte: Bergkristalle, Keramiken mit Lüstern, Miniaturen, Textilien, Seidenstoffe und so weiter, die Berlin nicht besitzt. Und darum waren wir sehr froh, das haben wir sofort gewusst, dass weil sie die nicht haben, sie werden das zeigen. Ausstellungen: Und das ist das Wichtigste."

Die Ausstellung im Pergamonmuseum ist auf den Sammler und seine Logik zugeschnitten. Keine Pädagogik, keine Politik, sondern fast kindliche Besessenheit von der Schönheit und Seltenheit der Objekte. Berlin möchte zu einem Zentrum der islamischen Kunst weltweit werden, dafür ist die Leihgabe der Keir Collection von unschätzbarem Wert. Benoit Junod, der Kurator der Aga Khan Sammlung, kann sich einen leisen Spott nicht verkneifen:

"Wir haben mehr als 1000 Kunstwerke in unserer Sammlung. Verglichen mit dem Museum für islamische Kunst in Berlin und ihren fast 100.000 Werken ist das natürlich ein Witz. Andererseits haben wir in unserer Sammlung keine Scherben alter Keramik. Wenn Sie diese einzelnen Scherben alle einmal abziehen, werden Sie schnell sehen, dass die Islamischen Museen in aller Welt doch etwas weniger wichtige Sammlungen haben, als sie immer vorgeben. 500 Meisterwerke finden Sie in sehr wenigen Sammlungen der Welt."

Der Spott kommt nicht von ungefähr. Dass die Keir Collection in Berlin bleibt und nicht etwa in die islamischen Länder geht, hat den de Ungers nicht nur Freunde in der islamischen Welt gemacht. Der Sammlerfamilie behagt offenbar der politische Stil mancher Scheichs nicht. Hinter den wohlfeilen Botschaften der Toleranz und des Kulturaustausches verbirgt sich ein harter Konkurrenzkampf um die letzten Schätze. Seit die arabischen Emirate vor einigen Jahren begonnen haben, eigene Museen für islamische Kunst aufzubauen, sind die Preise auf dem Markt explodiert. Die Staatlichen Museen wären chancenlos - gäbe es nicht Sammler wie die de Ungers.