Islamische Lektionen

Von Maria Riederer |
Die Tatsache, dass es an deutschen Schulen Islamkunde-Unterricht gibt, macht immer noch manchen Bürgern ein bisschen Angst. Wer weiß denn schon, was da gelehrt wird – womöglich noch auf Türkisch. In Wirklichkeit findet der Unterricht längst auf Deutsch statt.
Allerdings fehlte bisher, vor allem in den höheren Klassen, ein deutschsprachiges Buch für den Islamkundeunterricht. Bis im August diesen Jahres der Münchner Kösel-Verlag endlich ein solches Buch herausbrachte. "Saphir" heißt das Buch, es wurde von den Kultusministerien genehmigt und ist in vielen Schulen bereits im Einsatz.

"Seite 44 – okay. Ihr könnt euch bestimmt dran erinnern, wir haben einige Bilder schon angeguckt, und ihr könnt euch bestimmt dran erinnern, was jetzt nochmal ein muslimisches Gebet war oder islamisches?
Das da.
Beschreib mal kurz, was sieht man da?
Da sieht man einen Mann auf einem roten Teppich, der kniet sich hin und berührt mit der Stirn den Boden.
Da waren auch noch anderen Bilder, die auch mit Islam zu tun haben. 'There are other pictures ...'"

Andreas Ismail Mohr unterrichtet in der in Internationalen Friedensschule in Köln auf Englisch und Deutsch. Seine Islam-Schüler sind ein winziges Grüppchen von drei Kindern aus unterschiedlichen Herkunftsländern. Ihr neues deutschsprachiges Religionsbuch für die fünfte und sechste Klasse benutzen sie erst seit wenigen Wochen.

Mohr: "Dass es einen deutschen Islamunterricht gibt, ist eine Notwendigkeit, die man endlich mal nach 20 Jahren eingesehen hat, das heißt, vor knapp 10 Jahren, und dass jetzt auch endlich ein Schulbuch gibt, das auch genehmigt ist, von vier Ministerien, also vier Landesministerien, ist ein großer Fortschritt.
Wenn jeder in seiner eigenen Sprache rumwurschtelt, wo sollen wir da hinkommen? Dann machen die Bosnier bosnisch, die Türken türkisch und weiß auch nicht – jede kleine Gruppe kann nicht extra ihren Unterricht haben in ihrer Sprache."

Nordrhein-Westfalen begann im Jahr 1986 mit dem Fach "Islamische Unterweisung". Rabeya Müller, Mitherausgeberin von "Saphir" sieht eine wichtige Entwicklung von den Anfängen bis heute.

"Das ist also ein islamkundlicher Unterricht, der erst nur gedacht war als religiöse Unterweisung für Schüler muslimischen Glaubens, hauptsächlich in der türkischsprachigen Klientel, aber natürlich nehmen die Kinder, die nicht einen türkischsprachigen Hintergrund haben, zu. Damals haben noch vor allem muttersprachliche Lehrer unterrichtet, und heute sind wir dabei, voll ausgebildete Lehrkräfte für diesen Unterricht zu bekommen, damit das auch in entsprechender Weise fachdidaktisch umgesetzt werden kann."

"Al Rahman, Al Rahiim, Al Salam, Al Chaaliq,
Der Erbarmer, der Barmherzige, der Friede, der Schöpfer,
Al-Aliim, Al Samii, Al Basiir.
Der Umarmende, der Liebende, der Beschützer
An Nuur
Das Licht"

Die 99 Namen Gottes stehen gleich im ersten Kapitel. Auf Arabisch und auf Deutsch. Gott heißt in diesem Buch Gott, und nicht Allah.

Müller: "Einmal hat das etwas damit zu tun, dass Allah einfach auf Deutsch Gott heißt. Und wir haben das immer mit einem bestimmten Icon oben versehen, das ist ja sichtbar, damit da auch klar ist, dass wir nicht in irgendeiner Weise das arabische Wort Allah schmähen wollen oder so was."

Mohr: "Was heißt Gott auf arabisch? – Allah - Auf persisch? - ... Auf Englisch? – God ...

Wenn man Deutsch spricht, und dann sagt man Allah, das klingt manchmal so, als würden die Muslime einen speziellen Gott haben. Aber nach islamischer Auffassung ist das nicht so, sondern Gott ist für alle Menschen der gleiche Gott."

Der interreligiöse Gehalt des neuen islamischen Religionsbuches ist groß. Gebetshäuser der unterschiedlichen Religionen sind darin ebenso zu finden wie Vergleiche zwischen den heiligen Schriften - oder auch ein Blick auf die kulturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Und doch verschönt es nicht die Reibungen und die Verbrechen, die eine multikulturelle Gesellschaft auch mit sich bringen kann.

Solingen, 29. Mai 1993. Es ist kurz nach ein Uhr, als im Haus der Familie Genc ein Feuer ausbricht. Innerhalb weniger Minuten breiten sich die Flammen mit rasender Geschwindigkeit aus. Fünf Frauen und Mädchen sterben in den Flammen. Einige Tage später steht die Mutter der getöteten Kinder vor der Kamera. Sie wischt ihre Tränen weg und sagt: Wir müssen die Trauer überwinden und gemeinsam eine andere Art des Umgangs miteinander finden.

Die Reaktion der Mutter ist völlig unverständlich? Oder? Besprecht in der Gruppe verschiedene Antworten.

Im Kapitel über die Vergebung will das Buch gründlich mit dem Vorurteil aufräumen, der Islam bahne sich mit Feuer und Schwert seinen Weg. Koransuren und andere Zitate aber auch ein Rap sollen zeigen: Islam bedeutet Frieden.

Müller: "Es gibt Kinder, die schon im Kindergarten gelernt haben, dass sie durch Religionszugehörigkeit marginalisiert werden, und die benutzen oft natürlich ihre Religion als etwas, auf das sie sich zurückziehen und leider neigen sie dann auch zur Radikalisierung, und ich hoffe, dass dieses Buch dazu beiträgt, die Sache zu entradikalisieren und tatsächlich ein friedliches Miteinander zu fördern. Ich halte das als Integrationsbeitrag für Muslimminen und Muslime im Moment für den besten, den wir leisten können."

Das neue Buch mit dem blauen Einband heißt "Saphir". Jedes Kapitel beginnt mit der verzierten Raute, die einen Edelstein darstellen soll.

Kind: "Es ist ein Diamant, und da draußen rum, da sind so Mustern und innen hat unser Lehrer reingeschrieben auf Arabisch glaube ich.
Da steht da drüber in den beiden Ecken die Übersetzung. Das sind arabische Buchstaben."

Mohr: "Das sind ja Zitate, die aus einem Buch genommen sind. Welches Buch ist das – was vermutest du? - Der Koran – Genau.
Also, diese Raute soll einen Saphir darstellen, einen Edelstein, der sehr wertvoll und kostbar ist und die Idee ist halt, dass das Buch oder die Lehrer, die damit arbeiten, den Islam schon als etwas Kostbares darstellen sollen. Also irgendwo natürlich schon auch mit Hinterfragen, das spielt in dem Buch schon auch eine Rolle, aber schon den Kindern auch vermitteln: das ist etwas wertvolles, das wir mit Bedacht und Vorsicht behandeln wollen, was auch schön ist, wozu wir auch Fragen stellen können natürlich, das soll in dieser Raute und dem Wort Saphir ausgedrückt sein."

Saphir 5/6 - Religionsbuch für junge Musliminnen und Muslime
Herausgegeben von Lamya Kaddor, Rabeya Müller und Harry Harun Behr
Kösel Verlag 2008
196 Seiten, 14,95 Euro