Koopmans, Ruud: "Das verfallene Haus des Islam. Die religiösen Ursachen von Unfreiheit, Stagnation und Gewalt"
Verlag C.H. Beck, 2020
288 Seiten, 22 Euro
Wie beeinflusst der radikale Islam Europa?
04:28 Minuten
Er sei kein Islamfeind, sondern ein Islamkritiker, betont der Migrationsforscher Ruud Koopmans. Mit seiner Kritik an fundamentalistischen Strömungen im Islam stößt er Debatten an.* Nun ist sein neuestes Werk erschienen.
Für Ruud Koopmans ist der fundamentalistische Islam die Ursache von Intoleranz, Demokratiefeindlichkeit und Armut in muslimischen Staaten. Nach Ansicht des Berliner Migrationsforschers, der aus Holland stammt, wirkt sich der radikale Islam auch stark auf Europa aus. So fänden besonders religiöse Einwanderer seltener Arbeit als weniger religiöse:
"Orthodox lebende Muslime, das würde natürlich auch für orthodox lebende Christen oder Juden gelten, wollen im Allgemeinen Kontakte mit Andersgläubigen vermeiden. Oder sie mögen keine gemischt-geschlechtlichen Kontakte – und das erschwert natürlich die Kontaktaufnahme zur Mehrheitsgesellschaft. Und in einer Einwanderungsgesellschaft sind nun mal Kontakte zu der Mehrheit, die die meisten Ressourcen und Kenntnisse kontrolliert, extrem wichtig."
"Orthodox lebende Muslime, das würde natürlich auch für orthodox lebende Christen oder Juden gelten, wollen im Allgemeinen Kontakte mit Andersgläubigen vermeiden. Oder sie mögen keine gemischt-geschlechtlichen Kontakte – und das erschwert natürlich die Kontaktaufnahme zur Mehrheitsgesellschaft. Und in einer Einwanderungsgesellschaft sind nun mal Kontakte zu der Mehrheit, die die meisten Ressourcen und Kenntnisse kontrolliert, extrem wichtig."
Der Professor vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung glaubt, dass viele muslimische Zuwanderer Antisemitismus, Homophobie und Frauenverachtung importieren:
"Dann haben wir natürlich in jüngster Zeit das Problem auch der Radikalisierung und der terroristischen Gewalt – die nicht hauptsächlich hier in Westeuropa seine Ursachen findet, aber vor allem ein Beiprodukt ist der Radikalisierungen der islamischen Welt."
"Dann haben wir natürlich in jüngster Zeit das Problem auch der Radikalisierung und der terroristischen Gewalt – die nicht hauptsächlich hier in Westeuropa seine Ursachen findet, aber vor allem ein Beiprodukt ist der Radikalisierungen der islamischen Welt."
Fundamentalismus ist nicht die Wurzel allen Übels
Die Religion, genauer: der fundamentalistische Islam, als Wurzel allen Übels – damit kann der bündnisgrüne Politiker Cem Özdemir nicht mitgehen. Für den türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten ist eine bestimmte Auslegung des Korans nicht das Entscheidende:
"Deshalb würde ich auch raten dazu, dass man die Konflikt-Linie, man kann es auch etwas martialischer formulieren, die Barrikade, nicht entlang der Religion aufstellt. Sondern entlang derer aufstellt, die an die Aufklärung, an die Werte der Demokratie glauben – und diejenigen, die das nicht tun."
"Deshalb würde ich auch raten dazu, dass man die Konflikt-Linie, man kann es auch etwas martialischer formulieren, die Barrikade, nicht entlang der Religion aufstellt. Sondern entlang derer aufstellt, die an die Aufklärung, an die Werte der Demokratie glauben – und diejenigen, die das nicht tun."
Özdemir sieht zudem die Ursache vieler Islamprobleme in Europa selbst. So kritisiert er, dass viele Imame, die in Deutschland tätig sind, in muslimischen Staaten ausgebildet und hierhergeschickt wurden:
"Bis jetzt machen wir es uns auch sehr einfach: Es kostet uns ja nicht viel. Das finanzieren die Herkunftsstaaten. Die deutsche Politik macht es sich da auch sehr bequem. Wir übertragen das der Türkei – aber es ist nicht umsonst. Wir bezahlen nämlich damit, dass sie sich damit auch Einfluss kaufen. Dass die das damit auch nutzen, um eine Ideologie, was uns nicht recht sein kann, zu transportieren."
Sehnsucht nach Demokratie treibt Einwanderer an
Auch Naika Foroutan hinterfragt die Thesen des niederländischen Migrationsforschers Ruud Koopmans. Die Direktorin des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung, die iranische Wurzeln hat, betrachtet die Einwanderer in Deutschland nicht als potentielle Demokratiefeinde:
"Man kann auch die Hypothese aufstellen, dass man gar nicht demokratische Erfahrungen braucht, um sich nach Demokratie zu sehnen und Demokratie leben zu können. Die Iraner leben seit 40 Jahren in einer Diktatur. Und viele brechen auf von dort, ohne jemals Demokratie gekannt zu haben. Und das Gleiche haben wir mit ganz vielen syrischen Geflüchteten, mit MigrantInnen aus vielen anderen Ländern, die genau diese Länder verlassen, weil sie in dieser Diktatur nicht leben wollen."
"Man kann auch die Hypothese aufstellen, dass man gar nicht demokratische Erfahrungen braucht, um sich nach Demokratie zu sehnen und Demokratie leben zu können. Die Iraner leben seit 40 Jahren in einer Diktatur. Und viele brechen auf von dort, ohne jemals Demokratie gekannt zu haben. Und das Gleiche haben wir mit ganz vielen syrischen Geflüchteten, mit MigrantInnen aus vielen anderen Ländern, die genau diese Länder verlassen, weil sie in dieser Diktatur nicht leben wollen."
Reform des Islam muss aus der islamischen Welt kommen
Ruud Koopmans muss weitere Kritik einstecken: Der Sozialwissenschaftler postuliert, der westliche Kolonialismus habe in der muslimischen Welt eher für Demokratieliebe gesorgt als für autoritäre Gesellschaften. Der fundamentalistische Iran etwa sei früher immer unabhängig gewesen. Professorin Foroutan hält dagegen – durch einen Verweis auf den Zweiten Weltkrieg:
"In Wahrheit war Iran in einem Agreement zwischen Russland und Großbritannien aufgeteilt. Der Norden, den konnte Russland abschöpfen und den Süden, den konnte England abschöpfen. Und die ganzen Proteste, die es danach gab und der erste Versuch einer demokratischen Regierung wurde ja auch durch einen Putsch der CIA wieder rückgängig gemacht, wo man den ersten sozusagen demokratischen Ministerpräsidenten wieder beseitigt hat."
"In Wahrheit war Iran in einem Agreement zwischen Russland und Großbritannien aufgeteilt. Der Norden, den konnte Russland abschöpfen und den Süden, den konnte England abschöpfen. Und die ganzen Proteste, die es danach gab und der erste Versuch einer demokratischen Regierung wurde ja auch durch einen Putsch der CIA wieder rückgängig gemacht, wo man den ersten sozusagen demokratischen Ministerpräsidenten wieder beseitigt hat."
Trotz aller Dispute – die Berliner Migrationsexperten sind sich einig, dass eine Reform des Islam letztlich nur aus der islamischen Welt selbst kommen kann. Der streitbare Holländer Ruud Koopmans glaubt zudem, dass viele Integrationsprobleme in Deutschland erst gelöst werden können, wenn sich die muslimischen Länder demokratisieren:
"Das Problem wird nicht weggehen, wenn die Probleme in der islamischen Welt nicht weggehen", sagt er.
* Im Teaser dieses Beitrags haben wir die Position von Ruud Koopmans präzisiert.