Islamistische Rebellen töten Mönche
In Algerien wurden 1996 französische Mönche von islamistischen Terroristen ermordert. Regisseur Xavier Beauvois zeichnet das Schicksal der Mönche mit einem Drama nach. Hauptdarsteller ist Lambert Wilson.
"Ah, das sieht gut aus. Ist schon fast trocken. Ein Pflaster müssen wir nicht drauf machen, das lohnt sich nicht. Aber, bitte, sie darf damit nicht in die Sonne. Das ist gefährlich, verboten."
Bruder Luc versorgt die Brandwunde eines kleinen Kindes. Er und die anderen Mönche des Klosters Tibhirine Sind für viele Belange ansprechbar: Wenn es um neue Schuhe geht, um Bildung oder auch um Liebe.
"Sag mal, wie merkt man, dass man wirklich verliebt ist? Tja, da ist dann dieses Gefühl in dir, das dich aufwühlt. Etwas in deinem Innersten. Das auch nicht kontrollierbar ist und dein Herz höher schlagen lässt ... Es eine Sehnsucht. Es ist ein schönes Gefühl."
Doch die Idylle trügt. In Algerien kämpfen Fundamentalisten für einen islamistischen Staat und gegen die Regierung, die gemeinhin als korrupt gilt. Im Land häufen sich die Gewalttaten, auch in der Nähe des Klosters. Junge Frauen, die im Bus ohne Kopftuch unterwegs sind, werden umgebracht. Ebenso nichtmuslimische, kroatische Bauarbeiter. Christian, der Abt des Klosters, gespielt von Lambert Wilson, ist entsetzt. Aber als ihm der Gouverneur militärischen Schutz anbietet, lehnt er ab.
"Ich glaube, das ist nicht angebracht. Nein. / Wie können Sie das sagen? Ihr Kloster ist nur 20 Kilometer vom gestrigen Tatort entfernt. Die Gewalttaten werden sich wiederholen."
Christian will nicht mit einer Armee kooperieren, die berüchtigt ist, das Volk zu unterdrücken und zu erpressen. Alle Mönche im Film haben historische Vorbilder. Christian de Chergé, der Abt, diente 1959 als Offizier in der Französischen Armee in Algerien. Damals rettete ihm ein muslimischer Freund das Leben, zwei Tage später wurde dieser von Radikalen ermordet. Für Christian ein einschneidendes Erlebnis, der größte Liebesbeweis in seinem Leben, wie Hauptdarsteller Lambert Wilson betont. Dennoch zeigt der Film keine Rückblende.
Lambert Wilson: "Ich glaube, man hätte ähnliche Momente von allen Charakteren zeigen können. Irgendwie hatten sie alle ein ‚Damaskus-Erlebnis’. Aber in dem Film geht es nicht so sehr darum ‚wer sie waren’, sondern ‚wozu sie sich entschlossen’.
Es geht mehr um ihre Wahl, ihre Zweifel, ihre Ängste. Es ist wichtiger die Diskussionen zu sehen, ihr Handeln, ihre Oppositionshaltung gegenüber den Fundamentalisten. Aber die Tatsache, dass er von einem muslimischen Freund gerettet wurde, war sehr wichtig für meine Vorbereitung. Ich glaube, dass Christian eine Art von Schuld gegenüber Algerien empfand. Nichts hätte ihn von seinem Weg abbringen können."
Doch Christians Ablehnung spaltet die Mönchsgruppe: die Mitbrüder fühlen sich bei der Entscheidung übergangen, und nicht alle teilen seine Meinung.
"Es ist das Grundprinzip gemeinschaftlichen Entscheidens, das du mit deiner Haltung in Frage stellst. / Bitte! Also! Wer wünscht ab sofort die Präsenz der Armee in unserem Kloster? / Du willst das, was wir sagen, einfach nicht verstehen. Was machen wir denn, wenn sie ins Kloster kommen? Lassen wir uns lächelnd umbringen?"
Plötzlich geht es grundsätzlich um die Frage, ob die Mönche Algerien verlassen sollen. Denn als Fundamentalisten gewaltsam ins Kloster eindringen, ist eine weitere Eskalation absehbar. Das, was den Film zu einem großen Erlebnis macht, ist das Wechselspiel: Hier einerseits der Klosteralltag mit Arbeit, Gebet und Gesang.
Da andererseits die Auseinandersetzungen, die die Mönche führen, z.B. wenn sie mit den Dorfbewohnern reden.
"Der beste Schutz sind Sie. Denn das Dorf steht und fällt mit diesem Kloster… / Ja, aber wir werden vielleicht demnächst fortgehen von hier. / Warum wollen Sie fortgehen? / Wir sind wie die Vögel auf einem Baum. Wir wissen nicht, ob wir weiterziehen. / Die Vögel sind wir, Sie sind der Baum. Wenn Sie fortgehen, wo sollen wir Kraft schöpfen?"
Noch intensiver sind die Momente, in denen die Mönche miteinander diskutieren und ihre Ängste offenbaren. Das Ganze in großer französischer Tradition: intellektuell scharfsinnig, sprachlich geschliffen, in langsamen, ruhigen Bildern, jede Szene voller Kraft und Mitgefühl. Dass der Film in Frankreich so erfolgreich läuft, hat viele Gründe: Noch immer sind rund zwei Drittel der Bevölkerung katholischen Glaubens, wenn auch viele ohne große kirchliche Bindung.
Dann liebt das dortige Publikum französische Heldengeschichten. Und darüber hinaus gibt es ein steigendes Interesse, sich mit der kolonialen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Am wichtigsten jedoch erscheint zumindest Lambert Wilson die Tatsache, dass der Film das Zusammenleben von verschiedenen Menschengruppen thematisiert - und verloren gegangene Werte.
Lambert Wilson: "Ich denke, die Leute lieben diesen Film, weil er bestimmte Werte bringt, die wir heute brauchen: Liebe, Brüderlichkeit, auf den Nachbarn zugehen. Der Film sagt: "Habe keine Angst vor anderen!" In einer Zeit, in der alle sagen – insbesondere in Frankreich: "Habe Angst vor den Roma! Habe Angst vor den Arabern! Pass auf! Pass auf! Pass auf!
Diese Männer zeigen dir, was man mit einer gegensätzlichen Philosophie erreichen kann. Geh, und hilf den anderen! Und dann gibt es noch etwas, was meines Erachtens den Erfolg ausmacht: Diese Männer leben in einer anderen Zeit. Die Zeit läuft langsamer für sie. Es ist eine menschlichere Zeit, als die Zeit der modernen Welt. Das fühlt sich gut an."
Und nicht zuletzt überzeugt der Film, weil er das Heldenmuster zwar bedient, aber doch in einem ganz anderen Sinne, als wir es gewohnt sind.
"Sterben? Jetzt? Hier? Hat das wirklich einen Sinn? Ich habe das Gefühl, ich werde verrückt. / Es ist wahr, hier auszuharren ist ebenso verrückt, wie Mönch zu werden. / Aber vergiss nicht! Dein Leben hast du ja schon gegeben. Du hast es getan, um Christus zu folgen. ... / Ich weiß nicht, ob das noch wahr ist. Ich bete, aber kann nichts mehr hören. … Und mir fehlt das Verständnis. Zum Märtyrer werden? Wofür? Für Gott? Um Helden zu sein?"
Bruder Luc versorgt die Brandwunde eines kleinen Kindes. Er und die anderen Mönche des Klosters Tibhirine Sind für viele Belange ansprechbar: Wenn es um neue Schuhe geht, um Bildung oder auch um Liebe.
"Sag mal, wie merkt man, dass man wirklich verliebt ist? Tja, da ist dann dieses Gefühl in dir, das dich aufwühlt. Etwas in deinem Innersten. Das auch nicht kontrollierbar ist und dein Herz höher schlagen lässt ... Es eine Sehnsucht. Es ist ein schönes Gefühl."
Doch die Idylle trügt. In Algerien kämpfen Fundamentalisten für einen islamistischen Staat und gegen die Regierung, die gemeinhin als korrupt gilt. Im Land häufen sich die Gewalttaten, auch in der Nähe des Klosters. Junge Frauen, die im Bus ohne Kopftuch unterwegs sind, werden umgebracht. Ebenso nichtmuslimische, kroatische Bauarbeiter. Christian, der Abt des Klosters, gespielt von Lambert Wilson, ist entsetzt. Aber als ihm der Gouverneur militärischen Schutz anbietet, lehnt er ab.
"Ich glaube, das ist nicht angebracht. Nein. / Wie können Sie das sagen? Ihr Kloster ist nur 20 Kilometer vom gestrigen Tatort entfernt. Die Gewalttaten werden sich wiederholen."
Christian will nicht mit einer Armee kooperieren, die berüchtigt ist, das Volk zu unterdrücken und zu erpressen. Alle Mönche im Film haben historische Vorbilder. Christian de Chergé, der Abt, diente 1959 als Offizier in der Französischen Armee in Algerien. Damals rettete ihm ein muslimischer Freund das Leben, zwei Tage später wurde dieser von Radikalen ermordet. Für Christian ein einschneidendes Erlebnis, der größte Liebesbeweis in seinem Leben, wie Hauptdarsteller Lambert Wilson betont. Dennoch zeigt der Film keine Rückblende.
Lambert Wilson: "Ich glaube, man hätte ähnliche Momente von allen Charakteren zeigen können. Irgendwie hatten sie alle ein ‚Damaskus-Erlebnis’. Aber in dem Film geht es nicht so sehr darum ‚wer sie waren’, sondern ‚wozu sie sich entschlossen’.
Es geht mehr um ihre Wahl, ihre Zweifel, ihre Ängste. Es ist wichtiger die Diskussionen zu sehen, ihr Handeln, ihre Oppositionshaltung gegenüber den Fundamentalisten. Aber die Tatsache, dass er von einem muslimischen Freund gerettet wurde, war sehr wichtig für meine Vorbereitung. Ich glaube, dass Christian eine Art von Schuld gegenüber Algerien empfand. Nichts hätte ihn von seinem Weg abbringen können."
Doch Christians Ablehnung spaltet die Mönchsgruppe: die Mitbrüder fühlen sich bei der Entscheidung übergangen, und nicht alle teilen seine Meinung.
"Es ist das Grundprinzip gemeinschaftlichen Entscheidens, das du mit deiner Haltung in Frage stellst. / Bitte! Also! Wer wünscht ab sofort die Präsenz der Armee in unserem Kloster? / Du willst das, was wir sagen, einfach nicht verstehen. Was machen wir denn, wenn sie ins Kloster kommen? Lassen wir uns lächelnd umbringen?"
Plötzlich geht es grundsätzlich um die Frage, ob die Mönche Algerien verlassen sollen. Denn als Fundamentalisten gewaltsam ins Kloster eindringen, ist eine weitere Eskalation absehbar. Das, was den Film zu einem großen Erlebnis macht, ist das Wechselspiel: Hier einerseits der Klosteralltag mit Arbeit, Gebet und Gesang.
Da andererseits die Auseinandersetzungen, die die Mönche führen, z.B. wenn sie mit den Dorfbewohnern reden.
"Der beste Schutz sind Sie. Denn das Dorf steht und fällt mit diesem Kloster… / Ja, aber wir werden vielleicht demnächst fortgehen von hier. / Warum wollen Sie fortgehen? / Wir sind wie die Vögel auf einem Baum. Wir wissen nicht, ob wir weiterziehen. / Die Vögel sind wir, Sie sind der Baum. Wenn Sie fortgehen, wo sollen wir Kraft schöpfen?"
Noch intensiver sind die Momente, in denen die Mönche miteinander diskutieren und ihre Ängste offenbaren. Das Ganze in großer französischer Tradition: intellektuell scharfsinnig, sprachlich geschliffen, in langsamen, ruhigen Bildern, jede Szene voller Kraft und Mitgefühl. Dass der Film in Frankreich so erfolgreich läuft, hat viele Gründe: Noch immer sind rund zwei Drittel der Bevölkerung katholischen Glaubens, wenn auch viele ohne große kirchliche Bindung.
Dann liebt das dortige Publikum französische Heldengeschichten. Und darüber hinaus gibt es ein steigendes Interesse, sich mit der kolonialen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Am wichtigsten jedoch erscheint zumindest Lambert Wilson die Tatsache, dass der Film das Zusammenleben von verschiedenen Menschengruppen thematisiert - und verloren gegangene Werte.
Lambert Wilson: "Ich denke, die Leute lieben diesen Film, weil er bestimmte Werte bringt, die wir heute brauchen: Liebe, Brüderlichkeit, auf den Nachbarn zugehen. Der Film sagt: "Habe keine Angst vor anderen!" In einer Zeit, in der alle sagen – insbesondere in Frankreich: "Habe Angst vor den Roma! Habe Angst vor den Arabern! Pass auf! Pass auf! Pass auf!
Diese Männer zeigen dir, was man mit einer gegensätzlichen Philosophie erreichen kann. Geh, und hilf den anderen! Und dann gibt es noch etwas, was meines Erachtens den Erfolg ausmacht: Diese Männer leben in einer anderen Zeit. Die Zeit läuft langsamer für sie. Es ist eine menschlichere Zeit, als die Zeit der modernen Welt. Das fühlt sich gut an."
Und nicht zuletzt überzeugt der Film, weil er das Heldenmuster zwar bedient, aber doch in einem ganz anderen Sinne, als wir es gewohnt sind.
"Sterben? Jetzt? Hier? Hat das wirklich einen Sinn? Ich habe das Gefühl, ich werde verrückt. / Es ist wahr, hier auszuharren ist ebenso verrückt, wie Mönch zu werden. / Aber vergiss nicht! Dein Leben hast du ja schon gegeben. Du hast es getan, um Christus zu folgen. ... / Ich weiß nicht, ob das noch wahr ist. Ich bete, aber kann nichts mehr hören. … Und mir fehlt das Verständnis. Zum Märtyrer werden? Wofür? Für Gott? Um Helden zu sein?"