Ausgrabungen im Heiligen Land
Die Israelis machen ihre Ausgrabungen, wo sie wollen – es geht ihnen darum, ihre Existenzberechtigung im Land wissenschaftlich zu untermauern. Die Palästinenser wiederum versuchen den Zugriff auf archäologisch bedeutsame Orte zu kontrollieren. Auf dem Tempelberg vernichteten sie Spuren der israelitischen Geschichte, indem sie Funde aus der Zeit des Herodes auf Müllhalden kippten.
Der Haram Al-Scharif, das "edle Heiligtum" der Muslime in Jerusalem, ist ein Ort der Geheimnisse. Das Heiligtum besteht aus dem Felsendom mit seiner goldenen Kuppel und der langgezogenen Al-Aqsa-Moschee. Sie stehen seit 1300 Jahren genau dort, wo bis zum Jahr 70 nach Christus der israelitische Tempel stand. Dieser Ort ist nicht nur deshalb von Geheimnissen umwittert, weil das Heilige eben immer geheimnisvoll ist – sondern auch, weil die meisten nur seine Oberfläche kennen. Touristen dürfen die Moscheen seit 13 Jahren nicht einmal betreten, sondern nur von außen bestaunen.
Das steinerne Plateau, auf dem der Tempel stand und auf dem heute Felsendom und Al-Aqsa-Moschee stehen, ist fast 500 Meter lang und 300 Meter breit. Es erhebt sich mitten in der hügeligen Stadt Jerusalem, überspannt Berg und Tal. Pinien und Olivenbäume gruppieren sich zwischen den Gebäuden. Brunnen, Treppen und gepflasterte Wege erinnern an einen Park. Im Felsendom beschreibt Achmad, ein Touristenführer mit Stolz, was Muslimen das "edle Heiligtum", der Haram Al-Scharif, bedeutet.
„Der Prophet Mohammed steht für zwei große Wunder: Das erste ist der Heilige Koran, das zweite ist die Himmelfahrt. Nach dem zweiten Wunder kam der Prophet Mohammed aus Mekka hierher zur Al-Aqsa-Moschee mit seinem Pferd Al-Burak. Er betete mit den Propheten und stieg zum Himmel empor, und Gott wies ihn an, fünf mal am Tag zu beten. Er kehrte zur Al-Aqsa zurück und nach Mekka. – Und das steht im Heiligen Koran in der 16. Sure in den ersten Versen: Die Al-Aqsa-Moschee ist die am weitesten von Mekka entfernt gelegene.“
Ausgrabung mit dem Bulldozer
Zum Ärger der Muslime eroberte Israel im Sechs-Tage-Krieg im Juni 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem – und damit auch den Tempelberg oder Haram Al-Sharif. Die Verwaltung der Heiligen Stätten überließ die israelische Regierung den Muslimen. Leise, im Verborgenen, wehren sich die muslimischen Wächter der Heiligen Stätten gegen alle Eroberungsversuche. Der Waqf, die muslimische Behörde, versuchte schon Mitte der 1990er-Jahre, Spuren der israelitischen Geschichte, Spuren des Herodianischen Tempels unterhalb des künstlichen Plateaus zu vernichten. Ein unabhängiger Beobachter, der deutsche Archäologe Dieter Vieweger, hat es gesehen.
„Ganz offensichtlich haben die arabischen Arbeiter dort im Beisein, in Kenntnis des Waqf, der das verwaltet, unten aus den Hohlräumen heraus Erde herausgefahren und haben dann eine Moschee gebaut. Das, was man heute weiß, ist, dass diese Erde sehr viele alte Zeugnisse aus der Zeit Herodes‘ des Großen, aus der Zeit des Zweiten Tempels, enthalten hat, also archäologische Funde. Und das ist eben nicht ausgegraben worden, das ist ausgeschachtet worden und irgendwann mal nachts auf alten Müllkippen verkippt worden um Jerusalem herum. Das hat nun das Israel Antiquities Authority wieder rückgängig gemacht, indem man nun diese alte Erde durchsiebt und auf Funde aus der Zeit Herodes‘ des Großen wieder durchsucht.“
Seit 2004 untersucht der israelische Archäologe Gabriel Barkay das archäologische Material aus dem Inneren des Tempelbergs. Barkay ist Professor an der Bar-Ilan-Universität bei Tel Aviv und leitet die sogenannte „Tempelbergfunde-Rettungsoperation“. Sie wird finanziert von einer Organisation namens „El Ad“, der jüdisch-israelischen „Stiftung Davidsstadt“.
„Die Aktivitäten des Islamischen Stiftung Waqf, umfassten auch eine illegale Grabung ohne jede ordentliche Überwachung – eine gewaltige Ausgrabung, über 12 Meter tief und 40 Meter lang. Diese große Ausgrabung wurde auf barbarischste Weise von Bulldozern ausgeführt, an einem sehr delikaten Ort der Geschichte dieses Landes und der Geschichte des jüdischen Volkes. Mit diesem barbarischen Akt wurden 400 Lastwagenladungen voller archäologischen Materials vom Tempelberg entfernt. Alles wurde ins nahe gelegene Kidron-Tal gekippt.“
15.000 Jahre menschlicher Zivilisation
Barkay konnte mit seinen Funden 15.000 Jahre menschlicher Zivilisation auf dem Tempelberg nachweisen – in Form von getöpferten Gebrauchsgegenständen und Kunsthandwerk aus den 15 Jahrtausenden. Barkay gehört zu den israelischen Archäologen, die ihr Interesse vor allem auf die Zeit des ersten israelitischen Tempels richten. Mit jedem Fund hebräischer Inschriften aus der israelitischen Königszeit – also biblischen Quellen zufolge aus dem 11. bis 6. Jahrhundert vor Christus – untermauern Archäologen wie Barkay die Existenzberechtigung des heutigen Israel.
Auf der anderen Seite boykottiert die Verwaltung der Heiligen Stätten in Jerusalem, der Waqf, eben diese Versuche israelischer Archäologen – etwa durch das Beseitigen archäologischen Materials. Aber die Verdrängung der israelitischen Vorgeschichte des "edlen Heiligtums" der Muslime führt ins Leere. Der Haram Al-Scharif steht auf einem jüdischen Fundament – daran zweifelt kein seriöser Historiker.
Seit 1996 können Touristen an der gesamten Westmauer des Tempels entlang laufen – durch einen Tunnel. 488 Meter misst die Westmauer. Nur ein kleiner Teil, bekannt als "Klagemauer", ist sichtbar. Die Westmauer ist den Juden besonders heilig, weil sie dem Allerheiligsten des früheren Tempels am nächsten ist.
Im Tunnel zeugen die Steinblöcke von einem der größten Bauprojekte der Antike. Herodes, König der römischen Provinz Judäa, ließ den Tempel zu Jesu Lebzeiten errichten. Der Archäologe Dieter Vieweger, Direktor des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaften in Jerusalem, über das gigantische Werk des Herodes und seiner Untertanen:
„Er muss einen großen, in der römischen Welt auch sichtbaren und – ach – tollen Tempel einfach bauen. Und den baut er zu seinen Lebzeiten, und der war natürlich voller Glanz und Gloria. Dafür wird das ganze Tempel-Umfeld noch mal besser gegründet, das Tempel-Areal wird höher gesetzt. Die Mauern, die man heute noch sieht, die haben durch die zwei Jahrtausende unbeschadet jedes Erdbeben überlebt. Es war also ein Prunk- und Protzbau, wie man ihn sich nicht besser vorstellen kann, und eine Riesen- Ingenieurs- und technische Leistung, so etwas überhaupt auf dieses unebene Gelände in Jerusalem zu setzen – ein toller Tempel. Und der wird im Jahre 70 zerstört.“
Der Tempel des Herodes und die "Davidstadt"
Der Tempel des Herodes ist in seinen Ausmaßen bis heute sichtbar. Seine Existenz als judäisches Heiligtum kann niemand bestreiten. Um so wichtiger erscheint es einigen politisch motivierten Archäologen in Israel, die israelitische Vorgeschichte dieses Zweiten Tempels nachzuweisen, also den Ersten – vergleichsweise bescheidenen – Tempel, den Salomo bauen ließ. Noch bedeutender ist für diese Archäologen die „Davidsstadt“, eine Siedlung unterhalb des Tempelbergs, die König David gegründet haben soll.
Das archäologische Großprojekt wird vor allem von einer Siedler-Organisation namens „El Ad“ finanziert. Ihr Programm ist eindeutig. Sie wollen den Besitzanspruch auf diesen historischen Kern Jerusalems anmelden und archäologisch begründen. Unterstützt werden sie dabei von der Jerusalemer Stadtverwaltung und dem Staat Israel.
Das einzige Problem auf dem Weg zum archäologischen Park in der Davidsstadt sind die Palästinenser, die hier wohnen.
Für sie heißt derselbe Ort Silwan – ein gewachsener, ärmlicher Stadtteil Jerusalems. Noch wohnen 55.000 Palästinenser in Silwan. Aber die Organiation El Ad bemüht sich, den Stadtteil langsam zu judaisieren. Schon heute sind drei Viertel von Silwan im Besitz jüdischer Israelis. Einige wurden gewaltsam verdrängt, andere mussten ihre Häuser verkaufen. Immer wieder vertreibt die Stadt palästinensische Bewohner mit dem Argument, ihre Häuser seien "illegal" errichtet worden.
„Da, wo ich interessengeleitete Archäologie sehe, das wäre in Silwan, das heißt in der Davidsstadt, auch dort, wo man jetzt versucht, einen großen Garten anzulegen, den El Bustan, den es da schon als königlichen Garten früher einmal gegeben hat – und wo man sich aber überhaupt nicht scheut, 84 Familien, die dort ihre Häuser haben, einfach zu kündigen und ihnen den Abriss anzudrohen. Diese Leute hatten nie die Chance, legal dort ihr Haus zu bauen. Insofern kann man ihnen auch nicht vorwerfen, dass sie da keine Landbesitzurkunde haben. Also hier ist Archäologie wirklich im Sinne einer politischen Interessenlage verwendet, und dagegen muss man sich wenden.“
Im März 2009 rückten zum ersten Mal Bulldozer an, um Häuser in Silwan zu zerstören. Niemandem war es gelungen, die städtischen Behörden an ihrem Zerstörungswerk zu hindern, weder die Einsprüche einer lokalen Bürgerinitiative noch von israelischen Menschenrechtsgruppen noch der Protest der US-amerikanischen Regierung. Nicht einmal der unmittelbar bevorstehende Besuch der damaligen US-Außenministerin Clinton hatte die Stadtverwaltung von ihrem Plan abhalten können. Für Hatem Abdel Kader, Berater von Palästinenserpräsident Abbas, war schon damals die Absicht der Behörden klar:
„Ich denke, es ist eine Politik des Transfers gegen das palästinensische Volk, insbesondere in diesem Viertel, dem Silwan-Viertel. Ich denke, die Israelis versuchen, in Ost-Jerusalem Fakten zu schaffen und der ganzen Welt die Botschaft zu überbringen, dass Jerusalem Teil von Israel ist und dass Jerusalem die Hauptstadt Israels ist.“
Die arabischen Bewohner fürchten die Vertreibung
Die arabischen Bewohner des Viertels Silwan befürchten zurecht, dass sie langfristig aus ihrer Stadt vertrieben werden sollen. „Transfer“ lautet der Begriff dafür in der israelischen Politik. Palästinenser erkennen in der Stadtplanung der Israelis im arabischen Ost-Jerusalem den Versuch, ihnen die Existenzgrundlage zu rauben.
Rafiq Al-Husseini, Personalchef von Palästinenserpräsident Abbas, ist entsetzt.
“Wie Sie sehen können, ist das eine vollkommen arabische Gegend, wo Araber seit langer Zeit leben. Aber die Israelis wollen hier einen Park schaffen anstelle der 88 Häuer, in denen tausende Menschen leben.“
Aus der Sicht der Jerusalemer Stadtverwaltung geht es überhaupt nicht darum, Araber zu vertreiben, sondern um einen Verwaltungsakt. Die meisten der umstrittenen Häuser sind nach Auffassung der Behörde illegal in den 80er und 90er Jahren errichtet worden. Deshalb müssten sie abgerissen werden.
Unter dem Schutz der Behörden können so israelische Archäologen ungehindert arbeiten – sei es im israelischen Kernland, sei es im besetzten palästinensischen Westjordanland oder in Ost-Jerusalem. Wenn die Motive für ihre Arbeit weniger wissenschaftlich, sondern vielmehr politisch sind, ist auch das kein Hindernis für ihre Arbeit. Wenn es einen Sponsor gibt wie die Siedlerorganisation El Ad, macht politisch gesteuerte Archäologie zügige Fortschritte.
Zugleich liegt die Archäologie der Palästinenser weitgehend brach. „Es gibt keine palästinensische Archäologie mehr“, sagt Professor Ibrahim Al-Fani, ehemals der Leiter des archäologischen Instituts von Nablus im Westjordanland. Bis Mitte der 80er Jahre habe er im gesamten Westjordanland frei arbeiten können. In Nablus entdeckte Al-Fani ein römisches Theater und eine römische Pferderennbahn. Dann, 1986, verlor er sein Lebenswerk.
Es gibt keine palästinensische Archäologie mehr
„Ich war hundert Tage im Gefängnis. Als ich zurückkam, war mein Büro in Nablus zerstört, alles Material war gestohlen. Dann stellten sie mich vor ein Militärgericht und verurteilten mich zu hundert Tagen Gefängnis. – ‚Geh nach Hause’.“
Al-Fani wirft den israelischen Besatzern vor, sie hätten ihn inhaftiert, um seine archäologische Sammlung zu plündern. Alle wichtigen antiken Fundstücke bis hin zu ganzen Mosaiken hätten die israelischen Siedler damals mitgenommen – für ihre Sammlungen und Museen. Die Siedler hätten systematisch auf die Zerstörung der palästinensischen Archäologie hingearbeitet, erzählt Al-Fani.
„Wenn eine archäologische Ausgrabung vorhanden ist, dann bauen die Siedler eine Siedlung daneben und verkaufen die Ausgrabung als touristische Attraktion. Dafür nutzen sie es – etwa in Ariel, in Hebron und anderen Orten.“
Mit dem Beginn des zweiten Palästinenseraufstands, der zweiten „Intifada“, brach die Archäologie der Palästinenser vollends zusammen. Das Westjordanland ist seit 2002 übersät von Kontrollpunkten der israelischen Armee. Viele Wissenschaftler haben keinen freien Zugang mehr zu ihren Ausgrabungsstätten. Das archäologische Institut der Universität Bir Zeit wurde während des Aufstands geschlossen. Grabungen konnten nicht abgeschlossen werden. Heute verwittern offene Grabungsstätten, werden von Pflanzen überwuchert oder verkommen zu Müllkippen.
Wenn Professor Ibrahim Al-Fani heute an den Ort seines Wirkens in Nablus zurückkehrt, dann stehen ihm die Tränen in den Augen.
„Die Ausgrabungsstätten sind eine Müllhalde. Es ist unglaublich. Außerdem gibt es keinen Wissenschaftsbetrieb mehr, der angefangene Ausgrabungen noch auswertet und darüber publiziert.“
Mittlerweile haben sich die Bedingungen für die Archäologie etwas verbessert. Die israelische Besatzungsmacht hat Kontrollpunkte abgebaut. Dennoch haben die Archäologen in vielen Fällen nach wie vor keinen Zugang zu den archäologischen Stätten, wie Professor Dieter Vieweger aus Jerusalem beobachtet hat. Denn das Westjordanland ist unterteilt in A-, B- und C-Gebiete. In den ländlichen C-Gebieten hat Israel die Hoheit, nicht nur in Sicherheitsfragen, sondern auch in allen Verwaltungsangelegenheiten. Weil die palästinensische Behörde keinen Zugriff auf die archäologischen Stätten habe, fürchtet er Plünderungen:
„Ich war nie dabei, ich sehe es nicht, aber ich sehe natürlich, dass die Läden in der Altstadt von Jerusalem voll sind von wirklichem antiken Gut. Wo kommt das her? Da stehen keine Ausgrabungsnummern drauf, also das hat niemand wirklich ausgegraben. Und in Israel kann ich mir nicht vorstellen, dass man da irgendwelche Orte plündert, ohne dass es die israelische Behörde merkt. Das muss irgendwo aus diesen A-, B- oder C-Gebieten aus der Westbank kommen. Und da kommen Massen her. Sie können es selbst in Ebay nachprüfen, dass da palästinisches Gut ausgeplündert wird.“
Zudem fehlen die Archäologen im Westjordanland. Nach Viewegers Auffassung könnten die palästinensischen Universitäten heute wieder mehr Archäologen beschäftigen, vor allem an den Universitäten Bir Zeit bei Ramallah und Al Quds in Ost-Jerusalem. Viele Fachleute haben das Land aber verlassen und forschen heute in den USA, in Kanada oder anderswo in der Welt.
Es ist Freitagvormittag. Von den Minaretten schallen die Stimmen der Muezzine durchs Land. Aus einem Dorf südöstlich von Bethlehem tönt eine Freitagspredigt, herauf zur Spitze des Herodion, einem Hügel in den judäischen Bergen.
Herodionshügel und zionistische Ideologie
Auf dem Herodionshügel flattert die israelische Fahne im Wind. Dieser Ort inmitten palästinensischer Dörfer ist ein Stück jüdischer Geschichte. Die Ausgrabungen oben auf dem Berg zeugen von der Herrschaft des judäischen Königs Herodes des Großen. In den Jahrzehnten vor Christi Geburt residierte der judäische König von römischen Gnaden auch hier, in seinem Sommer-Palast und Rückzugsort für kriegerische Zeiten.
Für den Staat Israel gehört das Herodion zu den wichtigsten Nachweisen jüdischer Kultur, jüdischen Lebens und jüdischer Herrschaft im Land. Deshalb ist der Hügel nicht nur eine archäologische Ausgrabungsstätte, offen für Besucher, sondern auch eine wichtige Basis für die zionistische Ideologie.
Die Ausgrabungen am Herodion sind das Lebenswerk des Archäologen Ehud Netzer. Im Jahr 2007 fand er am Nordhang des Festungshügels das Grab des Herodes – aus der Sicht mancher Israelis ein weiteres Argument für Besitzansprüche auf das Heilige Land. Nathan Marcus, Leiter der Ausgrabungsstätte, ist sich sicher, dass es sich wirklich um das Grab des Herodes handelt.
„Mit diesem besonderen Stein, der hier gefunden wurde, wurden nur Könige oder sehr bedeutende Menschen bestattet. Und außerdem wird dieses Grab auch bei dem römischen Historiker Josephus Flavius erwähnt. Wir stützen uns auf das, was er geschrieben hat.“
Auch die neutestamentlichen Geschichten spielen zum Teil in Gebieten, die heute palästinensisch sind: in Bethlehem, in der Judäischen Wüste, in Jericho und Jerusalem. Die archäologischen Funde an Stätten der Geschichte Jesu sind natürlich für Israelis und Palästinenser auch von besonderem Interesse. Weniger aus politischen als aus wirtschaftlichen Gründen. Denn die Mehrzahl der Touristen im Lande sind christliche Pilger. Sie suchen selbst nach dem Ort in der Wüste, an dem der Barmherzige Samariter einen halbtoten Mann rettete.
Dabei ist die Geschichte vom Barmherzigen Samariter nur ein Gleichnis, das Jesus erzählte, also nie so geschehen. Aber es ist so eindrücklich, dass Christen im sechsten Jahrhundert auf halbem Weg zwischen Jerusalem und Jericho eine Kirche bauten – an einem Ort, wo die Geschichte hätte stattgefunden haben können, wenn sie je geschehen wäre. Die israelische Archäologie-Behörde hat die Überreste der Kirche ausgegraben und präsentiert sie seit drei Jahren Pilgern und Touristen. Schon zu Jesu Zeiten soll am selben Ort ein Rasthof gestanden haben, er wurde zur Pilgerstätte für Christen und im späten Mittelalter eine muslimische Karawanserei. Heute ist ein klimatisiertes Museum daraus geworden, voller Mosaiken aus antiken Synagogen, die israelische Archäologen im palästinensischen Westjordanland und im Gaza-Streifen fanden. Kobi Helfgott leitet die vermeintlich historische Stätte. Er sieht das „Gasthaus zum Barmherzigen Samariter“ als Bindeglied zwischen Juden, Samaritern und Christen. Es ist aber zugleich der Versuch der israelischen Archäologiebehörde, ein Stück besetztes palästinensisches Land zu erschließen und touristisch zu nutzen. Von Beutekunst kann aus Helfgotts Sicht dennoch keine Rede sein.
„Nein, das hat man nicht den Palästinensern gestohlen. Zuerst einmal müssen wir uns daran erinnern, dass wir uns hier immer noch in den besetzten Gebieten befinden. Jeder, der das möchte, hat die Möglichkeit, diesen Ort zu besuchen. Dieser Ort ist wirklich ein Symbol der Toleranz – wie die Geschichte vom Barmherzigen Samariter. Unsere Besucher sind Israelis, Palästinenser und Touristen – alle sind eingeladen, hierher zu kommen und das hier zu genießen.“