Medienaktivisten kämpfen für Araber-Quote
Jeder fünfte Israeli ist Araber, doch in den Massenmedien sind Araber extrem unterrepräsentiert. Schlecht für den Friedensdialog, meinen israelische Aktivisten. Ihr Versuch etwas daran zu ändern zeitigt erste Erfolge.
Eigentlich könnte Makbula Nassar rundum zufrieden sein. Sie hat studiert, kleidet und schminkt sich nach westlicher Mode und wird sogar weithin gehört, denn sie arbeitet als Moderatorin bei einem Lokalsender in Haifa. Doch die arabische Journalistin ist nicht rundum zufrieden, und die Gründe dafür sind wenig schmeichelhaft für die Branche, in der sie arbeitet.
Defizite in der Präsenz von Minderheiten
"Wenn man die hebräischen Medien analysiert, kann man durchaus den Eindruck bekommen, dass die israelische Gesellschaft nur von aschkenasischen, weißen Männern aus Tel Aviv und der Armee getragen wird und es keine Araber, Äthiopier, Frauen oder Minderheiten gibt, obwohl alle diese Gruppen in Israel sehr bedeutend sind."
Massive Defizite in der Präsenz von Minderheiten und ganz besonders der arabischen Bevölkerungsgruppe in den Mainstream-Medien Israels konstatiert auch Edan Ring von der Vereinigung zur Förderung der bürgerlichen Gleichstellung Sikkuy. Dies wiege umso schwerer, als gerade die Massenmedien die öffentliche Meinung prägen, indem sie sämtliche Ereignisse in Israel aus einer dezidiert jüdischen Perspektive betrachteten. Mit nur zwei Prozent arabischer Gesprächspartner in Rundfunk- und Fernsehsendungen sieht Edan Ring die israelische Realität nur sehr verzerrt dargestellt und bezeichnet sie hinsichtlich der Auswahl der wenigen arabischen Interviewpartner auch als sehr tendenziös.
Mit Arabern sprechen Medien fast nur über den Konflikt
"Das ist stets eine sehr negativ und feindlich eingestellte Gruppe. Die Medien sprechen mit Arabern nur über den Konflikt, über Kriminalität und Probleme. Von arabischen Wissenschaftlern, Hightech-Leuten, Erfindern oder Unternehmern, die wir auch hier in Israel haben, hören wir dagegen nichts. Da bekommt man schnell das starke Gefühl, dass die Araber kein positiver und wichtiger Teil der Gesellschaft sind. Was ja nicht stimmt, denn wir ignorieren sie ja ganz einfach."
Um dagegen anzugehen, hat die Organisation Sikkuy im Februar begonnen, Statistiken zu erstellen, wie oft im Laufe einer Woche in den fünf wichtigsten israelischen Rundfunk- und Fernsehkanälen insgesamt und darüber hinaus noch in einzelnen Sendungen mit besonders hohen Einschaltquoten arabische Interviewpartner zu hören oder zu sehen sind. Seit dem 1. März wird dieser sogenannte Repräsentanz-Index von einem Team um den Medienforscher Oren Persico auf der Webseite Seventh Eye veröffentlicht. Der Index belegt mit ganz nüchternen Zahlen, wer seinem journalistischen Auftrag gerecht wird und wer nicht. Den namentlich genannten Medienmachern wird der Spiegel vorgehalten, und auch der Öffentlichkeit wird gezeigt, dass es in Sachen Demokratie und Gleichheit noch sehr viel Wüste in der israelischen Medienlandschaft gibt. Ein Ansatz, der schon erste Erfolge gebracht hat, wie Oren Persico beschreibt.
"Noch am Anfang unseres Projektes war es so, dass im Morgenprogramm des Armeesenders Galei Zahal, einer Sendung mit sehr vielen Interviews jeden Morgen, sieben Wochen lang kein einziger Araber interviewt wurde. Und plötzlich, nachdem wir unsere Ergebnisse veröffentlicht hatten, hört man jede Woche mindestens zwei oder drei Araber. Also das ist immer noch sehr wenig, und diese Sendung, die eine sehr gute Einschaltquote hat, grüßt die 20 Prozent israelischen Araber ja nur ganz aus der Ferne und sieht die Diskriminierung eines großen Teils der Bevölkerung nicht wirklich als Problem. Auch die Programme mit den besten Ergebnissen sind noch sehr niedrig, selbst wenn sie mittlerweile bei 6,5 oder auch 8 Prozent angekommen sind. Aber immerhin ist es ein erster Schritt in die richtige Richtung."
Als überraschenden zweiten Schritt in die richtige Richtung wertet Edan Ring die Tatsache, dass sich einige Medienmacher tatsächlich bei ihrer journalistischen Ehre gepackt fühlten und mittlerweile sehr bewusst auf demografische Ausgewogenheit achten.
"Einige der wichtigsten Programme, wie die tägliche Nachrichtensendung 'London und Kirschenbaum' auf Kanal 10, dann die sehr wichtige Radiomorgensendung 'Tagesordnung' von Keren Neubach auf Reschet Bet zu sozialen Themen und nicht zuletzt ein wichtiges Morgenprogramm vom Armeesender, das der Redakteur Rasi Barka'i betreut – sie alle haben sich zu Wort gemeldet und erklärt, dass sie die Kampagne von Sikkuy und Seventh Eye unterstützen und eine Vorreiterrolle übernehmen wollen, um diese Veränderung durchzusetzen und die Nummer Eins bei der Repräsentanz von Arabern werden wollen. Vor weniger als zwei Monaten hätten wir nicht mal zu träumen gewagt, dass so etwas passieren würde."
Auch Medienforscher Oren Persico freut sich über diese Ergebnisse, verhehlt allerdings nicht, dass insgesamt die Situation noch alles andere als positiv und normal ist. Rundfunk und Fernsehen seien auch in Israel längst zu Wirtschaftsbetrieben geworden, sagt Persico, zugunsten der Einschaltquote bleibe da schon mal die journalistische Ausgewogenheit auf der Strecke. Quote oder Wahrheit heißt folglich die Herausforderung, damit Demokratie nicht zur leeren Phrase verkommt.
Grundstimmung gegenüber Arabern feindselig
"Also ich sehe einerseits natürlich die positiven Reaktionen, aber ich verstehe auch, dass es nicht so leicht umzusetzen ist, weil die Grundstimmung gegenüber Arabern in der israelischen Öffentlichkeit feindselig ist. Das ist traurig, aber leider eine Tatsache. Unsere Hoffnung ist dennoch, dass die kleinen Veränderungen bald nicht mehr die Ausnahme sind, sondern zur Normalität werden. Nur so kann auch die Feindschaft langsam zurückgehen."
Ein sehr wichtiger Baustein für eine mediale Gleichheit von Juden und Arabern ist neben dem Repräsentanz-Index von Sikkuy auch die sogenannte A-List, eine Datenbank mit Profilen und Kontaktdaten arabischer Experten aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Die Liste, an der die arabische Bürgerrechtsorganisation ANU seit Anfang des Jahres arbeitet, umfasst bereits mehr als 100 Namen von Frauen und Männern, die bereit und in der Lage sind, aus arabischer Sicht Journalisten künftig Rede und Antwort zu stehen, erklärt Projektmanagerin Makbula Nassar.
"Man findet da Akademiker, Forscher, Professoren, Frauen, andere erfolgreiche Leute, die wir zu bieten haben und die sozusagen unser Aushängeschild und unsere Vertreter sind. Und wenn man diese Liste sieht, dann wird man einfach stolz darauf, wie viele großartige Kapazitäten es in unserer Gesellschaft gibt."
Fachlich beraten wurden die jüdischen und arabischen Medienaktivisten von der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung. Seit mehr als fünf Jahrzehnten ist sie anerkannter Partner bei der Analyse zivilgesellschaftlicher Prozesse und bei der Suche nach Wegen zur Stärkung demokratischer Strukturen in Israel. Voraussetzung für einen Erfolg sei, den historisch gewachsenen und besonders in letzter Zeit sehr verhärteten Konflikt zwischen jüdischen und arabischen Israelis zu überwinden, sagt Stiftungsdirektor Dr. Werner Puschra.
"Dazu gehört auch, dass beide Bevölkerungsgruppen die jeweils andere respektieren und dass sie bereit sind, sich auch mit dem jeweils anderen Narrativ, also der anderen Erzählung, der anderen Erfahrung der jeweils anderen Gruppe, auseinandersetzen und zumindest den Versuch machen, sie zu verstehen. Und das ist manchmal schmerzhaft, für beide Seiten, zu hören, was die andere Seite denkt und sagt. Aber es ist wichtig, darüber hinwegzukommen, um eben eine gemeinsame Basis für Israel, für den Staat Israel zu schaffen."
"Projekt ist der Weg, um Israel zu retten"
Angesichts der jüngsten Welle von Terroranschlägen, die beinahe täglich neue Opfer kosten, genießen Projekte der Annäherung und Aussöhnung derzeit keine große Popularität in Israel. Und dennoch ist Sikkuy-Aktivist Edan Ring überzeugt, dass es keine Alternative gibt, als gerade jetzt gegen den Strom zu schwimmen.
"Ich glaube wirklich, dass unser Projekt, die israelisch-arabische Partnerschaft zu fördern, der Weg ist, um Israel zu retten. Wir brauchen diese Partnerschaft in Gleichheit, in den Medien, in der Öffentlichkeit, in den staatlichen Finanzen, um eine gute Zukunft für die nächsten Generationen zu sichern, also für mich ist das absolut pro-israelisch."