"Israel muss sich sicherlich bewegen"
Im Vorfeld von Friedensgesprächen im Nahen Osten "fällt es schwer, den Optimismus nicht aufzugeben", meint der CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz. Der demonstrative Siedlungsbau rund um Jerusalem sei nicht klug und schade den Interessen Israels.
Marietta Schwarz: Friedensgespräche im Nahen Osten gab es zwei Jahre lang nicht mehr, jetzt aber sieht es so aus, als könnten Israel und die Palästinenser bald wieder miteinander reden. Palästinenserpräsident Abbas hat seine Bereitschaft dazu signalisiert, aber auch Vorbedingungen gestellt, einen Siedlungsstopp im Westjordanland und einen eigenen Palästinenserstaat. Vorbedingungen, die der israelische Ministerpräsident Netanjahu ablehnt. Demonstrativ hat der gestern Abend dem Ausbau mehrerer Siedlungsschulen zugestimmt. Wie stehen die Chancen für einen Frieden im Nahen Osten? Fragen dazu an CDU-Politiker Ruprecht Polenz, den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Guten Morgen!
Ruprecht Polenz: Guten Morgen, Frau Schwarz!
Schwarz: Herr Polenz, hatten wir diese Ausgangssituation nicht schon x-fach? Es gibt Gespräche, aber schon im Voraus werden die Positionen klar abgesteckt und sind eigentlich unvereinbar.
Polenz: Ich glaube in der Tat, man hat seine Déjà-vu-Erlebnisse, wenn man die Nachrichten aus der Region sich anschaut, und es fällt schwer, den Optimismus nicht aufzugeben. Auf der anderen Seite gab es in der letzten Woche Nachrichten in ägyptischen Medien, wonach Israel bereit sein soll, für 90 Prozent im Westjordanland die palästinensische Autonomiebehörde verantwortlich zu machen, zwar Ostjerusalem auszuklammern, das Ganze als provisorische Lösung und einen wichtigen Schritt zu einem großen Abkommen hin darzustellen, das ist aber dann wieder umgehend von Israel dementiert worden. Allerdings deuten solche Nachrichten vielleicht doch darauf hin, dass hinter den Kulissen und verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit zwischen beiden Seiten etwas in Bewegung kommt.
Schwarz: Die palästinensische Position deckt sich ja mit der des sogenannten Nahostquartetts, dem Vermittlerteam aus EU, USA, Russland und der UN vor zwei Jahren – muss sich also endlich Israel bewegen?
Polenz: Israel muss sich sicherlich bewegen, auch im eigenen Interesse, denn ein palästinensischer Staat ist letztlich genauso im Interesse Israels wie im Interesse der Palästinenser, denn nur bei einer Zwei-Staaten-Lösung, wo Israel im Wesentlichen in den Grenzen von 1967 besteht und der palästinensische Staat in der West Bank im Gazastreifen und mit Teilen von Ostjerusalem oder mit Ostjerusalem als Hauptstadt, nur eine solche Zwei-Staaten-Lösung kann Israel auf Dauer als demokratischen jüdischen Staat erhalten. Das ergibt sich schon aus demografischen Gründen, und das sehen alle als die einzige wirkliche Friedensoption auf Dauer an. Und deshalb ist es sicherlich nicht klug, wenn Netanjahu jetzt demonstrativ wiederum bei der Siedlungstätigkeit auch rund um Jerusalem weitermacht. Das ist eine Politik, die auch den israelischen Interessen schadet.
Auf der anderen Seite, wenn ich das eben noch sagen darf, macht mir natürlich auch die Situation bei den Palästinensern Sorge, zum Beispiel sind die Wahlen, die langsam überfällig werden, immer wieder vertagt worden, jetzt auch die Kommunalwahlen, und die Frage, auf welcher Basis dann letztlich eine palästinensische Delegation nicht nur verhandelt, sondern dann auch Ergebnissen vielleicht zustimmen kann, die stellt sich dann natürlich auch.
Schwarz: Und Palästinenserpräsident Abbas hat ja die Hamas nicht hinter sich, die will gar keine Verhandlungen mit Israel. Kann, muss Abbas das ignorieren?
Polenz: Nein, auf Dauer wird man eine Lösung nur finden, sowohl für die West Bank wie für den Gazastreifen, da sind sich auch alle einig, also der Versuch, den Gazastreifen und die Probleme dort quasi zu ignorieren und auf Dauer auszuklammern, das wird auch nicht zum Erfolg führen. Und hier bemüht sich ja seit langem Ägypten um eine innerpalästinensische Versöhnung, auch sehr eifersüchtig darauf bedacht, dass Ägypten da die führende Rolle dabei behält, nur leider bisher ohne große Erfolge.
Schwarz: Wenn man um Zankäpfel weiß, wie die Grenzen des Sechstagekriegs von 1967 oder Ostjerusalem, sollte man diese Punkte dann vielleicht lieber bei den Verhandlungen ausklammern?
Polenz: Nein, das glaube ich nicht. Wir haben bei den Osloer Verhandlungen gelernt, dass der eigentlich vernünftige Ansatz, wir fangen mit den einfachen Problemen an, versuchen die zu lösen, bauen auf diese Weise Vertrauen auf und arbeiten uns dann Schritt für Schritt zu den schwierigeren Fragen vor, dass dieser Weg letztlich nicht funktioniert hat. Es sind sich inzwischen, glaube ich, alle einig, das man praktisch auch von Anfang an, wenn man wieder miteinander spricht, über die sogenannten Endstatusfragen reden muss, das sind eben Grenzen, also die Frage der Grenzen, die Frage der Hauptstadt, also von Jerusalem, das ist die Frage der palästinensischen Flüchtlinge, also man muss über diese Fragen von Anfang an mitsprechen, wenn die Sache Erfolg haben soll.
Schwarz: Aber Herr Polenz, müssten wir vielleicht dieses Problem, diesen Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern und die Lösung nicht ganz neu denken, Stichwort, vielleicht müssen wir uns ja auch von der Zwei-Staaten-Lösung verabschieden und hin zu einer Ein-Staaten- oder Drei-Staaten-Lösung kommen?
Polenz: Also bei einer Ein-Staaten-Lösung, da ist ein Staat zwischen Jordan und Mittelmeer einschließlich West Bank und Gazastreifen und dem heutigen Israel, wird der Staat Israel kein demokratischer jüdischer Staat mehr sein können, jedenfalls nicht auf Dauer, aus demografischen Gründen, weil die Bevölkerung dann eben die israelischen Juden in der Minderheit sehen würde. Und ich glaube, deshalb wird sich Israel auf eine solche Lösung nicht einlassen können und nicht einlassen wollen. Eine Drei-Staatenlösung, da stellte sich die Frage nach Lebensfähigkeit etwa der Entität im Gazastreifen, und natürlich würde sich auch für die Palästinenser die Frage stellen, ob sie sich auf eine solche weitere Zersplitterung einlassen könnten. Auch für Israel, glaube ich, ist das keine akzeptable Lösung. Nein, davon halte ich nichts.
Schwarz: Der CDU-Politiker und Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, war das. Herr Polenz, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Polenz: Bitte schön!
Ruprecht Polenz: Guten Morgen, Frau Schwarz!
Schwarz: Herr Polenz, hatten wir diese Ausgangssituation nicht schon x-fach? Es gibt Gespräche, aber schon im Voraus werden die Positionen klar abgesteckt und sind eigentlich unvereinbar.
Polenz: Ich glaube in der Tat, man hat seine Déjà-vu-Erlebnisse, wenn man die Nachrichten aus der Region sich anschaut, und es fällt schwer, den Optimismus nicht aufzugeben. Auf der anderen Seite gab es in der letzten Woche Nachrichten in ägyptischen Medien, wonach Israel bereit sein soll, für 90 Prozent im Westjordanland die palästinensische Autonomiebehörde verantwortlich zu machen, zwar Ostjerusalem auszuklammern, das Ganze als provisorische Lösung und einen wichtigen Schritt zu einem großen Abkommen hin darzustellen, das ist aber dann wieder umgehend von Israel dementiert worden. Allerdings deuten solche Nachrichten vielleicht doch darauf hin, dass hinter den Kulissen und verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit zwischen beiden Seiten etwas in Bewegung kommt.
Schwarz: Die palästinensische Position deckt sich ja mit der des sogenannten Nahostquartetts, dem Vermittlerteam aus EU, USA, Russland und der UN vor zwei Jahren – muss sich also endlich Israel bewegen?
Polenz: Israel muss sich sicherlich bewegen, auch im eigenen Interesse, denn ein palästinensischer Staat ist letztlich genauso im Interesse Israels wie im Interesse der Palästinenser, denn nur bei einer Zwei-Staaten-Lösung, wo Israel im Wesentlichen in den Grenzen von 1967 besteht und der palästinensische Staat in der West Bank im Gazastreifen und mit Teilen von Ostjerusalem oder mit Ostjerusalem als Hauptstadt, nur eine solche Zwei-Staaten-Lösung kann Israel auf Dauer als demokratischen jüdischen Staat erhalten. Das ergibt sich schon aus demografischen Gründen, und das sehen alle als die einzige wirkliche Friedensoption auf Dauer an. Und deshalb ist es sicherlich nicht klug, wenn Netanjahu jetzt demonstrativ wiederum bei der Siedlungstätigkeit auch rund um Jerusalem weitermacht. Das ist eine Politik, die auch den israelischen Interessen schadet.
Auf der anderen Seite, wenn ich das eben noch sagen darf, macht mir natürlich auch die Situation bei den Palästinensern Sorge, zum Beispiel sind die Wahlen, die langsam überfällig werden, immer wieder vertagt worden, jetzt auch die Kommunalwahlen, und die Frage, auf welcher Basis dann letztlich eine palästinensische Delegation nicht nur verhandelt, sondern dann auch Ergebnissen vielleicht zustimmen kann, die stellt sich dann natürlich auch.
Schwarz: Und Palästinenserpräsident Abbas hat ja die Hamas nicht hinter sich, die will gar keine Verhandlungen mit Israel. Kann, muss Abbas das ignorieren?
Polenz: Nein, auf Dauer wird man eine Lösung nur finden, sowohl für die West Bank wie für den Gazastreifen, da sind sich auch alle einig, also der Versuch, den Gazastreifen und die Probleme dort quasi zu ignorieren und auf Dauer auszuklammern, das wird auch nicht zum Erfolg führen. Und hier bemüht sich ja seit langem Ägypten um eine innerpalästinensische Versöhnung, auch sehr eifersüchtig darauf bedacht, dass Ägypten da die führende Rolle dabei behält, nur leider bisher ohne große Erfolge.
Schwarz: Wenn man um Zankäpfel weiß, wie die Grenzen des Sechstagekriegs von 1967 oder Ostjerusalem, sollte man diese Punkte dann vielleicht lieber bei den Verhandlungen ausklammern?
Polenz: Nein, das glaube ich nicht. Wir haben bei den Osloer Verhandlungen gelernt, dass der eigentlich vernünftige Ansatz, wir fangen mit den einfachen Problemen an, versuchen die zu lösen, bauen auf diese Weise Vertrauen auf und arbeiten uns dann Schritt für Schritt zu den schwierigeren Fragen vor, dass dieser Weg letztlich nicht funktioniert hat. Es sind sich inzwischen, glaube ich, alle einig, das man praktisch auch von Anfang an, wenn man wieder miteinander spricht, über die sogenannten Endstatusfragen reden muss, das sind eben Grenzen, also die Frage der Grenzen, die Frage der Hauptstadt, also von Jerusalem, das ist die Frage der palästinensischen Flüchtlinge, also man muss über diese Fragen von Anfang an mitsprechen, wenn die Sache Erfolg haben soll.
Schwarz: Aber Herr Polenz, müssten wir vielleicht dieses Problem, diesen Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern und die Lösung nicht ganz neu denken, Stichwort, vielleicht müssen wir uns ja auch von der Zwei-Staaten-Lösung verabschieden und hin zu einer Ein-Staaten- oder Drei-Staaten-Lösung kommen?
Polenz: Also bei einer Ein-Staaten-Lösung, da ist ein Staat zwischen Jordan und Mittelmeer einschließlich West Bank und Gazastreifen und dem heutigen Israel, wird der Staat Israel kein demokratischer jüdischer Staat mehr sein können, jedenfalls nicht auf Dauer, aus demografischen Gründen, weil die Bevölkerung dann eben die israelischen Juden in der Minderheit sehen würde. Und ich glaube, deshalb wird sich Israel auf eine solche Lösung nicht einlassen können und nicht einlassen wollen. Eine Drei-Staatenlösung, da stellte sich die Frage nach Lebensfähigkeit etwa der Entität im Gazastreifen, und natürlich würde sich auch für die Palästinenser die Frage stellen, ob sie sich auf eine solche weitere Zersplitterung einlassen könnten. Auch für Israel, glaube ich, ist das keine akzeptable Lösung. Nein, davon halte ich nichts.
Schwarz: Der CDU-Politiker und Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, war das. Herr Polenz, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Polenz: Bitte schön!