Israel und EU

Doppelspiel um Waren aus Siedlergebieten

Wein, der im von Israel besetzten Westjordanland produziert wurde: Das Berliner KaDeWe nahm solche Produkte kurzzeitig aus dem Angebot.
Wein, der im von Israel besetzten Westjordanland produziert wurde: Das Berliner KaDeWe nahm solche Produkte kurzzeitig aus dem Angebot. © dpa / picture alliance / Jim Hollander
Von Yiftach Ashkenazi · 26.01.2016
Europas Handelspolitik gegenüber Israel ist halbherzig, meint der Schriftsteller Yiftach Ashkenazi. Wenn die EU tatsächlich die israelische Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten beeinflussen wolle, dann genüge die bisherige Symbolpolitik nicht.
Die Geschichte, von der ich erzählen möchte, hat sich bereits im November vergangenen Jahres ereignet. Sie sorgte kurz für große Aufregung in Deutschland und in Israel – und war dann schon wieder vergessen. Warum ich trotzdem darüber sprechen will? Weil es um mehr ging als um acht israelische Weinsorten in einem deutschen Kaufhaus. Und weil Europa sich endlich der Frage stellen muss, ob es kraft seiner Handelsmacht die israelische Siedlungspolitik verändern will.
Es geschieht nicht oft, dass die Schlagzeilen der israelischen Presse vom Sortiment eines Berliner Kaufhauses bestimmt werden. Das KaDeWe hatte acht Weine aus dem Sortiment genommen. Denn auf den Flaschen stand "Made in Israel" – dabei stammten sie aus besetzten Siedlungsgebieten. Ein Verstoß gegen europäische Kennzeichnungs-Pflichten, meinte das KaDeWe.
Sofort rief ein israelischer Radiosender live im KaDeWe an und wollte das Management sprechen. Eine Webseite schilderte, wie schon die Nazis die damaligen jüdischen Eigner drangsalierten. Premierminister Netanjahu rief bei Kanzlerin Merkel an. Und obwohl sich das KaDeWe rasch entschuldigte und die Weine längst wieder verkauft, ist es zum Symbol geworden. Es stand plötzlich für die harte europäische Haltung gegenüber Israel – und die ist in den Augen der israelischen Regierung unfair, voreingenommen und sogar antisemitisch.
Die Reaktionen waren teils paranoid
Natürlich ist es sehr einfach, das KaDeWe und die EU zu verteidigen. Das Kaufhaus hat nichts Falsches getan – und die EU hat das Recht, Produkte zu kennzeichnen, die aus den Siedlungsgebieten auf der West Bank kommen, die die EU als illegal ansieht. Europa muss die Siedlungspolitik nicht unterstützen, auch wenn die israelische Regierung das nicht wahrhaben will. Dies als antisemitisch abzutun und damit zu vergleichen, wie die Nazis 1938 gegen jüdische Händler vorgegangen sind, ist wirklich paranoid. Die kleine Episode hatte ja auch keinerlei Folgen. Aber genau das ist das Problem.
Wenn Europa ernsthaft die israelische Siedlungspolitik beeinflussen will, dann muss Europa anders vorgehen. Waren aus Siedlungsgebieten zu kennzeichnen, wird nichts verändern. Die israelische Regierung unterscheidet ganz bewusst nicht zwischen Produkten, die innerhalb der von den Vereinten Nationen anerkannten Grenzen hergestellt wurden, und Produkten, die aus besetzten Gebieten stammen. Und die Regierung wird alles daran setzen, dass auch sonst niemand diese Waren unterscheiden kann. Denn dann wäre plötzlich jedes einzelne israelische Handelsgut bedroht. Und dann könnte die konservative Regierung behaupten, die europäischen Vorschriften richteten sich gegen alles aus Israel und seien daher antisemitisch. Und sogar die linke Opposition würde beginnen, die Siedlerprodukte zu verteidigen.
Europa muss das doppelte Spiel beenden
Das macht mich traurig. Denn ich fürchte, dass die Siedlungspolitik die Sicherheit Israels gefährdet und unsere Zukunft aufs Spiel setzt. Ich weiß wirklich nicht, was zu tun ist. Ich bin auch nicht sicher, ob ein Boykott überhaupt der richtige Weg ist. Eines aber glaube ich: dass Europa sein doppeltes Spiel beenden muss. Denn was sind schon ein paar Flaschen Wein in den Regalen eines Berliner Edel-Kaufhauses – angesichts der so engen und überaus starken Handelsverbindungen?
Das KaDeWe ist kein Symbol einer angeblich klaren Haltung gegenüber der israelischen Siedlungspolitik. Und deshalb hat sich die Geschichte aus dem vergangenen November noch lange nicht erledigt. Denn sie ist selbst ein Symbol: für die bittere Erkenntnis, dass Europa in seiner Inkonsequenz die gefährliche Siedlungspolitik nicht etwa schwächt, sondern womöglich sogar stärkt.
Yiftach Ashkenazi, Jahrgang 1980, Schriftsteller. Er studierte Geschichte und Cultural Studies und arbeitete in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Sein erster Roman "Die Geschichte vom Tod meiner Stadt" (Luchterhand Literaturverlag) erzählt von seinem Geburtsort Karmiel im Norden Israels, den er nach dem Militärdienst wieder besuchte und nun mit anderen Augen sah. Weitere Veröffentlichungen: "Birkenau my love", "Persona non grata" sowie der Roman "Fulfillment" (2014), in dem er die Geschichte der israelischen Linken erzählt.
Der israelische Schriftsteller Yiftach Ashkenazi
Der israelische Schriftsteller Yiftach Ashkenazi© Luchterhand Literaturverlag
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