Eine kulinarische Annäherung in Berlin
Das ist der Geschmack Israels, könnte man meinen. Aber dieser Brei aus Kichererbsen ist ursprünglich eine arabische Speise. In Berlin eröffnen inzwischen auch jüdische Zuwanderer aus Israel Hummus-Restaurants - und geben ihren Lokalen arabische Namen.
Jeden Morgen das gleiche Bild: Ze’ev Avrahami – ein bäriger Kerl Anfang 40 - überquert die Kastanienallee in Prenzlauer Berg. Langsam, fast ein bisschen zu langsam - selbst für Berliner Verhältnisse -- und schließt sein kleines Lokal Sababaauf.
Licht an. Dann in die Küche. Die kleinen, bleichgelben Hülsenfrüchte erwarten ihn schon geduldig in einem Riesentopf:
"Das sind Kichererbsen. Ich hab sie über Nacht einweichen lassen. Guter Hummus braucht Liebe."
Guter Hummus braucht Zeit und Liebe
Hingabe und Zeit. Ze’ev ist auf der Sinai Halbinsel geboren, war früher Journalist, arbeitete in New York, dann wieder in Israel. Inzwischen lebt er seit vier Jahren in Berlin, ist mit einer Deutschen verheiratet und hat mit ihr hier eine Familie gegründet:
"Als Einwanderer denkt man oft an das, was man vermisst. Wenn Du also Immigrant aus Israel bist, was vermisst Du? Den Strand, die Sonne und Du vermisst die einheimische Küche. Sehr. Die Sonne und den Strand kann ich nicht nach Berlin bringen. Unsere Küche schon. Verstehst Du!"
Hummus – in Israel Grundnahrungsmittel – ist eine Paste aus gekochten Kichererbsen, Sesamöl ...
"Zitrone, Salz, nur ein bisschen Knoblauch, denn die Deutschen mögen Knoblauch nicht so sehr."
Dabei ist diese Speise gar nicht original israelisch, sondern ursprünglich arabisch. Die ersten jüdischen Siedler in Palästina haben sie für sich entdeckt. Diese zähe Paste, die einem stundenlang im Magen liegen kann und für viele Exilisraelis so viel mit Heimat und Identität zu tun hat.
Es kommt auf die richtigen Zutaten an
Um seine speziellen Zutaten und vor allem den richtigen Kichererbsen-Nachschub zu besorgen, muss Ze’ev Avrahami einmal quer durch die Stadt. Mit seinem Lieferwagen Richtung Süden, nach Neukölln:
"Das Leben in Berlin ist so angenehm und friedlich. Schau. Das ist eine Metropole und sie klingt wie ein Dorf. Wenn man in Berlin ankommt, geht man erst einmal aus, man amüsiert sich und hat Spaß. Aber dann kriecht diese Stadt in Dich hinein. Wenn man Jude ist, ist das jedenfalls so. Bislang habe ich Berlin immer mit den jüdischen Opfern in Verbindung gebracht, doch jetzt erkenne ich, wie viel jüdisches Leben es hier gegeben haben muss. Berlin hat mich meiner jüdischen Identität viel näher gebracht."
Ankunft im Lebensmittelgroßhandel am anderen Ende der Stadt. Dort, wo viele Berliner muslimische Wurzeln haben.
Der Ladenbesitzer, den Zeev "Thchina" (Sesamöl) nennt, begrüßt ihn mit Handschlag und preist seine Produkte an:
"Ich habe davon als 800-Gramm-Dose."
Kichererbsen, jede Menge Konserven, Öle, Fladenbrot, Gewürze, frische Kräuter - Importe aus Syrien, Jordanien, dem Libanon. Koran-Verse wabern dazwischen leise aus einem Ghettoblaster. In einer Ecke hinten im Geschäft: gefaltete Hisbollah-Fahnen. Ze’ev schnappt sich schnell eine Riesenflasche:
"Das Olivenöl ist genau das, was wir auch in Israel haben. Hier stammt es nur von der anderen Seite der Grenze."
Im Topf verschwimmen die Grenzen
Grenzen, die anderswo schwer zu überwinden sind, verschwimmen im Hummustopf:
"Anfangs trauten wir uns nicht so recht über den Weg. So ist es immer. Inzwischen ist es sehr nett. Die Probleme bleiben verborgen und kommen nicht an die Oberfläche. Aber das ist mir egal."
Eine Stunde später steht Ze'ev wieder in seiner eigenen Küche. "End of the road" oder "Iranian Love Bomb" heißen die Speisen auf der Mittagskarte. Ze’ev will für die israelischen Zuwanderer in Berlin kochen genauso wie für Touristen, Neuberliner und Altberliner. Der Name des Restaurant – Sababa – ist übrigens arabischer Slang und heißt "toll"!