Israelischer Überraschungsangriff

Von Matthias Bertsch |
Er ist als einer der kürzesten Kriege der Menschheit in die Geschichte eingegangen: der Sechs-Tage-Krieg zwischen Israel, Ägypten, Jordanien und Syrien. Doch so schnell die Kampfhandlungen auch zu Ende waren. Die Folgen des Krieges bestimmen bis heute den politischen Alltag in Nahost.
"Eben hat Radio Kairo bekannt gegeben, dass der Krieg mit Israel begonnen hat. Ich habe schnell hier den Transistor eingeschaltet auf Radio Kairo, um das erste Kriegslied von den Ägyptern, das in dieser Minute gespielt wird, aufzunehmen."

Das Kriegslied auf Radio Kairo kündigt das Ende Israels an. Nach dem Unabhängigkeitskrieg und der Suez-Krise begann am 5. Juni 1967 der dritte israelisch-arabische Krieg innerhalb von 20 Jahren. In den Wochen zuvor hatten die syrische und die ägyptische Staatsführung mehrfach von der Zerstörung des jüdischen Staates gesprochen. Als der ägyptische Staatschef Gamal Abdel Nasser im Mai '67 immer mehr Truppen auf die Sinai-Halbinsel verlegen und den Golf von Akaba für israelische Schiffe sperren ließ, spitzte sich die Lage zu. Schließlich ging Israel in die Offensive: In einem Überraschungsangriff am 5. Juni wurde ein Großteil der ägyptischen Luftwaffe im Sinai zerstört. Die militärischen Erfolge gegenüber Syrien und Jordanien fielen ähnlich eindeutig aus, und so konnte der Chef der israelischen Streitkräfte, der spätere Premierminister Jitzhak Rabin, bereits am 8. Juni verkünden:

"Heute befindet sich de facto das gesamte Landgebiet westlich des Jordans in unserer Hand, einschließlich der Altstadt von Jerusalem, einschließlich Jericho am Toten Meer."

Am 10. Juni vertrieb Israel die letzten syrischen Truppen von den Golanhöhen, nach nur sechs Tagen war der Krieg zu Ende, doch seine Folgen sind bis heute zu spüren. Im November 1967 forderte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Israel zum Rückzug aus besetzten Gebieten auf. Unklar blieb, ob in der Resolution 242 alle oder nur einige der besetzten Gebiete gemeint waren. Die israelische Regierung machte schnell deutlich, dass ein vollständiger Rückzug für sie nicht infrage kam: Im Gegensatz zum Sinai, der 1982 an Ägypten zurückgegeben wurde, wurde Gesamt-Jerusalem einschließlich des arabischen Ostteils 1980 zur "ewigen und unteilbaren Hauptstadt Israels" erklärt. Der Bau jüdischer Siedlungen in weiten Teilen des Gazastreifens und des Westjordanlandes hatte damals längst begonnen. Der israelische Architekt Eyal Weizman hat sich in verschiedenen Studien mit den Siedlungen auseinandergesetzt.

"Ursprünglich wurden sie auf der Spitze von Hügeln gebaut, um die Hauptverkehrswege und die palästinensischen Dörfer zu überwachen. Aber mit der Zeit sind die Siedlungen größer und selbst zu einer Art Mauer geworden. Sie verhindern, dass die palästinensischen Städte wachsen können. Es findet so was wie ein Wettstreit um den Raum statt, in dem man sich bewegen kann, ganz ähnlich wie bei dem japanischen Brettspiel Go, bei dem man seinen Gegner mit Spielsteinen einkesseln muss."

Doch obwohl sich die palästinensischen Städte im Westjordanland und dem Gazastreifen kaum ausdehnen konnten, hat die Zahl der Palästinenser in den besetzten Gebieten über die Jahre nicht ab- sondern zugenommen. Die Geburtenrate ist deutlich höher als auf israelischer Seite. Und so sieht sich Israel trotz, oder besser wegen, seiner Eroberungen im Sechs-Tage-Krieg 40 Jahre nach dessen Beginn mit einem anderen Problem konfrontiert: dem demografischen. Zu den gut eine Million Arabern, die die israelische Staatsbürgerschaft besitzen, kommen noch einmal über zwei Millionen Palästinenser im Westjordanland. Will Israel ein demokratischer Staat bleiben, führt kein Weg daran vorbei, auf Dauer allen in seinem Herrschaftsbereich lebenden Menschen die Bürgerrechte zuzugestehen, also auch den Palästinensern unter israelischer Besatzung. Das aber, so der israelische Geostratege Arnon Soffer, würde das Ende des jüdischen Staates bedeuten. Auf Dauer sieht er nur eine Lösung: den Rückzug aus weiten Teilen der im Sechstagekrieg besetzten Gebiete.

"Ich bin froh, dass wir mit Gaza angefangen haben, aber wenn Gaza der letzte Rückzug ist, dann haben wir in 15 Jahren das gleiche Problem, denn in 20 Jahren werden allein in Israel und dem Westjordanland genauso viel Araber leben wie Juden. Deshalb empfehle ich den nächsten Rückzug. Wir müssen 70.000 Siedler abziehen, das wird nicht einfach sein, aber wenn wir überleben wollen, ist das der einzige Weg."


Programmtipp: "Hintergrund Politik", 18.40 Uhr im Deutschlandfunk: "Geschichte aktuell: 6 Tage, die den Nahen Osten veränderten. Vor 40 Jahren: Israels Angriff gegen Ägypten, Syrien und Jordanien"
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