Israels Botschafter Jeremy Issacharoff

"Besser in geschlossenen Räumen verhandeln"

Israels Botschafter Jeremy Issacharoff sitzt zwischen mehreren Leuten, er trägt einen Anzug und eine Krawatte.
Lehnt es ab, mit der AfD zu sprechen: Israels Botschafter Jeremy Issacharoff. © imago/Uwe Steinert
Jeremy Issacharoff im Gespräch mit Sebastian Engelbrecht |
Israels Botschafter Jeremy Issacharoff will den Streit mit der Bundesregierung nicht in der Öffentlichkeit austragen. Premier Netanjahu hatte sie aufgefordert, das Jüdische Museum in Berlin nicht zu unterstützen – wegen seiner "propalästinensischen" Haltung.
Der Streit zwischen Deutschland und Israel über die Unterstützung des Jüdischen Museums solle "auf der Regierungsebene" ausgetragen werden, sagt der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff. Zuletzt hatte Staatschef Benjamin Netanjahu die Bundesregierung kritisiert, weil diese das Jüdische Museum in Berlin unterstützt, dort aber eine propalästinensische Haltung herrsche. Doch nicht nur das Museum ist dem Staatschef unlieb.
Während der deutsch-israelischen Regierungskonsultationen im Oktober hatte die israelische Regierung der deutschen ein Papier übergeben, in dem verschiedene Institutionen gelistet werden, "die gegen den Staat Israel und seine Legitimität vorgehen". "Diese Dinge werden ganz ruhig im innersten Kreis behandelt", sagt Issacharoff.
Der Botschafter begrüßte, dass der Antisemitismus-Begriff erweitert werde auf vermeintliche Kritik am Staat Israel, die tatsächlich Ausdruck des Hasses auf Juden ist. Der Bundestag hatte im Januar entschieden, den Begriff so neu zu definieren. Denn Antisemitismus bedrohe nicht nur Juden oder Israelis, sondern die deutsche Demokratie.
Mit der rechtsextremen AfD wolle er nicht sprechen, sagte Issacharoff. Sein Haus unterhalte keine Verbindung zu der Partei. Und auch wenn die AfD versuche, Kontakt aufzunehmen, werde seine Botschaft nicht reagieren, sagte Issacharoff.
Das Interview im Wortlaut:
Deutschlandfunk Kultur: Ich begrüße Jeremy Issacharoff, der seit anderthalb Jahren Botschafter des Staates Israel in Berlin ist.
Guten Tag, Exzellenz!
Issacharoff: Guten Tag.
Deutschlandfunk Kultur: Herzlich willkommen im Studio von Deutschlandfunk Kultur. Herr Botschafter – wie gefällt Ihnen das Leben in Berlin, der Stadt mit der größten israelischen Community in Deutschland, die aber auch immer noch die Stadt der Wannsee-Konferenz ist?
Issacharoff: Als ich nach Deutschland kam, war es für mich tatsächlich ein Ort, der viele Gefühle weckte. Aber ich muss sagen: Das Hauptgefühl, der Eindruck, den ich habe, seit ich nach Berlin gekommen bin, ist, dass ich viele Dinge in dieser Stadt finde, es ist eine sprudelnde Stadt, eine Stadt voller Freundschaft und Freunde. Insgesamt fühle ich mich hier zu Hause. Wir genießen die Stadt sehr und treffen hier viele Menschen, treffen uns mit vielen Freunden, die wir im vergangenen Jahr kennengelernt haben. – Es ist aber zugleich sehr schwer, die Vergangenheit beiseite zu lassen. Die Geschichte begleitet uns bis heute. Aber ich denke, das ist insgesamt eine spannende Stadt und eine spannende Aufgabe.
Deutschlandfunk Kultur: In den vergangenen zwei Jahren sind Antiisraelismus und Antisemitismus in Deutschland deutlicher spürbar geworden. Auch deswegen hat sich der Bundestag im Januar auf einen neuen Antisemitismus-Begriff verständigt. Antisemitismus umfasst jetzt auch "alle antisemitischen Äußerungen und Übergriffe, die als vermeintliche Kritik an der Politik des Staates Israel formuliert werden, tatsächlich aber einzig und allein Ausdruck des Hasses auf jüdische Menschen und ihre Religion sind". Ist das aus Ihrer Sicht ein Fortschritt?
Issacharoff: Ja, ich denke, der Schritt des Bundestags ist ein sehr guter. Und ich denke, dass der Kampf gegen den Antisemitismus auf der obersten Stufe beginnt. Ich muss sagen, im Laufe des vergangenen Jahres, seit ich in Deutschland bin, gab es einige Fälle von Antisemitismus. Wir haben eindeutige Reaktionen der deutschen Führung erlebt, und ich denke, das ist sehr wichtig. Natürlich sind auf allen Ebenen ergänzende Schritte gegen dieses Phänomen nötig, in allen Einrichtungen und Situationen. Es handelt sich um ein Phänomen, das nicht nur die Juden oder Israelis bedroht.

Antisemitismus bedroht die Demokratie

Es bedroht im Grunde die deutsche Demokratie. Und ich denke, das ist es, woran sich die Menschen erinnern müssen: Antisemitismus ist eine Sache, die nicht nur fast das jüdische Volk vernichtet hätte. Aber wir haben überlebt. Sondern es ist auch ein Phänomen, das eigentlich [fast] das deutsche Volk umgebracht hat. Deshalb denke ich, wir müssen jede Anstrengung unternehmen, um diese Sache aus dem Lexikon zu entfernen und uns auf die guten Beziehungen zwischen unseren Staaten zu konzentrieren.
Deutschlandfunk Kultur: Jetzt haben Sie die deutsche Demokratie erwähnt. Dazu meine Frage: Die rechtspopulistische Partei AfD liegt in Umfragen in Ostdeutschland zum Teil an erster Stelle und bundesweit gleichauf mit der SPD. Halten Sie die AfD für eine demokratische Partei?
Issacharoff: Sehen Sie, ich mag es nicht, Parteien zu definieren. Ich denke, Parteien müssen sich selbst definieren. Und zu meinem Bedauern haben die Führungspersonen dieser Partei einige Male Dinge gesagt, die Juden und Israelis treffen und auch jeden Menschen, dem die Demokratie etwas bedeutet – und auch die Toleranz, die es seit dem [Zweiten] Weltkrieg gibt, auch in Deutschland. Die AfD muss zunächst einmal sich selbst definieren. Gegenwärtig sorge ich mich vor allem wegen einiger Aussagen, einschließlich der Aussagen, die in der jüngeren Vergangenheit von den Führungspersonen der AfD gemacht wurden.
Deutschlandfunk Kultur: Bleiben wir noch etwas beim Thema AfD. In Chemnitz kam es im August/September dieses Jahres zu Demonstrationen, bei denen AfD und Neonazis gemeinsam marschiert sind. Machen Sie sich Sorgen um die Demokratie in Deutschland?
Issacharoff: Ja, das besorgt mich in der Tat. Ich möchte auch die deutschen Hörer einladen, sich dieser Sorge anzuschließen. Noch einmal: Es geht hier nicht nur um Israelis und Juden. Wir kennen den schlimmsten Antisemitismus. Und wir haben überlebt.

"Ich hoffe sehr für Deutschland, dass das nicht zurückkommt"

Ich denke, was in diesem Zusammenhang nicht genügend im Bewusstsein ist, ist das Schicksal der deutschen Demokratie. Noch einmal: Wir wissen, was der Antisemitismus in der nicht allzu fernen Vergangenheit getan hat. Und ich hoffe sehr für Deutschland, dass das nicht zurückkommt. Nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa insgesamt, dass dieses Phänomen in Europa nicht wiederkehrt. Am Ende hat es viel mehr zerstört als alle Grundlagen der westlichen Zivilisation. Wie es Kanzlerin Merkel gesagt hat: Es war ein Zivilisationsbruch, und ich denke, das ist ein sehr wahrer und wirklicher Ausdruck.
Deutschlandfunk Kultur: Versucht die israelische Botschaft hier, Einfluss auszuüben? Sind Sie in Verbindung mit der AfD oder nicht?
Issacharoff: Wir haben keinerlei Kontakt zur AfD. Und wir werden uns an allen Bemühungen der deutschen Regierung, des Deutschen Bundestages und jedes deutschen Faktors beteiligen, der danach strebt, diesen Begriff Antisemitismus aus dem Lexikon und auch aus unserem Leben zu entfernen. Wir werden alles tun, an jedem Forum teilnehmen und jede Hilfe zur Verfügung stellen, in der Bildung wie auch in der Forschung, die es unterstützt, dieses Phänomen zu bekämpfen.
Deutschlandfunk Kultur: Aber die AfD hat es sicher versucht, Kontakt zu Ihnen aufzunehmen.
Issacharoff: Das stimmt.
Deutschlandfunk Kultur: Wie haben Sie reagiert?
Issacharoff: Wir haben nicht reagiert. Wir haben keinen Kontakt mit der AfD.
Deutschlandfunk Kultur: Die diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland sind weiterhin intensiv und gut – trotz der Rechtsorientierung der israelischen Regierung. Wo wollen Sie als Botschafter in diesen Beziehungen Akzente setzen?
Issacharoff: Zunächst einmal: Die Regierung, die es in Israel gibt, ist die Regierung, die die israelische Demokratie hervorgebracht hat. Und ich denke, es ist sehr wichtig, sie nicht in dieser oder einer anderen Weise zu definieren. Unterm Strich ist das eine Regierung, die im Bereich der nationalen Sicherheit vor vielen Herausforderungen steht, und ich denke, sie handelt in den meisten Fällen ausgewogen und vorsichtig, um die Sicherheit des Staates zu erhalten.

Dialog dient Sicherheit und Wohlstand

Und ich denke, das ist einer der wichtigsten Bestandteile der bilateralen Beziehungen. Deutschland und Israel verbindet ein sehr tiefes gegenseitiges Gespräch, sowohl auf der Ebene der Führung als auch auf der Ebene der hohen Beamten und überhaupt zwischen den unterschiedlichen Institutionen in der deutschen und israelischen Gesellschaft. Das führt zu einer großen Intensität der bilateralen Beziehungen. Aber dieser Dialog muss gegenseitig und tolerant sein, er muss in Zusammenarbeit zum Ausdruck kommen. Und er sollte in der Tat, so würde ich sagen, zuallererst zur Sicherheit und zum Wohlstand beider Völker beitragen.
Gäste sitzen am 03.05.2017 vor dem Cafe und Recordstore "Gordon" mit israelischer Küche in der Allerstraße in Berlin Neukölln. Hier werden auch Schallplatten und Vinyl angeboten.
Gäste sitzen vor dem Cafe und Recordstore "Gordon" mit israelischer Küche in der Allerstraße in Berlin Neukölln.© dpa-Zentralbild / Jens Kalaene
Deutschlandfunk Kultur: Nutzt die Botschaft die Tatsache, dass es in Berlin immer noch eine riesige israelische Community gibt? Ist das in den Beziehungen von Bedeutung?
Issacharoff: Zunächst einmal: Ich weiß nicht, ob man hier von einer riesigen Community sprechen kann. Am Ende gibt es hier ein paar tausend Israelis, und ich höre viel Hebräisch auf den Straßen, wenn ich durch Berlin laufe. Ich bemühe mich, so viel wie möglich mit diesen Israelis im Kontakt zu sein. Die israelische Gemeinde in Berlin ist nicht organisiert. Sie gehört nicht zur örtlichen jüdischen Gemeinde. Die Menschen kommen unabhängig voneinander hierher, und es gibt keine organisierte Gemeinschaft, über die man in Kontakt kommen kann.
Die Lage ist ein bisschen unübersichtlich. Um die Wahrheit zu sagen: Wir wissen nicht, wie viele Israelis hier sind, wo sie sind und was sie tun. Aber ich möchte die Gelegenheit nutzen, jemandem, der das hört und Israeli ist und Interesse hat, mit der Botschaft in Kontakt zu kommen, zu sagen: Ich bin bereit mich zu treffen – mit jedem aus der israelischen Community, nicht nur in Berlin, auch in anderen Städten. Und ich würde mich freuen, wenn wir da miteinander in Kontakt kämen. Ich denke, es ist sehr wichtig, diesen Kontakt zu erhalten. Kommt zu mir und haltet mich auf dem Laufenden, was ihr macht. Und wir informieren euch. Am Ende ist es am wichtigsten, den Kontakt zu bewahren.
Deutschlandfunk Kultur: Die Tatsache, dass es diese große oder nicht so große Community gibt – können Sie das mit ganzem Herzen akzeptieren, dass es so eine Gemeinde in Berlin gibt?
Issacharoff: Ich möchte Ihnen ganz offen antworten: Ich bin nicht ausgewandert. Mich hat mal jemand gefragt, ob ich ihm eine Arbeit in Berlin besorgen könne. Ich habe ihm gesagt: Das reicht. Ich bin nicht bereit, Israelis dazu zu ermuntern, nach Deutschland zu kommen. Auf der anderen Seite bin ich auch nicht bereit, Israelis mit einem Bann zu belegen, die die Entscheidung treffen und hierher kommen.
Es ist nicht meine Aufgabe, darüber zu urteilen, warum Menschen hier herkamen. Ich ermuntere nicht dazu. Aber wenn Menschen schon hier sind, empfinde ich eine Pflicht, die Verbindung aufrecht zu erhalten.

Hilfe für Israelis, die zurückkehren wollen

Schließlich bin ich der Botschafter des Staates Israel in Deutschland, und ich repräsentiere sie noch als ihr Botschafter. Natürlich habe ich kein Interesse, dass diese Gemeinschaft wächst. Ich freue mich, wenn es einen Kontakt zwischen uns und den Israelis gibt, die hier leben, und wenn mit Gottes Hilfe der Tag kommt, dass sie oder ihre Kinder nach Israel zurückkehren wollen, werden wir sie unterstützen.
Deutschlandfunk Kultur: "Mit Gottes Hilfe" haben Sie gesagt. Sind Sie religiös?
Issacharoff: Ich bin ein Mensch mit einer sehr tiefen jüdischen Tradition. Einer meiner Großväter war ein sehr bekannter Rabbiner in Bulgarien, sein Name war Hapele Joetz. Ich bin ein direkter Nachkomme dieses Rabbiners. Und die Familie meines Vaters hat vor 120 Jahren in Jerusalem eine Synagoge gebaut, die immer noch im Herzen Jerusalems existiert und als Synagoge fungiert. Ich bin sehr stolz auf meine religiöse Vorgeschichte, obwohl ich selbst die religiösen Gesetze, die Mitzwot, nicht einhalte. Ich bemühe mich, der Religion so gut ich kann die Ehre zu geben.
Jüdisches Museum, Neubau von Daniel Libeskind, Berlin
Das Jüdische Museum in Berlin© picture-alliance / dpa / Ingo Schulz
Deutschlandfunk Kultur: Die israelische Regierung hat Bundeskanzlerin Merkel im Herbst dieses Jahres gebeten, Deutschland möge die Unterstützung für mehrere Kulturinstitutionen und Nichtregierungsorganisationen einstellen. Dazu gehören das Jüdische Museum in Berlin, wie in einigen Zeitungen zu lesen war, die Berlinale und "Brot für die Welt". Ist das nicht eine übertriebene Einmischung in die deutsche Kulturpolitik?
Issacharoff: Es hängt alles davon ab, ob es stimmt, was in der Zeitung steht oder nicht. Als sich die israelische und die deutsche Regierung Anfang Oktober in Jerusalem trafen, wurde dieses Thema verhandelt, und wir haben der deutschen Seite ein sogenanntes "non-paper" übergeben. Wir haben über verschiedene Institutionen gesprochen, die gegen den Staat Israel und seine Legitimität vorgehen – in einer ungebührlichen Weise, die den Ministerpräsidenten, die Legitimität Israels und auch den Status als demokratischer Staat verletzt. Ich ziehe es vor, in dieser Sache nicht in die Einzelheiten zu gehen. Wir haben ein Papier übergeben. Die deutsche Seite hat erklärt, sie werde die Sache prüfen, und ich ziehe es vor, diesen Dialog auf der Regierungsebene zu behandeln.

Politik und Kultur nicht vermischen

Wir bringen da nicht gerade wenige Themen auf – so wie auch die deutsche Seite uns gegenüber Themen aufwirft. Und diese Dinge werden ganz ruhig im innersten Kreis behandelt, und ich denke, dass es besser ist, diese Dinge in geschlossenen Räumen zu verhandeln als öffentlich. Ich bin da sehr empfindlich im Blick auf die Notwendigkeit, Politik und Kultur nicht miteinander zu vermischen. Aber manchmal mischt sich die Kultur ein, oder sie verletzt die Politik in Israel. Ich bin [dann] überzeugt, dass es meine Pflicht ist, mit aller meiner Kraft den Staat Israel zu verteidigen.
Deutschlandfunk Kultur: Das Problem ist nur, dass die Sache jetzt in die Öffentlichkeit gelangt ist. Jetzt ist das öffentlich.
Issacharoff: Ich habe das nicht in die Öffentlichkeit gebracht. Und ich möchte Ihnen auch sagen: Die Berichte, die bis jetzt erschienen sind, zwei bis drei Berichte, sind nicht sehr genau. Noch einmal: Auf den Inhalt der Dinge möchte ich nicht eingehen. Aber ich denke in der Tat, dass es richtig ist zu sagen: Es gibt eine Sorge, wenn Organisationen, die sich anmaßen, sie seien Menschenrechtsorganisationen, und sich für einen Boykott Israels einsetzen oder für Sanktionen gegen den Staat Israel – es gibt Faktoren, gegen die Israel vorgehen muss. Und das ist eines der Themen, die wir gegenüber der deutschen Regierung vorbringen. Und wir werden das weiterhin in dieser anderen Form in Zukunft tun.
Deutschlandfunk Kultur: Was ich hier aber hinzufügen muss: Israel behauptet, dass diese Organisationen eine propalästinensische Politik betrieben. Das ist der Hintergrund, nicht wahr?
Issacharoff: Eine Organisation kann propalästinensisch sein. Aber wenn die Organisation gegen den Kern der Staatlichkeit Israels als Staat vorgeht und nicht versucht, einen politischen Prozess zwischen den Staaten voranzubringen beim israelisch-palästinensischen Thema, sondern versucht, die Existenz des Staates Israel zu verneinen, dann ist das eine andere Sache.

Vorgehen gegen illegitime Kritik

Das ist eine illegitime Kritik, gegen die wir vorgehen, so weit es möglich ist. Aber ich denke, wenn alle Faktoren versuchen, den Fäden des öffentlichen Gesprächs zu folgen, den Weg kultivierter Gespräche, von Gesprächen zu gehen, in denen einer den anderen respektiert, den Weg von Gesprächen, die Brücken bauen zwischen Menschen, nicht von Gesprächen, die Brücken zwischen den Menschen verbrennen – das ist meines Erachtens das wichtigste.
Deutschlandfunk Kultur: Ihr Sohn Dean ist bekannt als Sprecher der israelischen Nichtregierungsorganisation "Breaking the Silence", die Kritik an der Gewalt der israelischen Armee als Besatzungsmacht im Westjordanland übt. Worüber streitet er mit Ihnen am Freitag abend, wenn israelische Familien zusammensitzen?
Issacharoff: Zunächst einmal: Sie kämpfen nicht gegen die Gewalt. Aber ich bin nicht hier, um "Breaking the Silence" zu verteidigen. Ich bin stolz auf meinen Sohn und ich liebe meinen Sohn. Kürzlich hatten wir mal einen Freitag Abend, an dem die ganze Familie zusammengesessen hat. Und wir führen dann ein kultiviertes Gespräch, unter Menschen, die sich lieben, und wir reden über alles Mögliche, was uns wichtig ist.

"Ich bin stolz auf meinen Sohn"

Aber noch einmal: Ich bin stolz auf meinen Sohn, der fast fünf Jahre bei der Armee gedient hat. Er hat sich freiwillig bei einer Kampfeinheit gemeldet und für eine Offizierslaufbahn, und er vertritt jetzt eine bestimmte Meinung. Und diese Sache basiert auf Erfahrungen bei der Armee. – Ich respektiere sein Recht, seine Auffassung zu vertreten, so wie er es respektiert, dass ich die Dinge voranbringe, die ich im Rahmen meiner Arbeit tue. Wir haben sehr gute Beziehungen zwischen Vater und Sohn. Zorn spielt hier keine Rolle. Wir vermischen Politik und Familie nicht. Vater bleibt Vater.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei einer wöchentlichen Kabinettssitzung in Jerusalem
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei einer wöchentlichen Kabinettssitzung in Jerusalem© EPA Pool / AP / Abir Sultan
Deutschlandfunk Kultur: Mitte November hat Ministerpräsident Netanjahu indirekt ein Waffenstillstandsabkommen mit der islamistischen Hamas abgeschlossen, die im Gaza-Streifen regiert. Sogar der linke israelische Journalist Gideon Levy lobte ihn dafür. Verteidigungsminister Lieberman trat zurück. Wird es bald direkte Gespräche Israels mit der Hamas geben?
Issacharoff: Zunächst sehe ich nicht, dass die Hamas mit uns sprechen wird. Das passt nicht zu ihrer Ideologie. Sie verneinen die Existenz des Staates Israel. Sie feiern jetzt das 30-jährige Bestehen der Hamas als Organisation. Am Ende sollten wir nicht vergessen: Das Quartett, die Europäer haben gefordert, den Staat Israel anzuerkennen, dem Terror abzuschwören und bisherige Vereinbarungen anzuerkennen. Und nicht einmal diese Minimalforderungen ist die Hamas bereit zu erfüllen. Wenn sie diese Forderungen erfüllen würden, denke ich, würden sich alle Möglichkeiten eröffnen.
Wir hatten ja auch mal eine Situation, dass wir früher nicht mit der PLO gesprochen haben. Und die PLO hat bestimmte Vereinbarungen akzeptiert, und wir haben Kontakt zur Palästinensischen Autonomiebehörde. Da gibt es Gespräche. Wir sind nicht diejenigen, die das vermeiden.
Die Hamas koordiniert sich nicht nur nicht mit Israel, sondern auch nicht mit der Palästinensischen Autonomiebehörde. Erinnern Sie sich: Der Gaza-Streifen stand unter der Kontrolle der Palästinensischen Autonomiebehörde. Dann hat die Hamas die Macht übernommen und entmachtete die Autonomiebehörde und warf auch einige PLO-Mitglieder von den Dächern der Häuser dort.

"Wir wissen die arabischen Gesprächspartner sehr zu schätzen"

Ich denke, wenn der Staat Israel mit seriösen Staaten sprechen kann – Sadat kam nach Israel, der König Hussein – wir wissen die arabischen Gesprächspartner sehr zu schätzen. Aber wenn man einen Gesprächspartner hat, der nicht mal bereit ist, deine Existenz anzuerkennen, dann sehe ich dafür keine Chance. Genauso wie für einen Dialog zwischen dem Staat Israel und der Hisbollah oder einem westlichen demokratischen Staat und dem "Islamischen Staat". Manchmal gibt es keine gemeinsame Grundlage für so ein Gespräch.
Deutschlandfunk Kultur: Seit langem wartet die Weltöffentlichkeit auf den angekündigten Nahost-Friedensplan des US-Präsidenten. Sie waren zu Beginn der 1990-er Jahre Teil der israelischen Delegationen bei den Friedensgesprächen mit arabischen Staaten. Was erwarten Sie von diesem Plan?
Issacharoff: Erst einmal weiß ich nicht genau, wann sie diesen Plan vorlegen werden. Es wurde viel darüber geredet, dass sie einen Plan auf den Tisch legen werden. Ich denke, was auch der Ministerpräsident gesagt hat: Wenn das auf dem Tisch liegt, werden wir darüber nachdenken, und dann werden wir sehen. Ich kann Ihnen wirklich nicht sagen, in welche Richtung das gehen wird. Es gibt verschiedene Hinweise, aber man weiß es nicht.

Neue Dynamik in den arabisch-israelischen Beziehungen

Ich möchte es so sagen: Meiner Meinung nach gibt es heute eine andere Dynamik in den arabisch-israelischen Beziehungen. Die Beziehungen Israels zu Jordanien, Ägypten, die Beziehungen zu den Golfstaaten… Der Ministerpräsident war in Oman. Es gibt hier eine Dynamik, denke ich. Der Besuch in Oman symbolisiert äußerlich, was ansonsten umso mehr im Geheimen geschieht.
Ich denke, es ist sehr wichtig, darüber nachzudenken, wie diese positive Dynamik dazu beitragen kann, ein Gespräch, Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern zu ermöglichen. Denn ich denke, sowohl Israel als auch die arabische Seite haben ein Interesse daran, zu versuchen, auch auf der israelisch-palästinensischen Ebene Fortschritte zu machen.

Trumps Friedensplan – "vielleicht sehr große Gelegenheit"

Vielleicht ist das eine sehr große Gelegenheit. Ich weiß nicht, wann Präsident Trump den Plan auf den Tisch legt, aber ich denke, er kann auch auf einer positiveren Dynamik aufbauen, die es in der Region gibt. Andererseits gibt es natürlich Bedrohungen in der Region, Iran, den IS, verschiedene Faktoren, Hisbollah, die die vorhandenen arabischen Staaten nicht weniger bedrohen als den Staat Israel. Ich möchte gerade glauben, dass eine solche Möglichkeit in der Tat die regionale Stabilität unterstützen und dazu beitragen wird.
Deutschlandfunk Kultur: Die Beziehungen Israels zu Saudi-Arabien und zu einigen arabischen Staaten am Persischen Golf haben sich tatsächlich verbessert – auch aufgrund des Iran. Denken Sie, dass es langsam Zeit ist, über diplomatische Beziehungen zu diesen Staaten nachzudenken?
Issacharoff: Erstens: Wenn ich überprüfe, wie die Interessen des Staates Israel und der Staaten, die ich genannt habe, einschließlich der Golfstaaten, zueinander passen, sehe ich einen Bereich großen Einverständnisses bei einer Reihe von Themen: beim Thema Iran, beim Thema Syrien, bei den Themen Hisbollah, Hamas und IS. Alle diese Bedrohungen und der Wille, gegen den Terror in allen seinen Formen zu kämpfen – ich denke, es gibt hier wirklich Interessen, die sich zu einem gemeinsamen Interesse akkumulieren.

Besuch Netanjahus in Oman wichtiges Zeichen

Deshalb denke ich in der Tat: Wir haben kein Problem, dass diese Beziehungen offengelegt werden. Das Problem besteht in der Regel auf der anderen Seite. In diesem Stadium haben wir Kontakte, es gibt Gespräche. Aber manchmal können diese Dinge nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Ich denke, der Besuch des Ministerpräsidenten in Oman war auch ein wichtiges Zeichen: Der israelische Ministerpräsident kann auch einen Besuch am Golf machen, und es verändert sich nicht die ganze Welt. Insgesamt war das ein wichtiges und positives Ereignis für alle.
Deutschlandfunk Kultur: Meine letzte Frage: Die Welt blickt in diesen Tagen auf Bethlehem, die Geburtsstadt Jesu. Woran denken Sie, wenn man Sie an "Bethlehem" erinnert?
Issacharoff: Ich wohne in Süd-Jerusalem, ungefähr fünf, sechs Minuten entfernt von Bethlehem. Wir wohnen sehr nahe, beim Kibbutz Ramat Rachel. Das ist eine Gegend, wo es einige arabische Dörfer gibt. Und ich muss sagen: Das alltägliche Leben in dieser Region ist viel besser und angenehmer als die Menschen heute denken. Es gibt da viel Koexistenz. Die Menschen sprechen miteinander, Araber und Juden. Und in der Tat: Erst kürzlich war ich im Lande, und ein palästinensischer arabischer Händler besuchte mich zu Hause. Es gibt manchmal sehr viel bessere Beziehungen als wir denken.

Freier Zugang der Religionen zu heiligen Stätten

Von uns aus können wir Bethlehem sehen. Es ist eine Zeit der Feste. Wir freuen uns, dass es, wie in der Altstadt von Jerusalem, Toleranz gibt, an der Westmauer, einem sehr wichtigen Ort für Juden. Es gibt die Moschee der Muslime, und es gibt die Grabeskirche der Christen. Eines der Dinge, die uns am wichtigsten sind, ist, dass alle Religionen freien Zugang haben, dass jeder dort beten kann. Wir betreiben jeden erdenklichen Aufwand, um das sicherzustellen. Ich glaube, wir betreiben jeden Aufwand, sofern es in unserer Macht steht – auch um die Lage in Bethlehem zu unterstützen, dass Menschen dort bestmöglich in ihrer Tradition Weihnachten feiern können. Das ist ganz und gar auch unser Wunsch. Und ich wünsche den Hörern, auch uns allen – wir befinden uns im Monat von Chanukka, Weihnachten und des neuen Jahres – ich wünsche Ihnen und allen Hörern, uns allen nur gute Nachrichten.
Deutschlandfunk Kultur: Vielen Dank, Herr Botschafter, Jeremy Issacharoff, Botschafter Israels in Deutschland. Ich möchte Ihnen für das Gespräch danken, und ich wünsche Ihnen einen besinnlichen Jahreswechsel. Auf Wiedersehen.
Issacharoff: Vielen Dank. Auf Wiedersehen.
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