Ist die Psychoanalyse noch zeitgemäß
Kaum eine andere wissenschaftliche Theorie führte im 20. Jahrhundert zur Polarisierung der Geister wie die Psychoanalyse. Kaum eine Theorie wurde so heftig bekämpft wie sie, während sich gleichzeitig eine Schar von Jüngern bildete. Doch gut einhundert Jahre, nachdem Freud sie zu entwickeln begann, spricht die Forschung mehr und mehr für ihn.
Wir sind im Freud-Jahr. Unübersehbar, unüberhörbar die vielen Beiträge zum 150. Ge-burtstag des Stammvaters der Psychotherapie am 6. Mai. Über die von ihm begründete Psychoanalyse hat er sinngemäß einmal gesagt: Ich möchte sie als Theorie empfehlen, als Therapie ist sie nur eine unter vielen. Seit den ersten Schriften Freuds bis heute ist die Psychoanalyse umstritten: als Theorie des Seelischen und als Methode zur Behandlung seelischer Probleme. Vorgeworfen wurde ihr: Es gibt gar kein Unbewusstes, Träume entste-hen als Zufallsprodukte, die Kindheit prägt nicht das Leben und der Sexualtrieb war eine Erfindung Freuds. Auch als Behandlungsmethode wurde die Psychoanalyse angegriffen: Sie dauert viel zu lang und ist ineffektiv. Der Begründer der Verhaltenstherapie, Joseph Wolpe, meinte einmal süffisant: Das einzig bleibende Vermächtnis von Freud ist die Angewohnheit, dass eine Therapiestunde 50 Minuten dauert. Doch aus der Wissenschaft kommt in jüngster Zeit Unterstützung für die Psychoanalyse. Wie aktuell, wie zeitgemäß ist die Psychoanalyse heute? Darüber wollen wir heute sprechen.
Keine andere wissenschaftliche Theorie - sieht man ab von der marxistischen Theorie - führte im 20. Jahrhundert derart zur Polarisierung der Geister wie die Psychoanalyse. Kaum eine Theorie wurde so heftig bekämpft wie sie, während sich gleichzeitig eine Schar von Jüngern bildete, die sie in manchmal sektenhafter Weise verteidigte. Aber während 1986 ein bekannter deutscher Journalist über die Psychoanalyse ein Buch mit dem Titel "Tiefen-schwindel” schrieb, muss man heute feststellen: Wer vom Schwindel der Psychoanalyse redet, muss neue wissenschaftliche Forschungsergebnisse schon sehr verbiegen, um das tun zu können.
Dass seelisches Leben von unbewussten Vorgängen gesteuert wird, daran kann aufgrund der neurobiologischen Forschung kein Zweifel bestehen. Außerdem zeigt die Hirnforschung: An Träumen sind diejenigen Teile des Gehirns beteiligt, die für Wünsche und Belohnungen zuständig sind, und nicht die Teile, in denen der so genannte REM-Schlaf entsteht, den viele Wissenschaftler lange Zeit für das Träumen verantwortlich machten. Wünsche aber sah Freud als Triebkräfte des Träumens an.
Und dass Erfahrungen aus der Kindheit die grundlegende Basis für seelische Krankheiten abgeben, daran, schrieb einer der prominentesten Kritiker der Psychoanalyse, der Psycho-therapieforscher Klaus Grawe in seinem letzten Buch, lässt die empirische Forschung heute keinen Zweifel mehr. Gut einhundert Jahre, nachdem Freud seine Psychoanalyse zu entwi-ckeln begann, spricht die Forschung mehr und mehr für ihn. Und die Psychoanalyse wird plötzlich wieder zeitgemäß.
Auch als Behandlungsmethode scheint sie nicht ausgedient zu haben. Neuere Untersuchun-gen von Forschern an der Universität Heidelberg zeigen zum Beispiel, dass Patienten, die eine mehrere hundert Stunden lange psychoanalytische Behandlung absolvierten, vier Jahre danach mehr soziale Beziehungen hatten, besser über sich selbst nachdenken konnten und ein besseres Verständnis ihrer selbst gewonnen hatten, Veränderungen, die die psychische Gesundheit fördern. Im Licht der Forschung haben auch die scharfen Angriffe auf die psy-choanalytische Couchbehandlung abgenommen. Psychoanalyse ist teuer, weil sie lang dauert, aber offensichtlich - zumindest für manche Menschen - gut.
Literaturhinweise:
J. Bauer, H. Kächele: Die Couch im Labor.
T. Saum-Aldehoff: Zurück zu den Anfängen. In: Psychologie heute, Heft 7, Juli 2006 (33. Jg., S. 36-41).
Keine andere wissenschaftliche Theorie - sieht man ab von der marxistischen Theorie - führte im 20. Jahrhundert derart zur Polarisierung der Geister wie die Psychoanalyse. Kaum eine Theorie wurde so heftig bekämpft wie sie, während sich gleichzeitig eine Schar von Jüngern bildete, die sie in manchmal sektenhafter Weise verteidigte. Aber während 1986 ein bekannter deutscher Journalist über die Psychoanalyse ein Buch mit dem Titel "Tiefen-schwindel” schrieb, muss man heute feststellen: Wer vom Schwindel der Psychoanalyse redet, muss neue wissenschaftliche Forschungsergebnisse schon sehr verbiegen, um das tun zu können.
Dass seelisches Leben von unbewussten Vorgängen gesteuert wird, daran kann aufgrund der neurobiologischen Forschung kein Zweifel bestehen. Außerdem zeigt die Hirnforschung: An Träumen sind diejenigen Teile des Gehirns beteiligt, die für Wünsche und Belohnungen zuständig sind, und nicht die Teile, in denen der so genannte REM-Schlaf entsteht, den viele Wissenschaftler lange Zeit für das Träumen verantwortlich machten. Wünsche aber sah Freud als Triebkräfte des Träumens an.
Und dass Erfahrungen aus der Kindheit die grundlegende Basis für seelische Krankheiten abgeben, daran, schrieb einer der prominentesten Kritiker der Psychoanalyse, der Psycho-therapieforscher Klaus Grawe in seinem letzten Buch, lässt die empirische Forschung heute keinen Zweifel mehr. Gut einhundert Jahre, nachdem Freud seine Psychoanalyse zu entwi-ckeln begann, spricht die Forschung mehr und mehr für ihn. Und die Psychoanalyse wird plötzlich wieder zeitgemäß.
Auch als Behandlungsmethode scheint sie nicht ausgedient zu haben. Neuere Untersuchun-gen von Forschern an der Universität Heidelberg zeigen zum Beispiel, dass Patienten, die eine mehrere hundert Stunden lange psychoanalytische Behandlung absolvierten, vier Jahre danach mehr soziale Beziehungen hatten, besser über sich selbst nachdenken konnten und ein besseres Verständnis ihrer selbst gewonnen hatten, Veränderungen, die die psychische Gesundheit fördern. Im Licht der Forschung haben auch die scharfen Angriffe auf die psy-choanalytische Couchbehandlung abgenommen. Psychoanalyse ist teuer, weil sie lang dauert, aber offensichtlich - zumindest für manche Menschen - gut.
Literaturhinweise:
J. Bauer, H. Kächele: Die Couch im Labor.
T. Saum-Aldehoff: Zurück zu den Anfängen. In: Psychologie heute, Heft 7, Juli 2006 (33. Jg., S. 36-41).