Ist No-Name die bessere Marke?

Von Udo Pollmer |
No-Name-Artikel sind billiger als Markenware. Aber sind sie deshalb auch schlechter? Es mangelt nicht an Beiträgen, die immer wieder aufs Neue Licht ins Dunkel der Verpackungen bringen wollen. Offenbar ist das nicht so einfach.
Alle naslang will eine Redaktion wissen, welche Markenartikel sich in welchen No-Name-Produkten verstecken würden. Man plane ein Servicestück für den Verbraucher, damit er endlich Markenqualität für Umme kaufen könne. Ein paar Tage später beklagen sie dann den Qualitätsverfall bei Lebensmitteln. Schuld seien die Verbraucher, denn die kaufen ja immer nur das Billigste.

Natürlich lässt sich an bestimmten Ziffernfolgen auf den Verpackungen ermitteln, aus welcher Fabrik ein Produkt stammt. Aber was sagt uns das? In Sachen Qualität rein gar nichts. Denn kein Journalist weiß, was da wirklich verarbeitet wurde. Das gilt übrigens auch dann, wenn die Zutatenlisten identisch sind. Denn der Hersteller hat verschiedene Möglichkeiten seine Zutatenliste zu formulieren. Gleiche Listen sind kein Beweis für gleichen Inhalt.

Selbst dann, wenn die Rezeptur tatsächlich die gleiche sein sollte, dann kann ich die Qualität trotzdem nicht erkennen. Wie frisch war denn der Fisch in der spanischen Fischpfanne? Wie zart die Erbsen, die ins Buttergemüse kamen? Wie lupenrein die Gewürze? Wie reif war der Käse für die überbackenen Spätzle? Es gibt endlose Möglichkeiten für Qualitäts- und damit auch für Preisunterschiede. Mit einem kritischen Verbraucher-Auge ist da meist nichts zu wollen.

Ist Markenware also die bessere Wahl? Nicht unbedingt. Da man die Qualität so schlecht erkennen kann, bedient die Marke nur noch Illusionen. Das war nicht immer so: Einem etwas älteren Lehrbuch entnehme ich folgenden Rat an die Zunft der Kaufleute: "Nirgends ist die Hausfrau sachverständiger als in der Ernährung ihrer Familie. Die Verkäuferin muss daher gute Warenkenntnisse haben, um ... Rede und Antwort stehen zu können. Redensarten wie: ‚Diese Qualität ist besser, daher der höhere Preis‘ sind völlig zu verwerfen." Ja – der Verkäufer, der Händler muss den Grund für den Preis benennen können – sonst ist die Marke wertlos. Das Wort Qualität verkommt zur Premium-Phrase.

Mittlerweile kann sich der Händler diese Mühe sparen. Denn der größte Posten in der Bilanz eines Markenartikels sind ja nicht die Rohstoffe, sondern das Marketing. Werbung, namentlich Fernsehwerbung kostet Geld – und die bezahlt der Kunde. No-Name Produkte leben davon, dass andere diese Märkte werblich vorbereitet haben. Und weil dem Verbraucher klar ist, dass der Preisunterschied nun mal nicht dem Wertunterschied entspricht, kauft er heute das Billigere.

Das war nicht immer so. Als die No-Name-Produkte im Westen aufkamen, blieben die Kunden skeptisch. Mit beispiellosen Kampagnen wurde uns immer wieder eingehämmert: "Vergleiche den Preis!" Fragen nach der Qualität wurden mit dem Hinweis abgeschmettert, alle Produkte unterlägen schließlich dem strengen deutschen Lebensmittelrecht. Den Erfolg dieser "Verbraucheraufklärung" ernten wir heute. Es ist gewiss nicht die Schuld des Verbrauchers, dass es so gekommen ist.

Angeblich fährt der Deutsche ja lieber in den Urlaub, als das er sich was Anständiges zu essen kauft. Aber das, was er im Discounter spart, kommt nicht in die Urlaubskasse sondern wird in Vitaminpillen, Antiaging-Cremes und Functional Food investiert. Wer jeden Tag hört, dass er sich ungesund ernährt, dass Essen dick und krank macht, ist nicht mehr bereit, dafür auch noch Geld auszugeben. In seiner Not füllt er die Säckel dubioser Ablasshändler, und schon springt seine von Ess-Sünden beladene Seele fröhlich in den Fitnesshimmel.

Wer will, dass der Verbraucher wieder mehr Geld fürs Essen ausgibt, sollte dafür sorgen, dass Qualitätsunterschiede objektiv nachvollziehbar werden und er sollte darauf verzichten, seine Kundschaft mit fragwürdigem Functional Food zu verunsichern. Mahlzeit!

Literatur:
F. Schischke et al: Dr. Oetkers Warenkunde. Bielefeld 1934