Istanbul soll osmanisches Disneyland werden
Bis 2010 ist der Abriss des historischen Roma-Viertels Sulukule geplant. Dann wird Istanbul neben Essen und dem ungarischen Pécs eine der europäischen Kulturhauptstädte sein. An gleicher Stelle sollen dekorative Nachbauten osmanischer Architektur entstehen. Interessenvertreter der Bewohner sehen in der Sanierungsmaßnahme nur einen Vorwand, um die Altstadt von den Roma zu säubern.
Als eine der europäischen Kulturhauptstädte 2010 soll Istanbul vor allem eins sein: schön. Viele Tulpenbeete säumen bereits heute alle großen Boulevards. Die Tulpe gelangte im 16. Jahrhundert als Geschenk des türkischen Sultans nach Europa, der damals über das mächtige Osmanische Reich herrschte. Ein Großreich, das sich von Nordafrika über den Nahen Osten und den Kaukasus bis nach Europa erstreckte. An diese Glanzzeiten der Osmanen erinnert sich der Bürgermeister des Istanbuler Altstadtbezirks Fatih gern. Mustafa Demir plant bis 2010 den Abriss des historischen Roma-Viertels Sulukule. Das Stadtbild soll nach dem Vorbild osmanischer Architektur umgestaltet werden.
Mustafa Demir, Bürgermeister von Fatih: " Innerhalb der historischen Stadtmauern werden zweistöckige Neubauten entstehen, die an die Architektur unserer osmanischen Geschichte erinnern. Holzfassaden mit Erkern etwa sind typisch. Wir denken auch an die Bewohner. Gärten etwa sind auch geplant, weil das den Sozialstrukturen der Roma entgegenkommt. Sie lieben die Nachbarschaftspflege im Freien. "
Die Roma-Bevölkerung im Altstadt-Bezirk Fatih zweifelt an der Wohltätigkeit der Stadtverwaltung. In Sulukule, einem Viertel, das zu 99 Prozent von Roma bewohnt wird, hat der Abriss bereits begonnen. Für Sükrü Pündük, den Vorsitzenden der Interessensvertretung der Roma von Sulukule, ist die Sanierungsmaßnahme nur ein Vorwand, um die Altstadt vor 2010 von den Roma zu säubern.
Sükrü Pündük, Verein zur Bewahrung von Sulukule: " Die Stadtverwaltung will hier im Viertel alle Häuser komplett abreißen und die Leute umsiedeln. Hier sollen in der Zukunft Wohlhabende aus dem Umfeld ihrer Partei wohnen. Wir haben uns auf die Bewahrungspolitik der UNESCO berufen und vorgeschlagen, dass die Stadtverwaltung sich gemeinsam mit den Bewohnern des Viertels für eine Restaurierung des Vorhandenen einsetzen soll. Das wurde nicht akzeptiert. Alles soll abgerissen und neu gebaut werden."
Neben den Roma wird der Altstadtbezirk Fatih vor allem von islamisch Konservativen bewohnt, die das Wahlpotenzial der Stadtverwaltung ausmachen. Der Bürgermeister ist ein Parteifreund von Ministerpräsident Tayyip Erdogan. Der Masterplan zur Stadtsanierung wurde dementsprechend von höchster Stelle, dem Ministerrat in Ankara, abgesegnet. Eine Initiative von unabhängigen Stadtplanern und Mitgliedern der Istanbuler Architektenkammer sieht das als historischen Fehler an. Korhan Gümüs, Vorsitzender des Vereins für humanitäre Siedlungen, warnt: Statt der Erhaltung historischer städtischer Substanz verwandeln sich Teile Istanbuls in eine künstliche Kulissenlandschaft, ein osmanisches Disneyland:
" Istanbul steht auf der Liste des zu schützenden Weltkulturerbes der UNESCO. Seit 2004 warnt die UNESCO, Istanbul von dieser Liste zu streichen. Ich war 2006 in Wilna auf der Konferenz der UNESCO. Dort wurde die Türkei wieder verwarnt, die Konvention zu verletzen, weil in Istanbul historische Stätten nicht restauriert, sondern rein dekorativ rekonstruiert werden. "
Die UNESCO kritisiert verfehlte Maßnahmen wie die Bauarbeiten an der historischen Stadtmauer rund um die Altstadt, ein Relikt aus antiker und byzantinischer Zeit. Statt archäologischer Restauration wurde der Wall einfach mit neuem Gestein geflickt.
Dem Roma-Viertel Sulukule im Schatten der gleichen Mauer droht ein noch übleres Schicksal. Der Abriss begräbt diesen Teil der Stadtgeschichte unter dekorativen Nachbauten osmanischer Architektur.
Bereits 200 Jahre vor der Eroberung Konstantinopels wurden die Roma von muslimischen Nomadenstämmen aus Indien und Pakistan als Sklaven nach Anatolien verschleppt. Einige flohen in das byzantinische Konstantinopel und ließen sich am Rande der Stadtmauer, in Sulukule, nieder. Nach der Eroberung durch die Türken 1453, die die Stadt Istanbul nennen, integrierten die Roma sich schnell. Sie wurden als Handwerker, Musiker und Akrobaten ein fester Bestandteil der osmanischen Stadtkultur. Das scheint lange vergessen.
Mustafa Demir, Bürgermeister von Fatih: " Innerhalb der historischen Stadtmauern werden zweistöckige Neubauten entstehen, die an die Architektur unserer osmanischen Geschichte erinnern. Holzfassaden mit Erkern etwa sind typisch. Wir denken auch an die Bewohner. Gärten etwa sind auch geplant, weil das den Sozialstrukturen der Roma entgegenkommt. Sie lieben die Nachbarschaftspflege im Freien. "
Die Roma-Bevölkerung im Altstadt-Bezirk Fatih zweifelt an der Wohltätigkeit der Stadtverwaltung. In Sulukule, einem Viertel, das zu 99 Prozent von Roma bewohnt wird, hat der Abriss bereits begonnen. Für Sükrü Pündük, den Vorsitzenden der Interessensvertretung der Roma von Sulukule, ist die Sanierungsmaßnahme nur ein Vorwand, um die Altstadt vor 2010 von den Roma zu säubern.
Sükrü Pündük, Verein zur Bewahrung von Sulukule: " Die Stadtverwaltung will hier im Viertel alle Häuser komplett abreißen und die Leute umsiedeln. Hier sollen in der Zukunft Wohlhabende aus dem Umfeld ihrer Partei wohnen. Wir haben uns auf die Bewahrungspolitik der UNESCO berufen und vorgeschlagen, dass die Stadtverwaltung sich gemeinsam mit den Bewohnern des Viertels für eine Restaurierung des Vorhandenen einsetzen soll. Das wurde nicht akzeptiert. Alles soll abgerissen und neu gebaut werden."
Neben den Roma wird der Altstadtbezirk Fatih vor allem von islamisch Konservativen bewohnt, die das Wahlpotenzial der Stadtverwaltung ausmachen. Der Bürgermeister ist ein Parteifreund von Ministerpräsident Tayyip Erdogan. Der Masterplan zur Stadtsanierung wurde dementsprechend von höchster Stelle, dem Ministerrat in Ankara, abgesegnet. Eine Initiative von unabhängigen Stadtplanern und Mitgliedern der Istanbuler Architektenkammer sieht das als historischen Fehler an. Korhan Gümüs, Vorsitzender des Vereins für humanitäre Siedlungen, warnt: Statt der Erhaltung historischer städtischer Substanz verwandeln sich Teile Istanbuls in eine künstliche Kulissenlandschaft, ein osmanisches Disneyland:
" Istanbul steht auf der Liste des zu schützenden Weltkulturerbes der UNESCO. Seit 2004 warnt die UNESCO, Istanbul von dieser Liste zu streichen. Ich war 2006 in Wilna auf der Konferenz der UNESCO. Dort wurde die Türkei wieder verwarnt, die Konvention zu verletzen, weil in Istanbul historische Stätten nicht restauriert, sondern rein dekorativ rekonstruiert werden. "
Die UNESCO kritisiert verfehlte Maßnahmen wie die Bauarbeiten an der historischen Stadtmauer rund um die Altstadt, ein Relikt aus antiker und byzantinischer Zeit. Statt archäologischer Restauration wurde der Wall einfach mit neuem Gestein geflickt.
Dem Roma-Viertel Sulukule im Schatten der gleichen Mauer droht ein noch übleres Schicksal. Der Abriss begräbt diesen Teil der Stadtgeschichte unter dekorativen Nachbauten osmanischer Architektur.
Bereits 200 Jahre vor der Eroberung Konstantinopels wurden die Roma von muslimischen Nomadenstämmen aus Indien und Pakistan als Sklaven nach Anatolien verschleppt. Einige flohen in das byzantinische Konstantinopel und ließen sich am Rande der Stadtmauer, in Sulukule, nieder. Nach der Eroberung durch die Türken 1453, die die Stadt Istanbul nennen, integrierten die Roma sich schnell. Sie wurden als Handwerker, Musiker und Akrobaten ein fester Bestandteil der osmanischen Stadtkultur. Das scheint lange vergessen.